Jo Caminos

Tempus Z


Скачать книгу

und streckte die Beine von sich. Roland verstaute das Gewehr in einem Einbauschränkchen des Campers und nickte Joshua zu, der sich ächzend seiner Stiefel entledigte und damit begann, seine Knöchel zu massieren. „Tut das gut ...“, stöhnte er.

      „Hier“, sagte Charlotte kurze Zeit später. Sie hatte als erste geduscht und danach zusammen mit Peter einige Sandwiches zubereitet. Sie stellte ein Glas vor Joshua ab und goss es halb voll mit Jim Beam auf, den er in einem Zug herunterkippte. Er seufzte zufrieden. Roland war mittlerweile in der Dusche verschwunden. Sie alle hatten es bitter nötig, sich von dem Dreck des Kampfes mit den Untoten zu befreien. Sie stanken, nach Blut, nach Eingeweiden, nach Tod ...

      Peter, der seitlich auf dem Fahrersitz Platz genommen hatte, sah zu Joshua, der sich in der Sitzbank zurückgelehnt hatte und die Augen geschlossen hielt.

      „Ich bin neugierig. Wo kommst du her? Was weißt du über den ganzen Mist hier?“

      Joshua öffnete die Augen und warf zuerst Charlotte einen schnellen Blick zu. Er grinste. „Kann ich noch einen haben?“, fragte er und zeigte auf die Whiskyflasche.

      Charlotte goss schweigend nach.

      Joshua nahm einen kleinen Schluck, ließ sich den Geschmack des Whiskys auf der Zunge zergehen und biss dann in den Rest seines Schinkensandwiches. Er kaute genüsslich und sagte schließlich in Richtung Peter: „Das ist eine längere Geschichte. Lasst mich zuerst noch duschen gehen, danach erzähle ich euch, was mir passiert ist ...“

       7. Kapitel

       Joshuas Story - altes Eis ...

      Am Vorabend vor Day Z - Boston, Massachusetts

      Er sah, dass Mary-Ann gerade das Redaktionsbüro betreten hatte und zielstrebig auf seine Ecke zuhielt. Mein Herzchen früh morgens um neun! Troublemarker on the way ..., stöhnte er im Stillen. Es war zu spät, seinen Schreibtisch zu verlassen. Also tat er zumindest so, als sei er in einen Artikel vertieft, obwohl er wusste, dass sich seine Chefin nicht darum scheren würde, ob irgendeiner ihrer Angestellten mit irgendetwas beschäftigt war. Sie hatte oberste Priorität, immer und jederzeit.

      „Josh - hast du dir die Geschichte über den Vorfall in der Antarktisstation mittlerweile angesehen?“, kam sie ohne ein Guten Morgen, wie geht es! direkt zur Sache. Auch das war typisch Mary-Ann Parker. Und es war zugleich eine ihrer größten Stärken: fokussiert sein, der Geschichte auf den Grund gehen, nichts Redundantes zulassen ...

      Joshua Cunningham schwang mit seinem Stuhl herum und lächelte sie an. „Auch dir einen schönen Morgen, Mary-Ann. Und ja, ich habe mir die Notiz angesehen. Und nein, das dürfte keine große Story sein.“

      Gemeint war eine schon etwas ältere Reuters-Meldung von vor ein paar Wochen, dass es in einer Forschungsstation in der Antarktis zu einem Zwischenfall gekommen war, in deren Verlauf die gesamte wissenschaftliche Besatzung ums Leben gekommen war. Das entsandte Rettungsteam hatte nur noch die Leichen bergen können. Es wurde vermutet, dass es bedingt durch Einsamkeit und Isolation zu einer Art Lagerkoller gekommen war.

      Mary-Ann sah Joshua in die Augen. Dann erschien auf ihren Lippen dieses unscheinbare und doch so gefährliche Lächeln, mit dem er schon mehr als einmal Bekanntschaft gemacht hatte.

      „Da ist mehr dran, Schatz. Vertraue mir, ich hab das im Gefühl.“

      Joshua erwiderte nichts. Es war nicht gut, sich mit Mary-Anns Gefühlen anzulegen, besonders dann nicht, wenn es um eine Story ging. Die Frau hatte ein untrügliches Gespür, wenn an einer Geschichte mehr dran war, als es den Anschein hatte.

      „Was hältst du von der Randnotiz, dass bei einigen der toten Wissenschaftler Bissspuren vorhanden waren? Menschliche Bissspuren ...“, fuhr Mary-Ann fort.

      „Was soll ich davon halten“, entgegnete er skeptisch. „Die Leute sind durchgedreht. Die Isolation, Schneestürme, unmenschliche Kälte. Irgendetwas hat irgendeinen zum Durchdrehen gebracht, und dann sind sie sich gegenseitig an den Hals gegangen. Kratzen, Beißen ... was weiß ich, wozu Menschen fähig sind, wenn sie durchdrehen. Ich weiß nicht genau, worauf du hinauswillst, Mary-Ann? Bei den Forschungsarbeiten handelte es sich um Tiefenbohrungen, wie sie seit Jahren durchgeführt werden. Nichts Außergewöhnliches. Es wurde kein Gold gefunden, kein neues Element entdeckt. Lediglich Eis aus der Zeit, als die heutige Antarktis subtropisch war - also vor Äonen oder so.“

      „Oder so. Genau. Und was ist mit den beiden Typen von der Rettungseinheit, die nach der Rückkehr erkrankt sind. Hast du diesen Zwischenfall übersehen?“

      Joshua stutzte. Davon wusste er nichts. Ihm wurde heiß. Wenn Mary-Ann eines hasste, dann das, wenn nicht weit genug oder tief genug recherchiert wurde, wenn nicht allen Querverbindungen nachgegangen worden war, egal, wie unwahrscheinlich sie auch waren.

      „Okay“, fuhr sie etwa leiser fort. Sie warf ihm einen Folder mit Notizen auf den Schreibtisch. „Schau dir das an. Es sind Memos über einen Zwischenfall im Westen von Missouri, auf einer Air Base ... White ... Whitehawk Air Force Base, ja genau ... Um es kurz zu machen und dir die Arbeit etwas zu erleichtern, was natürlich nicht meine Aufgabe ist ... - zwei Spezialisten sind auf dem Stützpunkt durchgedreht. Sie wurden erschossen. Und jetzt rate mal, was sie vorher gemacht haben bzw. wo sie vorher waren? Bingo! Sie gehörten zu dem Rettungsteam, das in der Antarktis unterwegs war.“ Mary-Ann machte eine kurze Pause. „Bis heute Abend will ich etwas Brauchbares haben, Josh. Meine Nase juckt, und sie juckt nur, wenn an einer Geschichte mehr dran ist.“

      Sie nickte ihm zu, machte dann auf dem Absatz kehrt und verließ das Büro. Joshua war augenblicklich auf der Hut. Wenn Mary-Anns Stimme diesen leisen, aber sehr bestimmten Tonfall annahm, war Vorsicht angesagt. Im Stillen ärgerte er sich, dass er die Geschichte nicht ernst genommen hatte. Vielleicht saß er deshalb noch hier in seiner Ecke im Großbüro und wurde nicht erst seit gestern bei Beförderungen regelmäßig übergangen, obwohl er sich im Grunde genommen sehr gut mit Mary-Ann verstand, aber sie war eben nur eine aus der Chefetage, da gab es andere - und denen war er zu lax. Ihm fehlte einfach der Biss ...

      Also gut, sagte er sich. Gehen wir die Sache noch einmal von vorne an. Er breitete die Folien, Fotos und Notizen vor sich auf dem Schreibtisch aus. Querverbindungen, Namen, Adressen ... Er wusste, es würde heute spät werden. Sehr spät wahrscheinlich. Julie - seiner Lebenspartnerin - würde das nicht passen. Aber, wann passte ihr überhaupt etwas, in letzter Zeit, eigentlich immer ...? Er drängte die Gedanken an Julie zurück. Es gab einen Job zu tun ...

      Es war kurz vor zwanzig Uhr. Joshua stand am Fenster von Mary-Anns Büro und ließ den Blick über die Silhouette von Boston schweifen. Ihm knurrte der Magen, sein Mund fühlte sich pelzig an. Mary-Ann war noch immer in einer Konferenz mit den Abteilungsleitern, aber er widerstand der Versuchung, das recherchierte Material einfach auf ihrem Schreibtisch zu platzieren und nach Hause zu gehen. Viel hatte er nicht herausgefunden. Die Telefonate mit der Pressestelle der Air Base waren wenig ergiebig gewesen, gleiches galt für den Versuch, bei Ice Core Scientific mehr über die Tiefenbohrungen herauszufinden.

      Mary-Ann kam ins Büro. Sie sah müde aus, abgekämpft. Schweigend nahm sie hinter ihrem Schreibtisch Platz und forderte Joshua dann auf, sich ebenfalls zu setzen.

      „Der Tag war die Hölle. Die Alten scheinen den Aufstand zu proben, und in einigen Krankenhäusern scheinen Patienten auf Randale aus zu sein“, sagte sie mehr zu sich selbst. Sie winkte ab. „Also ...“

      Joshua hatte den Folder mit dem recherchierten Material geöffnet. Die Unterlagen dienten ihm lediglich als Gedächtnisstütze. Mary-Ann konnte es nicht leiden, wenn ihre Redakteure zu viel ablasen. Sie bevorzugte die freie Rede und vor allem den offenen Blick.

      „Leider weniger, als ich es mir wünschte“, sagte Joshua. „Die Pressestelle auf Whitehawk Air Force Base hält sich bedeckt. Interna werden nicht nach außen gegeben. Datenschutz, persönliche Rechte, der ganze Kladderadatsch ... Man hat mich auf das offizielle Dossier verwiesen. Die beiden Spezialisten waren für die Rettungsmission