Axel Birkmann

Blutiges Freibier


Скачать книгу

sollte ein Urbayer bei einem farbigen Immigranten aus der Elfenbeinküste oder Somalia eine Maß Bier bestellen, dazu ein Hendl vom Grill mit Riesenbrezn. Eigentlich undenkbar. Das wäre ja genauso, als wenn er selbst in einem afrikanischen Traditionsrestaurant in einem Sari bedienen und den Gästen die einheimischen Getränke und Gerichte empfehlen müsste.

      »Was wollen’s denn alles von mir wissen?«, wurde Kreithmeier aus seinen Gedanken gerissen. Er zuckte zusammen, dann sah er auf seinen Notizblock, auf dem noch nicht viel eingetragen war und schaute sein Gegenüber wieder forschend an.

      »Sie sind also Frau Theresa Kasbauer?«

      »Des wissens doch schon. Mich könnens aber gerne auch Resi nennen. So nennen mich alle hier.«

      »Gut Frau Kasbauer. Jetzt erzählen Sie mir mal bissel was über sich. Sie haben den Toten gefunden. Wie war das denn? Und langsam bitte, ich möchte mir ein paar Notizen machen.«

      Frau Kasbauer atmete tief ein. Ihr Brustkorb hob sich an und die obersten Knöpfe ihres Dirndls spannten sich unter der Bewegung. Doch sie hielten. Sie atmete aus und sagte langsam und deutlich und letztendlich auf hochdeutsch: »Ich mache immer am Ende meinen Rundgang. Wenn die Bierschänke und die Küche geschlossen sind, dann gehe ich alles noch einmal ab.«

      »Warum?«, fragte der Kommissar.

      »Weil ich mich auf die Mitarbeiter nicht verlassen kann. Wir arbeiten seit einiger Zeit mehr mit Aushilfen als wie mit Festangestellten. 400 Hundert Euro Kräfte. Mei, i sag Ihnen, die meisten können nicht mal richtig deutsch. Und wenn Feierabend ist, dann rennen sie alle sofort nach Hause. Und lassen alles stehen und liegen.«

      »Und Ihr Chef, der Herr Wirth?«

      »Der macht meistens die Buchhaltung, eine Kurzinventur, die Bestellung für den nächsten Tag und seine Lieblingsbeschäftigung, er zählt das Geld. Dann ordert er den Geldtransporter«, sie lachte auf, »es wäre a bisserl viel Geld, um damit einsam im Dunkeln durch die Luitpoldanlage zu laufen.«

      »Von wie viel Geld reden wir denn?«

      »Schon weit über zweihunderttausend Euro. An Tagen wie heute sogar bis zu dreihunderttausend.«

      Kreithmeier pfiff durch die Zähne. Eine stolze Summe für einen Abend.

      »Das Geld ist aber alles noch da, oder?«

      »Das Geld ist im Safe im Büro und wartet auf die Protectas«, antwortete sie beflissen.

      »Gut weiter. Sie haben also Ihren Rundgang gemacht und dann?«

      »Ich habe gesehen, wie die Tür zum Bierlager offen stand. Und es brannte Licht. Das war mir verdächtig. Dann habe ich reingeschaut. Und da lag er.«

      »Wieso verdächtig?«, hakte Kreithmeier nach und spitzte die Ohren.

      »Weil seit Samstag, seit Eröffnung des Volksfestes, Fässer abhanden gekommen sind.«

      »Ihr habt’s doch einen Biercontainer von der Brauerei?«

      »Das stimmt«, sagte sie, »aber s’ Weißbier haben wir in den Edelstahlfässern.«

      »Richtig, ihr schenkt ja beides aus. Auf der Wiesn in Minga gibt’s nur a Helles. Nur Oktoberfestbier.«

      »Außer im Weinzelt, da schenken sie auch Weißbier aus, aber nur bis um 21 Uhr, dann wollen’s ihren Nymphenburg Sekt und ihren Wein verkaufen«, klärte Resi den Kommissar auf.

      »Es heißt ja auch Weinzelt. Aber zurück zu eurem Bierlager. Wie können denn solche Fässer verschwinden? Die wiegen doch was. Die klemme ich mir doch nicht unter den Arm. Und zu Hause fange ich gar nichts damit an. Ich brauche eine richtige Zapfanlage. Das sind ja keine Partyfässchen. Wie viel Fässer fehlen denn laut ihren Aufzeichnungen?«

      Frau Kasbauer dachte nach. »Wie mir der Helmut erzählt hat, zwei oder drei. Bis jetzt.«

      Alois Kreithmeier machte sich Notizen.

      »Aber wegen einem Fass Bier schlägt doch niemand jemandem einen Schädel ein«, dachte er laut.

      »Was haben’s bittschön gerade gesagt?« Resi Kasbauer blickte den Kommissar fragend an.

      »Die Tür zum Lager stand offen. Da waren wir. Und?«

      Sie stutzte etwas, dann fuhr sie fort. »Ich bin halt rein, und da lag er. In seinem Blut. Der Hammer daneben. Den Rest kennen Sie. Ich habe einen Schreck bekommen und um Hilfe geschrien.«.

      »Sie wussten sofort, dass das der Helmut war.«

      »Ja, natürlich!«

      »Aber wieso? Er lag doch mit dem Gesicht auf dem Boden.«

      »Seine Lederhose und seinen Janker. Den erkannte ich sofort. Den gibt es nur einmal auf dem Festplatz.«

      »Aha. Soso. Und was meinen Sie, wer könnte das getan haben, der Bierdieb?«

      »Ich weiß es nicht. Der Helmut war kein angenehmer Zeitgenosse. Ich kam mit ihm ganz gut zurecht.«

      »Sie wollen damit behaupten, der Herr Wirth hätte Feinde.«

      »Ja! Es mochte ihn eben nicht jeder.«

      »Aber Sie schon?«

      »Mögen ist zu viel gesagt«, sagte die Kasbauer langsam und dacht nach. »Man arrangiert sich halt. Man passt sich an.«

      »Wie lange kennen Sie ihn schon, oder besser kannten Sie ihn?«

      Resi Kasbauer fing an zu überlegen. Und um dieses noch zu unterstützen, rechnete sie mit ihren Fingern nach. »Ich denke mal über zwanzig Jahre.«

      »Zwanzig Jahre? Eine verdammt lange Zeit.«

      Kreithmeier drehte sich beiläufig um und blickte Richtung Küche und Bierschenke. Dort war mittlerweile alles in helles Licht getaucht. Die Spurensicherung machte ihren Dienst. Frau Dr. Nagel war beim Toten und Polizeiwachtmeister Dallinger und seine Uniformierten nahmen die persönlichen Daten der Anwesenden auf. Er sah Dallinger im Gespräch mit einem kräftigen Afrikaner mit kurzen schwarz gekräuselten Haaren. Er unterhielt sich mit Abdul Shamal, dem Wortführer der Mitarbeiter, dem Hendlbrater. Den sollte er auch noch sprechen, dachte Alois. Dann drehte er sich wieder zur Kasbauer um und wiederholte seine letzten Worte: »Zwanzig Jahre! Ein halbes Leben. Gibt es eine Frau Wirth?«

      »Es gab mal eine Frau Wirth. Die ist aber vor ein paar Jahren gestorben. Krebs so viel ich weiß. Jetzt hat er eine Freundin. Eine Olga. Eine Russin. Aus Kiew.«

      »Kiew ist aber in der Ukraine«, korrigierte Kreithmeier die Frau.

      »Jo mei, was weiß i denn. Die Olga aus Kiew. Und sie spricht russisch und sehr gut deutsch. Eine echte Madame. Lässt sich gern bedienen. Und Helmut machte immer alles für sie. Olga hier und Olga da. Und sie ist halb so alt wie der Helmut. Eine hübsche Frau. Aber ein Luder.«

      »Wo wohnt sie?«

      »In seinem Haus in Attenkirchen. Der hat sich dort eine Villa gebaut, Herr Kommissar, so etwas haben Sie noch nicht gesehen.«

      »Mit so einem Bierzelt verdient man ja kein schlechtes Geld.«

      »Und mit seinem Gasthof mit Biergarten auch nicht. Obwohl das Zelt in Freising, das hat er erst seit diesem Jahr.«

      »Ach was. Und wieso?« Kreithmeier hob die Augenbrauen.

      »Na, ja, vorher hatte die Familie Sandholzner das Zelt. Seit über 10 Jahren. Dieses Jahr das erste Mal der Helmut.«

      »Und warum das?«

      »Da fragen Sie mich zu viel Herr Kommissar. Jedes Jahr muss man sich in Freising wie auf der Wiesn in München neu bewerben. Und dieses Jahr hat die Ausschreibung eben der Wirth gewonnen. So ist das halt.«

      Kreithmeier schrieb etwas in seinen Notizblock.

      »Sie sagten, er wäre nicht so angenehm gewesen. Was meinen Sie damit Frau Kasbauer?«

      »Wie ein Geschäftsmann halt. Knochentrocken, immer nur aufs Geld aus. Sparen,