Heike Möller

Weltenwanderer-Chroniken I


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gehört.

      Ferner erbt sie die Rechte und Tantiemen an meinen Büchern, die im Anhang aufgelisteten Wertpapiere sowie die Summe von über 10 Millionen Euro in bar.“

      Andreas Laurenz war froh, dass er seinen Bonbon schon runtergeschluckt hatte, sonst wäre ihm dieser jetzt im Halse stecken geblieben. Er hatte ja geahnt, das Sondra Wieland eine reiche Frau sein würde, aber das war etwas mehr als reich. Er guckte zum Patriarchen hinüber und erschrak.

      Der Patriarch hatte seine Augen geöffnet und dicke blaue Adern quollen an der Stirn hervor. Die Gesichtsfarbe wechselte ständig zwischen puterrot und kalkweiß. Sein Mund, der ohnehin schon recht schmal war, war jetzt gar nicht mehr zu sehen.

      Gisela gab grunzende Laute von sich und Roland murmelte entgeistert in sich hinein.

      Wolfgangs Augen huschten wieder hin und her, aber er sagte keinen Ton.

      Paul hatte aufgehört zu schreiben, weil er seinen Stift in der Mitte zerbrochen hatte.

      Gregor sah Sondra an. „Alle Achtung, Cousine.“

      Andreas kannte diesen Unterton. Ein Mix aus verletzter Eitelkeit, vergangenen Chancen und Pläne schmieden, die bestimmt nichts Gutes verheißen würden.

      „Dieses Testament ist eine Unverschämtheit.“ Die Stimme des Patriarchen war leise, aber kalt. „Wie kann mein Sohn es wagen, mich mit diesen Peanuts abzuspeisen?“

      „Das weißt du genau, Großvater.“ Sondra wählte diese Anrede bewusst. „Er hatte dir eine Jugend ohne Liebe zu verdanken. Er hatte dir einen Aufenthalt in der Nervenheilanstalt zu verdanken. Und er hätte deinetwegen fast das Sorgerecht für mich verloren. Was erwartest du also?“

      Sondras Stimme war genauso leise und kalt wie die des Patriarchen gewesen. Ihre grünen Augen bohrten sich fest in die des Alten.

      „Ich werde meine Angelegenheiten weiterhin in den Händen von Herrn Dr. Kolbrink lassen. Falls du irgendwelche Fragen bezüglich des Testamentes oder meiner Finanzen haben solltest, dann wende dich an ihn. Dr. Kolbrink erhält aber von mir die Anweisung, dich von diesem Augenblick an über keine finanziellen oder persönlichen Obliegenheiten meiner Person zu informieren.“

      Langsam beugte sie sich vor. „Gib dich mit diesen ´Peanuts` zufrieden, mehr wirst du nicht bekommen.“

      Dr. Kolbrink räusperte sich und stand auf. „Hier sind Kopien des Testamentes für Ihre Unterlagen. Sie können gerne Einsicht in das Original zu Vergleichszwecken hier in dieser Kanzlei und in meiner Gegenwart haben. “Mit diesen Worten gab er dem Patriarchen, Roland und Wolfgang Wieland sowie Gisela Baier jeweils eine Kopie. Dann blieb er stehen und blickte höflich auf den Patriarchen runter. Langsam stand dieser auf.

      „Das war noch nicht das letzte Wort, Sondra!“, zischte er, ohne Sondra anzusehen.

      Hastig eilte die Familie dem Patriarchen hinterher. Gregor blieb an der Tür stehen.

      „Ich hoffe, du denkst über eine sinnvolle Verteilung deines Erbes nach“, sagte er.

      „Und ich hoffe, du denkst daran, nicht mehr alkoholisiert Auto zu fahren.“

      Wutschnaubend drehte Gregor Baier sich um und verließ den Raum.

      Andreas Laurenz bemerkte, das Sondra scharf die Luft einsog. Ihre Hände zitterten leicht und auf den Wangen bildeten sich plötzlich hektische rote Flecke. Unter diesen Flecken nahm er etwas anderes wahr, ein leichtes Schimmern.

      >Was ist das?<, fragte er sich, schüttelte dann aber den Kopf. Vermutlich nur eine Täuschung, hervorgerufen durch das diffuse Sonnenlicht, das durch die Fenster drang.

      Die Chefsekretärin, die die ganze Zeit unbemerkt im Hintergrund gearbeitet hatte, stand schnell auf, goss einen Cognac in ein Glas und überreichte ihn Sondra.

      Dankbar lächelte Sondra die ältere Dame an.

      „Herr Laurenz, ich hätte noch ein paar persönliche Dinge mit Frau Wieland zu besprechen. Wären Sie so freundlich und würden im Vorzimmer Platz nehmen?“

      Dr. Kolbrink war höflich, aber Andreas wusste, dass das keine Frage, sondern eine direkte und unmissverständliche Aufforderung war.

      „Selbstverständlich, Dr. Kolbrink.“

      Eine Stunde, zwei Bonbons und drei Zeitschriften später kam Sondra aus dem Büro des Anwalts. Andreas bemerkte, dass sie erschöpft und müde, aber auch zufrieden wirkte.

      „Vielen Dank für alles, Onkel Holger“, hörte er sie sagen.

      Dr. Kolbrink grinste leicht und umarmte Sondra Wieland.

      „Onkel Holger?“, fragte Andreas, als er und Sondra auf die Straße traten.

      Sondra kicherte und Andreas war über diese Reaktion erstaunt. Sie wirkte so mädchenhaft und das passte eigentlich gar nicht zu der taffen jungen Frau neben ihm. Er betrachtete sie, während sie mit geschlossenen Augen in der Spätsommersonne stand und die frische Luft tief einatmete. Das Licht reflektierte und brach in ihrem Haar und die eben noch blassen Lippen und Wangen bekamen Farbe.

      „Holger Kolbrink und mein Vater kannten sich sehr lange. Wenn er nicht gewesen wäre, wäre mein Vater in der Nervenheilanstalt vor über 30 Jahren gestorben und ich wäre nie geboren worden. Er war auch maßgeblich daran beteiligt, dass mein Vater das Sorgerecht für mich behielt. Außerdem waren seine Tochter Karin und ich beste Freundinnen und wenn mein Vater verreist war, kümmerten die Kolbrinks sich um mich und ich wohnte bei ihnen.“

      „Waren Freundinnen?“

      Sondras Gesicht zuckte kurz. „Sie starb vor drei Jahren. Leukämie.“ Sie sah Andreas in die Augen und einen Moment schwiegen sie in bewusstem Einverständnis.

      „Darf ich meinen Bodyguard noch zu einem Mittagessen beim Italiener oder so einladen oder müssen Sie wieder zum Dienst?“

      Das leichte Lächeln brach das Eis und Andreas grinste zurück. „Ich dachte schon, Sie würden mein Magenknurren überhören.“

      Der Italiener zwei Straßen weiter war gut, solide Küche und nettes Ambiente. Sondra trank Tee und Andreas Wasser ohne Kohlensäure.

      „Ich habe noch so viele Überstunden, und da im Moment relativ wenig passiert und zwei meiner Fälle vor Gericht sind, habe ich mir für heute frei genommen.“

      „Und Ihren freien Tag verbringen Sie ausgerechnet mit den Verwandten der Adams-Family?“

      Sie lachten beide. Andreas hörte, dass es ein offenes und ehrliches Lachen war, kein höfliches.

      „Sie lachen hoffentlich bald wieder öfter, das steht Ihnen.“

      Sondra lächelte, streckte sich ein wenig und lehnte sich zurück.

      „Ich danke Ihnen. Nicht nur für das Kompliment, sondern auch dafür, dass Sie heute da waren. Ich, äh…“ Sie brach ab und suchte nach Worten. Zum ersten Mal seit langer Zeit fiel ihr keine weitere Antwort ein.

      >Verlegenheit? Sondra, du schwächelst!<, dachte sie bei sich.

      „Was sagt denn Frau Laurenz dazu, wenn Sie Ihre Freizeit mit anderen Frauen verbringen?“

      „Na, die findet das ganz toll. Eine sehr tolerante und weltoffene Frau ist das.“

      Sondra starrte ihn an. Andreas sah sie völlig unbekümmert an. Dann zuckte es verdächtig um seinen Mundwinkel und er fing an zu lachen. Es machte ihm sichtlich Vergnügen, sein sonst so selbstsicheres Gegenüber reingelegt zu haben.

      „Tut mir leid, das war zu verlockend“, sagte er unter leisem Lachen. Sondra wurde von seinem Lachanfall angesteckt und musste auch Schmunzeln, versuchte sich aber noch zu beherrschen.

      „Darf ich die Pointe erfahren?“

      „Frau Laurenz ist meine Mutter.“

      Jetzt musste Sondra doch Lachen. „Okay, ich habe das verdient.“

      „Ich habe