Axel Birkmann

Blutiges Freibier


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Gruppe, die immer noch im Küchenbereich unschlüssig herum stand und die Beamten bei ihrer Arbeit beobachteten. Der Grund dafür waren mehrere Uniformierte, die hinter Polizeihauptwachtmeister Dallinger mit stechendem Schritt durchs Bierzelt schritten.

      Bevor Resi Kasbauer antworten konnte, hatte sich Kreithmeier kurz von ihr abgewandt und schritt den Kollegen entgegen.

      »Dallinger, und auch noch in Uniform. Das ging aber schnell. Du bist doch gar nicht im Dienst.«

      »Das lasse ich mir doch nicht entgehen, einen Toten im Bierzelt. Das haben wir noch nie gehabt.«

      Zwei seiner Kollegen preschten hervor und stellten mehrere Leichtmetallkoffer vor den Kühlcontainer, Rainer Zeidler und Kollege Schurig direkt vor die Füße.

      »Hier ist eure Alchimistenausrüstung«, blökte Dallinger. »Und was sollen wir derweil tun?«

      »Ihr riegelt vorerst das Zelt ab«, klärte ihn Kreithmeier auf. »Lasst niemanden hinein und niemanden heraus. Und vor allem die Presse. Obwohl es mitten in der Nacht ist, werden die Geier bald einfliegen. Solange wir nichts Genaues wissen, kein Wort zu den Medien. Und diesmal Dallinger, pass auf deine Männer auf. Sie verplappern sich gerne. Kein Wort. Und dann soll jemand mal die Personalien dieser reizenden Gesellschaft an Personen mit Migrationshintergrund aufnehmen.«

      Alois Kreithmeier deutete auf die Gruppe internationaler Mitarbeiter, die sich immer noch neugierig an der Zeltwand herum drucksten.

      »Und fragt sie, ob sie was gesehen haben. Die meisten sprechen Deutsch. Ansonsten holt euch einen Dolmetscher.«

      »Für Vietnamesisch, Kisuaheli und Arabisch?«, fragte Dallinger den Kommissar sichtlich erstaunt.

      »Wenn es denn sein muss. Ja! Und überprüft die Arbeitspapiere, Gesundheitszeugnis und so weiter.«

      »Geht klar, Herr Kommissar«, salutierte Dallinger mit der Hand an der Hosennaht. »Wer ist eigentlich der Tote, sag?«

      »Höchstwahrscheinlich der Wirt.«

      »Der Wirth? Der Helmut?«

      »Kennst du ihn denn?« Kreithmeier zog die Augenbrauen hoch.

      »Ja, natürlich, der hat doch in der Hallertau so einen netten Landgasthof. Da waren wir schon des Öfteren am Sonntag zum Schweinsbraten. Zum Gast beim Wirth heißt er. Gute bayrische Küche. Davon gibt es nicht mehr so viel. Vernünftige Preise und einen wunderbaren Biergarten mit Kinderspielplatz.«

      »Und wer bringt so einen rechtschaffenen Mann um?«, fragte Kreithmeier mechanisch.

      »Der Helmut hatte auch Neider. Immer, wenn du ein gutes Geld machst, hast du auch Neider.«

      »Da haben wir beide ja richtig Glück.«

      »Wie kommst denn darauf?«, fragte Dallinger.

      »Wegen dem guten Geld. Das haben wir ja wohl nicht.«

      »Da hast auch wieder Recht«, lachte Dallinger kurz auf. »Also machen wir uns an die Arbeit.« Er drehte sich um, steckte Daumen und Zeigefinger in den Mund und pfiff kräftig. Alle seine Mannen standen sofort um ihn herum und hörten andächtig seinen Worten zu. Dallinger teilte ein und gab Anweisungen.

      Alois sah ihm kopfschüttelnd zu, dann wandte er sich wieder Frau Kasbauer zu.

      »Entschuldigung. Können wir uns irgendwo hinsetzen, wo wir beide nicht gestört werden«, fragte er sie höflich.

      »Gehen wir in eine der Boxen. Da sind wir unter uns.«

      »Gut, dann gehen Sie mal voraus, ich folge Ihnen«, und zu Melanie gewandt sagte er, »der Dallinger kümmert sich um die Leute hier im Zelt und um die Pressegeier. Bleibst du bitte hier und wartest auf Frau Dr. Nagel. Sie müsste auch bald erscheinen. Und dann befrage mal diesen Schwarzen. Der steht dort in der Gruppe. Der Große da.«

      Kreithmeier zeigte mit dem Arm auf den Hendlbrater. Der Anvisierte bemerkte es und winkte der Kommissarin zu. Dabei öffnete er seinen Mund zu einem Lachen. Eine breite Reihe weißer Zähne blitzten im Lampenlicht. Weiß wie aus einer Zahnpasta Werbung. Nur dass es keine Werbung mit einem Schwarzen gibt.

      »Und warum?«, wollte Melanie wissen.

      »Weil ich glaube, dass der mehr weiß, als es zunächst den Anschein hat. Er spricht bestes Bayrisch.«

      »Dann brauche ich wohl einen Dolmetscher«, lachte sie.

      »Du wirst es verstehen. Ich bin sicher, der kann auch Hochdeutsch. Und ist der Tote tatsächlich der Festzeltwirt?«

      »Ja, er ist es. Zu allem Überfluss heißt er auch noch mit Nachnamen Wirth. Wirt mit th. Was für ein Zufall.«

      »Ich weiß. Die Kasbauer hat es mir erzählt«, sagte er. »Ich habe etwas länger gebraucht, es zu verstehen. Ob Zufall oder nicht. Sein Schädel ist auf jeden Fall nicht aus reinem Zufall gespalten worden. Das hat jemand mit Absicht gemacht.«

      »Und unsere Aufgabe wird sein, das herauszufinden. Auf jeden Fall hat der Täter die Mordwaffe am Tatort zurück gelassen.«

      »Du sprichst von einem Täter? Wie kommst du darauf? Könnte es nicht auch eine Täterin gewesen sein?«

      »Ich glaube eher nicht«, sagte Melanie. »Der Hammer wiegt 1,5 Kilogramm und der Täter muss mindestens gleich groß gewesen sein. Rainer meint, der Wirth ist im Stehen erschlagen worden. Das zeigt ihm die Aufschlagstelle der Mordwaffe. Näheres werden wir erst wissen, wenn die Gerichtsmedizinerin ihre Arbeit getan hat. Ich denke, es war ein Mann. Und er muss ziemlich sauer auf den Toten gewesen sein, dass er mit aller Kraft so auf ihn eingeschlagen hat.«

      »Wo hat er denn die Tatwaffe her?«, wollte Alois von ihr wissen.

      »Im Biercontainer lag sie wohl nicht herum. Der Täter hat sie von der Schenke mitgenommen. Da liegen mehrere zum Anzapfen der Fässer. Das ist wohl noch Tradition in Bayern. Jedes Fass wird einzeln angezapft. Große Biertanks sind wohl uncool.«

      »Doch, doch, diese Stahltanks gibt es. Auch auf der Wiesn. Auf der Wiesn schenken sie nur noch das Augustiner Bier aus Holzfässern aus. Und nicht aus den Edelstahlbomben wie hier. Ein hölzernes Oktoberfest-Anstichfass wiegt in etwa so viel wie ein ausgewachsener Hirsch. Deswegen nennt man es sich auch einen Hirschen. Jedes Fass wiegt über 300 Kilogramm und fasst 200 Liter Bier. Aber leider ist auch hier die Bierschenke mit einem Biersilo auf Rädern verbunden.«

      »Und diese Edelstahlfässer. Für was sind dann die hier?«, fragte Melanie.

      »Fürs Weißbier, als Reserve und für die Schenken vor dem Zelt und für die Holzhütten.«

      »Und was wollte der Wirth dann hier?«, wollte sie weiter wissen.

      »Das ist es, was wir herausfinden müssen. Und vor allem, wer mochte ihn nicht. Also ich kümmere mich um die Frau, die den Toten gefunden hat. Du kümmerst dich um die Spusi und dass der Dallinger mit seinen Jungs keinen Scheiß baut.«

      Kreithmeier drehte auf dem Absatz um und geleitete Frau Kasbauer aus dem Küchenbereich zurück ins Festzelt in eine der Boxen, wo er ungestört seine Befragung fortsetzen konnte. Er setzte sich ihr gegenüber und sah sie eindringlich an. Eine Frau, die den Zenit ihres Lebens längst überschritten hatte. Ihre Tätigkeit in der Gastronomie hatte Spuren hinterlassen. Er schätzte sie zwischen 55 und sechzig ein. Ihr Gesicht war blass und hatte wenig Falten, das lag eher an ihrem Übergewicht, als an schlechter Luft und dem Ausschluss von Sonnenlicht. Ihre füllige Körpermasse hatte sie in ein Dirndl gezwängt und ihr Busen war für seinen Geschmack zu stark eingepresst, denn er versuchte bei jeder Bewegung oder jedem Atemzug gefährlich aus dem oberen Teil herauszuspringen.

      Für Kreithmeier war sie das bildhafte Beispiel einer typischen Bierzeltbedienung, wie es nur noch wenige gab. Sie zogen mit den Bierzelten von Volksfest zu Volksfest, arbeiteten am Tag mehr als 12 Stunden und verdienten in einer der Woche so viel Geld, wie er in 6 Wochen. Dafür schleppten sie stundenlang schwere Bierkrüge und teures bayerisches Fastfood an die Biertische. Ein Berufszweig, der am aussterben war. Jetzt rückten jungen Frauen aus den neuen Bundesländern nach. Studenten und