Jo Caminos

Tempus Z


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antwortete nicht. Stattdessen ließ er sich die Fotos geben und legte sie in einer anderen chronologischen Folge vor sich auf dem Tisch ab.

      „Fällt euch etwas auf?“, fragte er.

      Joshua stutzte.

      „Sie sind wieder aufgestanden, obwohl sie von Kugeln durchlöchert waren ...“, stellte Jack mit trockener Stimme fest.

      „Genau, und schaut jetzt auf die letzten Fotos“, forderte Bartley sie auf. „Erst als man den beiden Spezialisten Kopfschüsse verpasst hatte, gaben sie Ruhe und blieben liegen.“

      „Kein Mensch kann wieder aufstehen, wenn er dermaßen von Kugeln durchsiebt ist“, stellte Joshua ratlos fest. „Gut, im Hollywoodkino findet man so einen Blödsinn ... Wer hat die Fotos gemacht? Sind Sie sicher, dass das kein Fake ist?“

      Bartley schüttelte den Kopf. „Kein Fake. Sicher nicht. Es sind Einzelbildaufnahmen von Überwachungskameras, etwas digital bearbeitet, da die Qualität nicht so gut war. Und sie wurden auf Whitehawk Air Force Base gemacht. Sicher.“

      „Ist die Quelle verlässlich?“, fragte Jack. „Und warum nicht gleich der ganze Film, warum nur Einzelbilder?“

      „Weil die Zeit knapp war, weil die USB-Ports gesperrt waren und nur, während die Videoaufnahmen abgespielt wurden, direkt vom Überwachungsbildschirm abfotografiert werden konnte. Deshalb die miese Qualität. Und ja, die Quelle ist verlässlich.“

      Joshua fragte erst gar nicht nach der Quelle. Er kannte den Ehrenkodex nur zu genau: Niemals eine Quelle namentlich nennen!

      „Also haben sich die beiden nicht gegenseitig attackiert, sondern die anderen Soldaten angegriffen und wurden dabei getötet. Der Artikel im Inquirer und die Pressemitteilung der Militärs sind gefälscht.“ Joshua sah Bartley fragend an. „Da ist noch mehr, nicht wahr?“

      „Ja, offensichtlich wurden vor diesem Zwischenfall zwei Soldaten von den Spezialisten gebissen. Man hat sie weggebracht. Einen nach Phoenix, den anderen nach San Francisco. Danach verliert sich die Spur.“

      Joshua und Jack warfen sich einen schnellen Blick zu. Sie mussten an die Fotos denken, die von unzähligen Kugeln durchlöcherten Männer ...

      „Mary-Ann sagte mir am Telefon nur das Allernotwendigste. Sie traut der Leitung nicht. Der Große Bruder ist in den Staaten viel zu mächtig geworden. Aber ich gehe davon aus, dass ihr direkt vor Ort auf Whitehawk Air Force Base noch recherchieren sollt, auch wenn es wahrscheinlich nicht viel bringen wird, oder?“

      „Ja. Wir sollen uns umsehen. Gegebenenfalls Fotos machen, von was auch immer. Augen und Ohren offenhalten“, antwortete Joshua.

      Bartley nickte. „Meine Quelle wird euch kontaktieren, wenn ihr dort angekommen seid. Und da ist noch mehr ...“

      „Warum erzählen Sie es uns nicht jetzt?“, fragte Joshua. Er sah zu Bartley, der aber irgendwie abwesend wirkte, sein Blick schien in die Ferne zu gehen.

      „Weil ihr es doch nicht glauben würdet, weil es zu unglaublich ist“, antwortete Bartley nach einem Moment. Er lächelte müde.

      „Wir sind ganz Ohr“, meldete sich Jack zu Wort und sah schnell zu Joshua, der ihm zustimmend zunickte.

      Bartley schwieg erneut. Er wirkte sehr nachdenklich. Es war kühler geworden, von Westen her näherte sich eine Regenfront.

      „Ich wurde in St. Louis geboren und habe kreolische Vorfahren. Habt ihr euch mit der Mystik und Magie der Karibik schon einmal auseinandergesetzt? Mit Voodoo, mit Geistern und Dämonen ...“ Bartley sah kurz unter sich. Die Skepsis in den Blicken seiner Gegenüber war ihm nicht entgangen.

      „Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, kehren die Toten zurück, heißt es. Und diese Toten nennt man Zombies ...“, sagte er leise.

      Joshua und Jack erwiderten nichts. Sie schenkten sich einen langen, nachdenklichen, aber auch skeptischen Blick.

      „Gehen wir noch ein wenig spazieren“, sagte Bartley, der seine Fettmassen plötzlich von der Bank wuchtete. „Vielleicht wird es bald nicht mehr möglich sein, so unbeschwert und sorglos spazieren zu gehen. Wann ist euer Termin auf Whitehawk Air Force Base?“

      „Morgen Mittag um 15:00 Uhr“, antwortete Joshua. Sie wollten einen Mietwagen nehmen. Über die Interstate 70 würden sie in gut drei Stunden auf der Air Force Base ankommen.

      „Gut. Darf ich euch für heute Abend zum Essen einladen? Ich kenne hier ein vorzügliches Lokal mit kreolischer Küche.“ Bartley lachte. „Ich glaube, das ist bei mir nicht zu übersehen ...“

      Joshua und Jack nahmen die Einladung dankend an, obwohl beiden im Moment der Appetit vergangen war. Bartley war kein Spinner, das konnten sie beide spüren. Aber Zombies ... Sie mussten wieder an die von unzähligen Schüssen durchlöcherten Spezialisten denken. Nein, derart zugerichtete Menschen blieben am Boden liegen, die standen nicht wieder auf.

      Die schweren Wolken von Westen hatten schneller als erwartet die Parkanlage erreicht, und ein heftiger Regen setzte ein. So viel zum Thema Spaziergang, dachte Joshua, als sie in Bartleys alten Mercedes einstiegen und Richtung Downtown fuhren.

       9. Kapitel

       Joshua - Whitehawk Air Force Base

      Sie waren seit anderthalb Stunden unterwegs. Joshua hatte kurz, bevor sie Kansas verließen, noch mit Mary-Ann telefoniert, um den Stand der Dinge durchzugeben, er wollte sich gegen Abend wieder bei ihr melden, wenn sie mit dem Termin auf der Air Base durch wären. Die meiste Zeit während der Fahrt hatten sie geschwiegen. Jeder war für sich bei seinen Gedanken. Es war ein netter Abend gewesen mit einem unglaublich intelligenten und warmherzigen Mann. Bobby Bartleys Charisma hatte sie regelrecht mitgerissen. Der Mann war ein Fuchs, mit allen Wassern der Journalistik gewaschen. Ein Streiter für die Unterdrückten, ein Mann mit Gewissen.

      Die Fahrt verlief eintönig. Das schlechte Wetter von gestern hatte sich gehalten, und die Scheibenwischer kämpften schwer gegen den prasselnden Regen an.

      „Ich komme mit dem Begriff Zombie nicht klar“, sagte Jack irgendwann. Der kleine Mann, dessen Haar sich schon stark gelichtet hatte, sah Joshua, der am Steuer saß, ratlos an.

      „Gut, es macht keinen Sinn, dass die Erschossenen wieder aufgestanden sind, aber ... mir fehlt einfach das Rationale. Waren sie vielleicht gedopt - irgendeine Droge, die Soldaten extrem handlungsfähig machen soll, selbst dann, wenn andere schon am Boden liegen? Ein synthetischer Adrenalin-Supercocktail, was weiß ich. Aber Zombies ...“

      „Frag mich nicht. Ich habe keine Antwort“, entgegnete Joshua leise.

      „Und dann Bartley ... Dass er auf dem Index steht und überwacht wird, ist eine Sache. Aber warum wollte er uns partout nicht sagen, was die Quelle noch an Informationen hat? Mir klingt das alles viel zu paranoid.“

      „Bartley wird seine Gründe haben. Er hat uns doch ausdrücklich beschrieben, dass er als Bürgerrechtler unter Beobachtung steht. Es geht ihm nicht um sich selbst, deshalb hat er das zusätzliche Material auch nicht an sich genommen. Er will nicht sich schützen, sondern seinen Informanten. Bartley ist kaltgestellt - die haben ihm einfach seine Zeitung weggenommen, darauf läuft es hinaus. Manchmal glaubt man kaum, im 21. Jahrhundert zu leben. Aber warten wir einfach mal ab, was der Informant zu bieten hat. Und was die Zombies angeht ... Die durchgedrehten Männer müssen ja keine lebenden Leichen gewesen sein. Wie du eben schon sagtest: Vielleicht ist irgendein Test schiefgegangen, und jetzt versuchen die Militärs, das unter Verschluss zu halten. Ganz nach dem Motto: Deckel drauf und vergessen ...

      Jack nickte zustimmend. „Ganz meine Rede. Trotzdem, ich hab da ein verdammt mieses Gefühl ...

      Joshua lachte auf. „Das ist geklaut ...“

      „Na und, die ganze Welt klaut doch“, entgegnete Jack salopp. Er wollte sich