Heike Möller

Weltenwanderer-Chroniken I


Скачать книгу

mal an einen Stammbaum gedacht, den Sie immer in Ihrer Brieftasche bei sich tragen?“

      Andreas Laurenz griff in die Innenseite seiner Jacke und zog die Brieftasche raus. Dabei sah er völlig ernst aus. Sondra musste Lachen.

      „Meine Familie ist anders als Ihre, eher wie die Waltons.“

      Sondra fühlte sich plötzlich warm und leicht. „Es ist schön, das es Familien gibt, die diesen Titel auch verdienen. Es freut mich für Sie.“

      Eine Weile sahen sie sich an. Andreas unterdrückte den Impuls, Sondras Hand zu nehmen.

      „Tja, ähm… brauchen Sie noch Begleitschutz bis nach Hause?“

      >Mann, Andi, wie blöd kannst du eigentlich sein? Du tropfst ja schon vor Gier!<

      „Ich glaube, es reicht, wenn Sie mich bis zu meinem Auto begleiten“, antwortete Sondra mit leichtem Lächeln.

      An dem alten Käfer aus den 1970er Jahren verabschiedeten sie sich.

      „Darf ich Sie irgendwann vielleicht mal anrufen?“ fragte Andreas, als Sondra gerade ihren Wagen aufschloss.

      >Wieder dieses Schimmern!< Es war kaum wahrnehmbar und nur kurz.

      „Das würde mich freuen.“

      Er grinste und drehte sich um.

      „Heißt, das, das Sie keine weiteren Ermittlungen anstellen werden?“, fragte Sondra.

      „Nein. Ich glaube nämlich nicht, das ich das Geheimnis um Thorben Wieland und seinen Tod durch normale Polizeiarbeit herausfinden kann.“

      Sondra sah ihn stirnrunzelnd an. „Wie meinen Sie das?“

      Andreas atmete tief und geräuschvoll ein. „Weiß ich noch nicht, aber wenn ich eine Vermutung habe, sind Sie die Erste, die es erfährt.“

      Sondra starrte Andreas Laurenz einen Moment lang an. >Verdammt. Er kommt dem Ganzen zu nah.<

      „Ich werde demnächst für ein oder zwei Monate verreisen. Ich bin dann nicht erreichbar. Wenn Sie in der Zeit eine Idee haben sollten, wenden Sie sich an Dr. Kolbrink.“ Sondra klang härter, als sie eigentlich wollte.

      Sie wollte gerade in ihr Auto steigen, als sich seine Hand auf ihre legte.

      „Wann verreisen Sie?“, fragte Andreas ruhig. Kein Unterton, kein Vorwurf, kein Verdacht.

      Nur eine einfache Frage.

      >Mann, ist der gut!<, dachte Sondra. „So um den 10. rum.“

      Sie stieg ins Auto und ihre Hände zitterten, als sie den Schlüssel ins Zündschloss steckte.

      Als sie losfuhr, sah sie Andreas stehen, mit Händen in den Jackentaschen und den Kopf leicht schräg.

      Kapitel 3: Eine Verzweiflungstat

      Gregor Baier war verzweifelt. Der Buchmacher ließ sich nicht mehr länger hinhalten und er musste die 300 Riesen so schnell als möglich auftreiben.

      Aber wie?

      >Läppische 150.000! Aber das war ja auch nicht anders zu erwarten bei diesem Sonderling<, dachte Gregor.

      Nervös zog er an seiner Zigarette. Geistesabwesend starrte er durch die Windschutzscheibe seines BMW Z4. Seit einer Stunde stand er vor der Auffahrt von Sondra Wielands Haus.

      >Ihr Haus!< Er lachte verzweifelt.

      Drei Tage waren vergangen und Gregor hatte alles versucht um Geld zu beschaffen.

      Er war bei seiner Mutter, die ihm jedoch ihr Leid klagte, dass sie ja arm wie eine Kirchenmaus war.

      Er war bei seinem Bruder Paul, der ihm einfach nur die Tür vor der Nase zuschlug.

      Er war sogar bei dem Patriarchen, bettelte förmlich auf Knien um das Geld.

      Der Patriarch hatte nur gelacht. Kalt und humorlos.

      Als Gregor ihn anflehte und ihm sagte, dass er sonst durch den Buchmacher eventuell zum Krüppel geschlagen oder einige Körperteile verlieren würde, ja sogar vielleicht getötet, da sagte der Patriarch: „Das ist dein Problem, nicht meines. Wende dich doch an deine Cousine. Vielleicht hat die ja Mitleid.“

      Gregor hasste die Vorstellung, vor Sondra zu Kreuze zu kriechen, aber ihm blieb einfach keine Wahl.

      Langsam fuhr er die offene Auffahrt hoch und parkte das Auto ein wenig abseits von der Haustür. Es war ein ungewöhnlich kalter und nasser Septemberabend. Gregor hasste dieses Wetter und wollte lieber auf Ibiza in der Sonne liegen.

      >Südafrika wäre auch mal toll<, dachte er.

      Gregor nahm noch rasch das Mundspray aus dem Handschuhfach und versuchte damit, seinen Alkoholgeruch zu überdecken.

      Er klingelte, wusste, dass sie da war.

      Das Licht im Flur ging an. „Wer ist da?“, hörte Gregor Sondras Stimme fragen.

      „Ich bin es, Gregor. Bitte Sondra, ich muss mal mit dir reden. Ich werde auch ganz artig sein!“

      >Artig? Was ist denn das jetzt, du Hornochse<, dachte er. Irgendwie sind ihm diese Worte einfach raus gepurzelt, bevor er nachdachte.

      Aber offensichtlich verfehlten sie ihre Wirkung nicht.

      Sondra öffnete die Tür. „Du kannst artig sein? Na dann, versuchen wir´s mal.“

      Sie führte ihn ins Wohnzimmer. Gregor war schon seit Jahren nicht mehr hier gewesen und war umso erstaunter, wie stilvoll es eingerichtet war.

      „Wow! Ich muss schon sagen, ihr beide habt es euch hier richtig schön gemacht.“

      „Danke. Aber du bist doch nicht hier, um mir Komplimente zu machen oder Smalltalk zu halten?“

      >Ich unterschätze sie jedes Mal<, dachte Gregor.

      „Nein.“ Gregor holte tief Luft, wagte es aber nicht, Sondra in die Augen zu sehen. Sein Blick blieb auf ihrem T-Shirt hängen.

      Besser gesagt, an ihrem Ausschnitt.

      >Ich wusste ja gar nicht, dass sie so ´ne tolle Figur hat<, dachte er.

      „Ich warte“, sagte Sondra.

      Gregor fühlte sich zwar ertappt, versuchte aber wieder seine ´Prince-Charming`-Masche.

      „Sondra, Liebes. Ich weiß, dass wir nie besonders nett zu deinem Vater und zu dir waren. Ich war auch ein totaler Idiot und habe viele Fehler gemacht. Aber ich habe mich geändert. Ich weiß jetzt, dass der Patriarch ein kaltherziger Mistkerl ist. Es tut mir wirklich leid. Alles, was ich dir jemals angetan habe.“

      Sondra sah Gregor an. Sie wusste genau, worauf er hinaus wollte, dachte aber, dass sie ihn aussprechen lassen sollte.

      Gregor wusste, dass er jetzt sein Anliegen vorbringen musste, oder sie würde ihn rausschmeißen.

      „Sondra, ich bitte dich, nein, ich flehe dich an! Ich schulde einem Buchmacher eine Menge Geld und ich habe schon in der ganzen Familie gebettelt. Selbst dem Patriarchen bin ich schon zu Kreuze gekrochen, aber der hat mich kalt abserviert. Bitte, Sondra!“

      Soviel Ehrlichkeit hatte sie so schnell nicht von ihrem Cousin erwartet. „Wie viel?“, fragte sie ruhig.

      „Etwa 300.000 Euro.“

      Leise pfiff Sondra durch die Zähne. Gregor war erstaunt, dass sie das konnte.

      „Was bietest du mir als Gegenleistung?“

      Auf diese Frage war er nicht vorbereitet.

      „Ich kann die meinen Z4 als Sicherheit geben oder ich kann dir das Geld wiedergeben, wenn der Patriarch tot ist und ich meinen Anteil bekommen habe.“

      Sondras grüne Augen funkelten leicht.

      „Nein.