Axel Birkmann

Blutiges Freibier


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Kreithmeier.

      »Das geht schon rum. Die ersten Pressefutzis kamen direkt nach dem Dallinger.«

      »Ob der Dallinger sich damit ein zweites Einkommen sichert?«

      »Die hören bestimmt den Polizeifunk, da könnte ich wetten«, sagte Melanie.

      »Dann wollen wir dem Eschenbacher sein erstes Fest zu seinem Amtsantritt nicht vergällen.«

      »Das wäre schön. Und er sagte nur, so solle es auch bleiben. Bei den guten Zahlen.«

      »Der Wirt ist tot, lang lebe der Wirt.«

      Die Villa in Attenkirchen

      Alois Kreithmeier und Melanie Schütz orderten einen Wagen der Fahrbereitschaft aus der Haydstraße, weil ihr Alkoholkonsum im Festzelt ein eigenes Fahren nicht rechtfertigen konnte und ihre beiden Fahrzeuge vor Kreithmeiers Wohnhaus parkten. Eine kurze Verabschiedung bei der Spurensicherung, mit dem ausdrücklichem Hinweis, die Untersuchungen bis zum Morgengrauen abgeschlossen zu haben, damit der Festzeltbetrieb ungestört am nächsten Tag weiter gehen konnte, und schon ging es los. Der augenscheinliche Wunsch des Oberbürgermeisters sollte auf jeden Fall berücksichtigt werden.

      Die kleine Gemeinde Attenkirchen liegt an der Bundesstraße B 301 im Hallertauer Hügelland ungefähr dreizehn Kilometer nördlich der Kreisstadt Freising und einige Kilometer nördlich des Ampertals: das südliche Tor zur Hallertau, Deutschlands größtem Hopfenanbaugebiet. Obwohl der Hopfen schon geerntet war, und nur noch die hohen Holz-Draht-Gerüste der Hopfengärten die Landschaft zu prägten, war von den imposanten Gestellen nichts zu sehen. Es war Nacht und dicke Wolken am Himmel ließen das Mondlicht nicht durchscheinen. Nur der Scheinwerferkegel des Polizeiwagens beleuchtete die Straße und gab freie Sicht nach vorn.

      Nach knapp einer Viertelstunde hielt der Wagen vor einem Tor in einer Seitenstraße in einem Neubaugebiet in Attenkirchen.

      »So wir sind da, das ist die Villa der Familie Wirth. Ein imposantes Anwesen. Soll ich mit reinkommen?«, fragte der Uniformierte die beiden Kommissare dienstbeflissen.

      »Nein danke, bitte warten Sie hier draußen auf uns. Wir wollen die Familie nicht gleich in der Nacht mit einer Polizeiuniform schockieren«, antwortete Kreithmeier höflich.

      »Und mit Ihrem Aufzug sollte das wohl nicht passieren?« Der Polizist lächelte.

      Alois sah Melanie erstaunt an und sie ihn. Sie hatten immer noch ihre Kleidung vom Volksfest an. Er steckte noch in der kurzen Lederhose und mit einem Janker darüber und sie in ihrem hellblauen Dirndl. Sie hatten beide noch keine Zeit gehabt sich umzuziehen.

      »Mist!«, rief Kreithmeier. »Ich weiß auch nicht, was jetzt besser ankommt, zwei in Tracht mit Bierfahne oder ein uniformierter Beamter. Egal. Was soll’s. Sie bleiben hier. Wir kriegen das schon hin. Komm Melanie. Es wird nicht einfach, dem Sohn und der jungen Frau das Ableben vom Helmut Wirth zu berichten. Ein Scheißjob. Verdammt noch mal!«

      Der Kommissar zwängte sich aus dem Streifenwagen und öffnete Melanie galant die Autotür.

      »Sie schlafen schon. Das Haus ist dunkel«, sagte sie und zeigte mit der rechten Hand in Richtung Wohngebäude.

      Das Wohnhaus war wirklich unbeleuchtet und verbarg sich hinter einer hohen Steinmauer mit einem schmiedeeisernen Tor. Alles war dunkel. Nicht einmal eine Notbeleuchtung erhellte den Fußweg zum Haupteingang.

      Kreithmeier schritt auf das Tor zu und drückte auf die Klingel. Im Haus erklang eine tiefe Glocke. Es dauerte eine Weile, dann kam Leben in die Bude. Licht wurde eingeschaltet und eine Männerstimme hallte blechern aus der Sprechanlage.

      »Was ist denn los? Wissen Sie denn wie spät es ist?«

      »Herr Wirth, Herr Lukas Wirth?«, fragte Kreithmeier in die Sprechmuschel.

      »Ja natürlich, wer denn sonst. Wer will das wissen?«

      »Hier ist die Polizei, bitte öffnen Sie.«

      »Bin ich zu schnell gefahren? Hat das nicht bis Morgen Zeit?«, lachte die Stimme hysterisch und der Mann tat keine Anstalten die Türe zu öffnen.

      »Bitte öffnen Sie.« Kreithmeier hielt seinen Ausweis vor die runde Linse der Kamera über der Klingel. Sie müssten ihn im Hause sehen und erkennen können, dachte er.

      »Bitte öffnen Sie, wir möchten mit Ihnen persönlich sprechen«, sagte er.

      »Kommen Sie morgen wieder. Sie werden ja wohl keinen Hausdurchsuchungsbeschluss in der Tasche haben, oder?«, hallte es aus dem Lautsprecher.

      »Wer ist denn da am Tor?«, war jetzt im Hintergrund plötzlich eine weibliche Stimme zu hören, die mit leicht osteuropäischem Akzent sprach. »Sag mir bitte Lukas, wer klingelt da bei uns in der Nacht?«

      »Die Polizei, ich bin anscheinend zu schnell gefahren.«

      »Blödsinn, die kommen nicht zu dir, die schicken dir einen Anhörungsbogen. Geh weg, lass mich mal.« Und zu den beiden Kommissaren über die Fernsprechanlage gerichtet: «Was wollen Sie von uns? Mitten in der Nacht. Ist etwas passiert?«

      Melanie schritt vor und antwortete der Frau über die Anlage: »Wir müssen Sie sprechen und das bitte nicht hier auf der Straße. Es ist etwas passiert. Bitte öffnen Sie!«

      Es dauerte ein paar Sekunden, dann brummte es in der Tür und Kreithmeier konnte die schwere Metalltür aufstoßen. Zur gleichen Zeit öffnete sich die Haustür. Ein Lichtschein fiel von drinnen auf die Eingangstreppe. Und rechts und links des gepflasterten Weges quer durch das Anwesen auf die Haustür zu, flammten kleine Bodenfluter auf und beleuchteten wie die Landebahn auf einem Flugplatz den Weg zum Haus.

      Nach den beiden Kriminalkommissaren fiel das Tor wieder sanft von einem Motor angetrieben ins Schloss.

      »Vornehm, vornehm«, murmelte Kreithmeier sichtlich erstaunt. Jetzt wo die vielen kleinen Lichter die Nacht fast zum Tage machten, konnten sie das erste Mal einen Blick auf die Wirth Villa werfen.

      Ein exklusives Anwesen ganz im Stil eines italienischen Palazzos gehalten. Ein rechteckiger Kasten mit langen Fenstern, einem nur leicht angewinkelten Dach und einem auf römischen Säulen stehenden Vordach über der Eingangstür. In dieser standen nun zwei Personen, die sie, jeweils mit einem Morgenmantel bekleidet, neugierig erwarteten. Lukas Wirth war soweit man unter dem Bademantel sehen konnte, ein muskulöser junger Mann mit schwarzem, störrischem Haar, dunklen buschigen Augenbrauen, einem vollen Mund und einem kantige Kinn. Die Frau neben ihm war eine attraktive Blondine, in rosa Hausschuhen, einem dunkelroten Lippenstift auf ihren vollen Lippen und einem hellblauen Seidenschal um den Hals.

      Ihr beider Gesichtsausdruck verstärkte sich noch, als die beiden erkannten, wer oder was, da, auf sie zu kam. Ein kräftiger Mann in einer kurzen Lederhose mit Trachtenhemd und Janker und an den Wadeln graugrüne Wadenschoner. Und die Dame an seiner Seite mit blonden hochgesteckten Haaren und in einem hellblauen Dirndl mit weißer Schürze. Die beiden an der Haustüre machten einen Schritt zurück und die Dame im Seidenmantel fragte zaghaft: »Und Sie sind sicher, dass Sie beide von der Polizei sind?«

      »Natürlich!«, antwortete Kreithmeier grimmig, »lassen Sie sich bitte nicht von unserer Kluft täuschen. Wir kommen direkt aus Ihrem Bierzelt.«

      Und, als ob er dieses noch irgendwie unterstreichen musste, wehte bei jedem einzelnen Wort, das er aussprach, ein unangenehm nach abgestandenem Bier riechender Hauch in die Richtung der Angesprochenen. Er hielt ihnen seinen Dienstausweis direkt vor die Nase.

      »Bierzelt? Sie kommen geradewegs aus unserem Bierzelt?«, wiederholte der junge Mann die Worte des Kommissars wie in Trance. »Ist etwas mit unserem Zelt? Etwas mit meinem Vater?«

      »Können wir vielleicht ins Haus gehen?«, fragte Melanie höflich aber bestimmt.

      »Ja natürlich, bitte kommen Sie.« Die Frau lief voraus und geleitete die beiden Beamten ins Wohnzimmer.

      »Nehmen Sie bitte Platz.« Sie zeigte auf eine gemütliche Sitzgruppe, die um