Axel Birkmann

Blutiges Freibier


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mit Bedacht versuchten, die aufgebrachte Frau zu beruhigen. Neugierig wollten sie wissen, was hier vorging. Auch wenn der eine oder andere nicht alles mitbekommen hatte, was die Frau in ihrem Schrecken laut ins Zelt gebrüllt hatte, ein paar der Worte waren hängen geblieben. Vor allem die Worte: „Tot, Toter und erschlagen“. Dass es sich dabei anscheinend auch noch um den Festzeltwirt höchstpersönlich handeln sollte, so weit war deren Vorstellungskraft doch nicht fort geschritten.

      Alois hatte sich nun neben Melanie gestellt. Seine Müdigkeit war wie weggeflogen. Sein Kopf brummte zwar etwas, aber er hatte jedes Wort mitbekommen.

      »Was haben Sie gefunden, Frau Kasbauer, zeigen Sie es uns. Bitte!« Er sprach leise und sanft zu ihr. Einerseits um ihr Vertrauen zu gewinnen und sie zu besänftigen, andererseits, damit die um sie herumstehenden Neugierigen nicht mitbekamen, um was es eigentlich ging.

      »Sie sind auch von der Polizei?«, stotterte die Kasbauer.

      »Ja, das bin ich. Kriminalpolizei Freising.«

      »Auch noch an Kriminaler. Dann kommen Sie. Ich zeig es Ihnen.« Sie schritt voran hinter die Theke und lief durch den Küchentrakt raus Richtung Kühl- und Abfallcontainer.

      Vor dem Zelt standen mehrere weiße Container mit den Türen Richtung Zelt zeigend. Alle waren mit einem Vorhängeschloss gesichert, bis auf einen. Seine Tür stand einen Spalt offen und es brannte drinnen Licht, denn ein dünner Lichtschein fiel zwischen den beiden schweren Türen durch den Spalt auf den Festplatz.

      Frau Kasbauer blieb vor dem Kühllager stehen und deutete nur auf die Tür.

      »Da drinnen. Da liegt er. Der Helmut. Man hat ihm den Schädel eingeschlagen. Schrecklich. Melanie wollte sich gerade durch den Spalt zwängen, da hielt sie Alois sanft zurück.

      »Warte Melanie, nicht so schnell. Falls Frau Kasbauer Recht hat, dann liegt da drinnen wirklich ein Toter. Und höchstwahrscheinlich sogar noch Opfer eines Kapitalverbrechens. Wir müssen vorsichtig sein.«

      »Wir haben doch den Rainer und den Schurig dabei.« Sie drehte sich um und blickte die beiden Männer von der Spurensicherung an.

      »Wir sind in Feierbandstimmung hier, haben einiges getrunken und unsere Ausrüstung nicht dabei«, empörte sich Rainer Zeidler.

      Alois Kreithmeier sah die beiden an, dann bemerkte er erst, dass ihnen ein paar Mitarbeiter des Festzeltbetriebes gefolgt waren. Sie standen zwar in ausreichend Abstand aber neugierig vor dem Zelt und beobachteten ganz genau, was da vor sich ging.

      »Hat jemand von Ihnen Einmalhandschuhe dabei?«, fragte Kreithmeier in die Gruppe.

      »Ja, habe ich«, meldete sich ein Farbiger.

      »Dann holen Sie die bitte.«

      »Sofort!« Und schon rannte der Mann davon und kam nach wenigen Sekunden mit einem kleinen Karton mit Plastikwegwerfhandschuhen zurück.

      »Da! Schenke ich Ihnen«, sagte er stolz.

      »Danke!«

      »Was ist denn passiert?«, wollte er wissen.

      »Das wissen wir nicht. Wie heißen Sie?«, fragte Alois.

      »Shamal, Abdul Shamal!«, antwortete der Afrikaner und schaute den Kommissar selbstbewusst an.

      »Und was machen Sie hier so?«, wollte Kreithmeier wissen.

      »I bin die Hendlstation. I grill die Hendl«, sagte er in breitem Bayrisch.

      Alois schüttelte den Kopf. Ein Afrikaner, der Bayrisch sprach. Ja wo samma denn, dachte er nur.

      »Und die anderen, was machen die so?« Alois sah vor sich eine bunte Truppe von Migranten aus Asien, Afrika und Südamerika.

      »Putzen, Abräumen und Geschirr spülen.«

      Der Afrikaner zeigte mit beiden Armen selbstbewusst auf seine Kollegen.

      »Gut, dann bleiben Sie bitte dort, wo Sie gerade stehen und lassen Sie niemanden in die Küche. Und jemand soll die Leute im Zelt beruhigen. Es wird sowieso nicht lange dauern, da haben sich die ersten Gerüchte verselbstständigt. So und jetzt lassen Sie uns bitte unsere Arbeit machen.«

      »Freili, Herr Kommissar. Des moch ma.«

      Alois ließ die Truppe stehen und reichte den Karton mit den Handschuhen weiter. Nachdem jeder der Beamten die weichen Überzieher angezogen hatte, öffnete der Kommissar vorsichtig die Containertür. Mit einem leichten Quietschen machte sie den Blick frei ins Innere. Der Kühlraum war etwa sechs Meter lang, zwei Meter fünfzig breit und genauso hoch. Im Innenraum waren mehrere silberne Bierfässer gestapelt. Im hinteren Teil bis an die Decke hoch. Zum Eingang hin wie eine Pyramide abnehmend.

      Vor den Fässern lag ein Mensch. Er rührte sich nicht mehr. Sein Oberkörper war in ein blauweiß kariertes Hemd gekleidet. Seine Beine steckten in einer Lederhose. Und eine Jacke hatte der Mann an. Einen grauen Wolljanker. Er lag mit dem Gesicht am Boden. Seine grauen Haare waren am Hinterkopf mit Blut verschmiert. So weit Kreithmeier auf den ersten Blick erkennen konnte, hatte man dem Mann den Schädel ein geschlagen. Die Tatwaffe, ein dicker hölzerner Hammer lag direkt daneben. Ein Hammer mit dem man in Bierfässer den Zapfhahn einschlägt. Hier hatte jemand das Werkzeug voraussichtlich dazu benutzt, dem Festwirt den Schädel einzuschlagen. Am Holz klebten Blut und Haare.

      Kreithmeier bückte sich über den Toten und fühlte am Hals nach dem Puls. Nichts. Der Mann war wirklich tot.

      »Melanie, ruf bitte in der Haydstraße an. Wir brauchen Verstärkung. Und jemand soll die Ausrüstung für die Spurensicherung mitbringen. Der Mann ist tot. Das ist einmal klar. Und erschlagen ist er auch. Die Tatwaffe liegt ja noch daneben. Wahrscheinlich von hinten. Und rufe bitte auch Frau Dr. Nagel an. Wir brauchen Sie. Einen Notarzt benötigen wir definitiv nicht mehr. Aber einen Leichenwagen. Der Tote muss in die Pathologie ins Krankenhaus. Mehr kann ich im Moment nicht sagen. It’s Your turn, Rainer.«

      Alois ließ den beiden von der Spusi den Vortritt und schlich aus dem Container.

      »Sie kennen den Toten?«, wandte er sich an Frau Kasbauer.

      »Ja!«, zitterte sie. »Das ist der Helmut. Der Helmut Wirth. Unser Wirt.«

      Alois schaute sie etwas verwirrt an. »Der Wirt? Der Festzeltwirt?«

      »Ja«, sagte sie, »unser Helmut. Unser Wirt.«

      »Hat er denn auch einen Nachnamen?«

      »Ja, natürlich. Wirth«, antwortete die Kasbauer schluchzend

      »Ich weiß ja jetzt, dass es ihr Wirt ist. Ich möchte aber seinen Nachnamen haben«, betonte Kreithmeier.

      »Den sagte ich Ihnen doch schon: Wirth.«

      Alois schüttelte den Kopf, er kam bei der Frau nicht weiter.

      »Ich brauche seinen vollständigen Namen. Bitte.«

      »Wirth. Helmut Wirth. So heißt er. Und er ist auch unser Wirt.«

      Jetzt funkte es allmählich bei Alois.

      »Er heißt Wirt mit Nachnamen? Das ist aber ein Zufall.«

      »Wirth mit th. Ja. Er hat einen Landgasthof. Der heißt: zu Gast beim Wirth. Helmut liebte diese Wortspielchen, die man mit seinem Namen machen konnte.«

      Alois fingerte ein kleines Notizbuch aus seinem Janker. Er sah das schwarze Ding nachdenklich an. Wieso hatte er eigentlich immer so ein Notizbuch dabei, fragte er sich. War das schon eine Manie, immer bereit zu sein, für den Fall der Fälle? Immer bereit Notizen machen zu können. Er kam sich fast vor wie Colombo, der zückte auch immer sofort Bleistift und Blöckchen.

      »Also Helmut Wirth mit th heißt unser Festzeltwirt.« Alois schrieb alles auf.

      »Und Sie Frau Kasbauer, Resi, das steht doch für Theresa, oder?«

      »Ja, aber alle nennen mich Resi.«

      »Na gut, dann Resi. Was machen Sie denn hier so?«, fragte er.

      »Ich