Marlin Schenk

Die Straße der Ritter


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Ritter machte eine wirsche Bewegung. „Nimm dein Schwert“, dröhnte er. „Du wirst im Duell meine Ehre wieder herrichten. Wird's bald?“ Die Rechte des Schwarzen Ritters packte den Griff seines Schwertes und zog es rasselnd aus der Scheide. Es war eines jener Langschwerte, die wegen des Gewichts mit beiden Händen geführt wurden. Dieser Kerl führte es jedoch mit nur einer Hand und einer Leichtigkeit, wie William es noch nie gesehen hatte. „Wehr dich, Erbärmlicher.“ Ein Schwein kam aus dem Alehouse. Der Ritter hob sein Schwert und trennte das Tier in der Mitte durch. Es hatte nicht einmal gequiekt. Mit einem zweiten Schlag hieb er eine tiefe Kerbe in den Stamm einer dicken Eiche, die sich am Eingang des Pubs in die Höhe reckte. „Wehr dich, du Hund“, dröhnte er wieder und hob sein Schwert erneut.

      William schüttelte leicht den Kopf. Sein Vertrauen in seine Kampfkunst versickerte plötzlich im Sand der Angst. Kämpfe im Kloster, wo der Gegner ein Bruder aus dem Orden war, hatte er immer mit Bravour bestanden. Jeder einzelne war ihm unterlegen gewesen. Doch diese Begegnung hier war anders. Zum ersten Mal war es Ernst. Todernst.

      „Erbärmlicher Feigling“, brüllte der Riese. „Du bist das Duell nicht wert. Ich gebe nur wenigen diese Chance, und du vergibst sie ungenutzt.“ Das Schwert hob sich in die Luft und schwebte hoch über Williams Kopf. In diesem Moment wusste er, dass sein Kettenhemd ihn nicht schützen würde. In diesem Schwert lag die Kraft der Hölle. Und dann sauste es herab.

      Tomas beobachtete die Szene durch die geöffnete Tür. Als der Schwarze Ritter das Schwein erschlug, sprang er vom Tisch auf. Als das Schwert den Baum spaltete, war er fast an der Tür und riss sein Schwert aus der Scheide, und als es auf William heruntersauste, war Tomas hinter seinem Freund und parierte den Schlag, so dass die Klinge an William vorbei zischte und nur die Luft teilte.

      Das Klingen der Waffen riss William aus seinem Angsttraum. Ihm war übel und er schwankte, aber er war nun fähig, nach seinem Schwert zu greifen.

      Der Riese lachte hart. Es dröhnte blechern durch den Helm. „Aha. Einigkeit macht stark, was? Aber ich werde auch mit zwei Wichten fertig.“ Der Schwarze Ritter wollte erneut angreifen, als Tomas seinen Schwung stoppte. „Haltet ein!“

      Der Schwarze Ritter hielt im Schlag inne. „Ihr habt einen letzten Wunsch?“

      „Glaubt Ihr an Gott?“ fragte Tomas.

      „Jesus Christus ist mein Herr.“

      „Dann vergesst das Duell, Sir. Wir sind Johanniter, und wir dienen Jesus Christus.“

      Der Dicke ließ seine Waffe kreuzweise durch die Luft zischen. „Ich scheiß' auf die Johanniter“, brüllte er. „Wollt ihr euch hinter eurem weißen Kreuz vor mir verstecken, ihr Feiglinge?“

      „Wenn du an Gott glaubst, dann verschone uns“, schrie Tomas zurück. „Nicht um unseret Willen, sondern um der Christenheit Willen. Wir sind dazu bestimmt, Rhodos zu verteidigen, denn die Bedrohung durch die ungläubigen Muslims nimmt ständig zu. Es kriselt dort, so dass unser Großmeister Verstärkung angefordert hat.“

      „Er will Rhodos verteidigen mit zwei Bastmatten wie ihr es seid? Arme Christenheit.“ Der Mann ließ die Waffe sinken und sagte ruhig: „Aber gut, ich sehe es ein. Wann lauft ihr aus?“

      Aus Tomas’ Stimme klang Erleichterung, als er antwortete: „Unsere Galeeren liegen in Queenhithe und verlassen morgen früh den Hafen.“

      Der Riese nickte fast unmerklich. „Geht mit Gott.“ Dann aber riss er das Schwert erneut hoch, setzte William die Klinge unters Kinn und sagte: „Rhodos wird dich nicht vor dem Duell bewahren, mein Freund. Ich werde auf dich warten.“

      Williams Gesicht nahm einen noch helleren Ton von bleich an.

      Als sich die metallenen Schritte des Schwarzen Ritters entfernten, reichte Tomas William seinen Arm und stützte ihn. „Du hast Glück gehabt, Bruder. Er hätte dich gespalten wie das arme Schwein hier.“

      „Du hast mir das Leben gerettet“, lallte William matt. „Du hast dein Schwert gegen diesen Mann erhoben, obwohl es uns seit der Tagung des Generalkapitels von 1366 in Avignon streng untersagt ist, gegen Christen zu kämpfen.“

      „Wir haben auch Alkohol getrunken, obwohl wir nur Wasser und Brot verzehren sollen“, antwortete Tomas. „Das Gebot des Schwertes sagt zwar, dass der Kampf generell nur gegen Ungläubige erlaubt ist. Es sagt aber auch, dass er zur Verteidigung des Ordens oder des eigenen Landesfürsten stattgegeben ist. Und wir haben den Orden verteidigt. Oder etwa nicht? Dieses Gebot, mein lieber William, ist aber weniger zur Ehre Gottes erschaffen worden. Der Grund für die Bestimmung war vielmehr Juan de Heredia, der als Kastellan von Emposta an einer Schlacht der Franzosen teilnahm und in englische Gefangenschaft geriet, aus der er ausgelöst werden musste. Solche Peinlichkeiten will man sich in Zukunft ersparen.“

      „Wie dem auch sei, teurer Tomas, ich danke dir und stehe in deiner Schuld.“

      „Du zitterst noch, Bruder. Dieser Schwarze Ritter hat dir wohl einen saftigen Schrecken eingejagt. Fürchtest du dich vor einem Duell mit ihm?“

      Aus Williams Lunge entwich ein bruddelndes Geräusch. Er schüttelte sich und sagte: „Ich wäre ihm unterlegen, Tomas. Das weiß ich. Aber dieser Mann glaubt doch wohl nicht ernsthaft daran, dass ich eines Tages nach England zurückkehre und ihn aufsuche, um das ausstehende Duell zu fechten? Hält er mich für so blöde?“

      „Der Mann machte auf mich nicht den Eindruck eines leichtgläubigen Narren, William. Ich vermute eher, dass er auf das Duell verzichtet.“

      „Das hoffe ich“, sagte William. Dann wankten sie schweigsam davon.

      4. Im Hafen

      Am nächsten Morgen fanden sich William und Tomas in aller Frühe am Hafen ein. Die gemächlich im Wasser dümpelnden Galeeren standen im krassen Gegensatz zu dem regen Treiben, das auf Queenhithe herrschte. Viele Händler scharten sich um einen bärtigen Mann in sauberer, weißer Kleidung. Er stand an der Brücke zum Schiff und hielt eine Liste in der Hand.

      „Wer ist das?“ fragte William leise.

      „Es wird der Schreiber der Galeere sein“, antwortete Tomas. „Er überwacht den Ankauf und die Ausgabe von Lebensmitteln und Munition.“

      „Der Bäcker“, brüllte der Mann, und sogleich löste sich ein Leiterwagen aus der Menge und rollte auf die Brücke zu. „Brot für zwei Tage, Bäcker. Ist die Ware auch frisch?“

      „Heute Nacht gebacken, Sir.“

      „Schaff die Brote an Bord.“

      Der Bäcker gehorchte.

      „Wer hat Pökelfleisch?“

      Wieder kam ein Wagen heran, der mit Fässern beladen war. Der Schreiber öffnete eines davon und kostete die Ware. Dann nickte er, worauf der Metzger seine Fässer an Bord bringen ließ.

      Danach wurde Trinkwasser, Wein, Zwieback, Obst, Käse, Öl und Fisch geladen. Nachdem dies geschehen war, ging der Schreiber an Bord, und die Händler verzogen sich.

      Tomas deutete in Richtung Stadt. „Die Ruderer kommen“, sagte er.

      Als William in die gewiesene Richtung blickte, sah er etwa 200 Männer, deren Haar an den Seiten geschoren war. Der Kamm, der auf dem Schädel wuchs und die oft auswuchernden Tätowierungen an Gesicht und Armen verliehen vielen von ihnen ein gefährliches, wenn nicht gar gespenstisches Aussehen. Sie fluchten laut und brüllten in die kalte Londoner Morgendämmerung hinein. Als die Gruppe Queenhithe erreichte, verteilten sich die Ruderer auf die beiden Schiffe.

      „Was sind das für Kerle?“ fragte William. „Sie sehen nicht aus wie Sklaven und werden auch nicht bewacht.“

      „Es sind Freiwillige. Sie scheren sich ihr Haar, damit man sie von den Sklaven und Verbrechern unterscheiden kann. Sie werden besser behandelt als die Unfreien.“

      Wenig später wurden je 200 Unglückliche auf jedes Schiff gebracht. Gelegentliche Peitschenhiebe untermalten