Axel Birkmann

Blutiges Freibier


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weil er sich nach dem Tod meiner Mutter eine neue Partnerin genommen hat.«

      »Was ist daran so ungewöhnlich?«

      Die beiden Kommissare sahen auf dem Monitor, wie Alois Kreithmeier nach seiner letzten Frage den jungen Mann genau anvisierte und seine Körpersprache versuchte zu studieren. Doch Lukas Wirth war nicht aus der Ruhe zu bringen. Keine Regung, nicht mal ein Zucken seiner Augen. Er antwortete nicht.

      »Es ist schon öfter passiert, dass ein Freund der Verstorbenen oder ihr eigener Sohn die Liebschaften ihres Ehemannes nicht huldigte und ihn somit aus dem Wege schaffte. Verletzte Eitelkeit oder falsche Moralvorstellungen.«

      Lukas Wirth lachte auf. »Sie glauben das aber alles nicht selbst, was Sie da gerade verzapfen. Sie meinen doch nicht etwa, dass ich meinen Vater umgebracht habe. Außerdem habe ich für die Tatzeit ein Alibi. Ich war zu Hause. Olga hat mich gesehen. Sie kann es bestätigen«

      »Die ganze Nacht? In der Tat eine reizende Geschichte. Olga Bogdanow gibt Ihnen ein Alibi und Sie im umgekehrten Sinn ihr.«

      Lukas Wirth verschränkte die Arme und sah den Kommissar böse an. »Ja, so ist es. Die ganze Nacht. Von halb 11 bis zu dem Zeitpunkt als sie bei uns Sturm läuteten.«

      Kreithmeier sah den jungen Mann an und blickte nebenbei auf seinen Notizblock. Melanie stoppte erneut die Aufnahme.

      »Was machst du, Alois? Es ist eine Befragung, kein Verhör, die beiden waren vorerst nicht verdächtig. Und woher weiß der Wirth den genauen Todeszeitpunkt? Von dir?«

      »Nein. Ich habe ihn ihm nicht gesagt. Aber das ist ja auch nicht schwer es sich zusammen zu reimen. Die Kasbauer hat den Wirth kurz nach Mitternacht gefunden. Das wird sie dem Sohn sicher gesagt haben. Und der Sohn ist für die Morgenschicht im Zelt verantwortlich, war also laut Aussage der Mitarbeiter schon um Zehn Uhr verschwunden. Und für die Zeit von 22.30 bis zu unserem Eintreffen in Attenkirchen hat er das Alibi von dieser Olga. Der Mord ist zwischen 23.30 Uhr und Mitternacht passiert. Also eine mögliche Tatzeitspanne von nur einer halben Stunde. Attenkirchen Freising, das ist in 10 bis 15 Minuten mit dem Auto zu bewerkstelligen. Wenn er die Villa um 23.15 Uhr verlassen hätte, hätte er um 23.45 wieder zu Hause sein können. Es ist also machbar. Und die beiden Herrschaften haben ja sicher nicht die ganze Nacht zusammen in einem Bett verbracht.«

      »Spekulationen, Alois, nichts als Spekulationen. Lass uns weiterzuhören.« Melanie ließ die Aufnahme weiter laufen.

      »Gibt es ein Testament?«, führte Kreithmeier die Befragung fort.

      »Hundertprozent, solche Dinge überließ mein Vater nicht dem Zufall. Das wird bei Rechtsanwalt Netzer in Freising liegen.«

      »Kennen Sie den Inhalt. Oder anders ausgedrückt, hat Ihr Vater mit Ihnen darüber einmal gesprochen?«

      Lukas Wirth dachte nach. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete.

      »Nach dem Tod meiner Mutter hat er mir erzählt, dass er alles geändert habe. Ich würde nach seinem Ableben alles erben, aber mit der Auflage, die Immobilien, das Gasthaus und die Firmen nicht zu versilbern, sie stets weiterzuführen. Wenn ich das Erbe verweigern würde, hätte der Rechtsanwalt die Aufgabe, eine Stiftung zu gründen und dieser alles zu vermachen.«

      »Sie sagen Firmen, von welche Firmen sprechen wir denn?«, fragte der Kommissar.

      »Vom Landgasthof zum Wirth in Attenkirchen, von seiner Cateringfirma, mit Sitz in München, den Getränkegroßhandel in Freising, den Bierzeltbetrieb und die Immobilien GmbH.«

      »Das ist ja allerhand. Da kommt einiges zusammen. Seit wann sind Sie im Firmenverband aktiv, Herr Wirth?«

      Melanie hatte sich Notizen gemacht und erneut die Wiedergabe stoppte. »Ich werde dem Rainer sagen, er soll den Rechtsanwalt anrufen, ich möchte wissen, was im Testament steht, und wer jetzt die Begünstigten ist. Was meinst du, Alois? Und er soll sich um diese Firmenverstrickung kümmern. Ist sicher interessant, wie die wirtschaftlich dastehen.« Sie wählte die interne Nummer der Spurensicherung und gab ihre Wünsche weiter.

      »Können wir?«, fragte Alois ungeduldig.

      »Klar doch Kreiti«, säuselte sie ihn liebevoll an. Alois blickte sie finster an. Wie er dieses Kreiti hasste.

      Lukas Wirth war wieder auf dem Bildschirm zu sehen und zu hören. Er antwortete dem Kommissar.

      »Nach meinem Studium und nach dem Tod meiner Mutter bin ich zu meinem Vater ins Geschäft eingestiegen. Meine Mutter war zu ihren Lebzeiten die starke Frau im Hintergrund meines Vaters. Sie machte die Buchhaltung, die Personalbetreuung und die Abrechnung. Mein Vater kümmerte sich um das operative Geschäft. Die letzten Jahre habe ich die Aufgaben meiner Mutter übernommen und bei solchen Anlässen, wie diversen Volksfesten oder am Gäuboden in Straubing, auch im Festbetrieb mitgeholfen.«

      »Und Olga Bogdanow?«

      »Sie hat sich um die Villa und um meinen Vater gekümmert. Und ab und zu um den Einkauf.«

      »Den Einkauf?«

      »Ja, vor allem, wenn es um Waren aus Osteuropa ging. Da kannte sie sich gut aus. Auch billige Arbeitskräfte. Das war ihr Aufgabengebiet. Und da muss sie ausgesprochen gut gewesen sein. Unsere Personalkosten sind von Jahr zu Jahr gesunken. Und unser Rohertrag hat sich kontinuierlich erhöht.«

      »Hat sie Ihren Vater geliebt, diese Olga Bogdanow?«

      »Ich denke schon. Sie hat ein gutes Leben gehabt, ein besseres auf jeden Fall wie zuvor in ihrer Heimatstadt Kiew.«

      »Sie ist eine sehr attraktive Frau.«

      »Ach ja?«, sagte Lukas Wirth gespielt gelangweilt. »Mein Vater hat sie verehrt. Wie eine Göttin.«

      »Mehr wie Ihre Mutter?«

      »Vielleicht. Ich kann das nicht sagen, mein Vater hat nie mit mir darüber gesprochen. Gefühle zu zeigen oder gar darüber zu sprechen, das war nicht seine Welt. Er war ein knochentrockener Geschäftsmann. Geldverdienen war sein Lebensinhalt. Alles was er anfasste, verwandelte er in Gold.«

      Kreithmeier machte sich Notizen, dann fragte er weiter: »Kennen Sie die jetzigen Vermögensverhältnisse der einzelnen Unternehmen?«

      »Nicht ganz genau. Ich weiß nur, dass die Zusage der Stadt, auf dem Freisinger Volksfest unser Festzelt präsentieren zu dürfen, uns eine enorme Finanzspritze geben würde.«

      »Um wie viel Geld reden wir hier?«

      Lukas Wirth rechnete mit seinen Fingern nach, dann antwortete er: »Nach der ersten Prognose von weit über eineinhalb Millionen Euro.«

      »Gewinn?«

      »Nein, nein, wir sind nicht auf der Wiesn in München, da würde das sicher stimmen. Reiner Umsatz. Der Gewinn dann abzüglich Personal- und Wareneinstand, Energie- und Wasserkosten. Dazu kommen noch die Kosten des Auf- und Abbaus des Zeltes und die Einlagerung.«

      »Es bleibt doch sicher ein ganz schönes Sümmchen übrig für die paar Tage. Entsprechend groß ist die Zahl derer, die gerne Wiesnwirt werden würden. Ob in Freising oder in München. Oder?«

      »Natürlich, aber für umsonst arbeiten wir auch nicht. Natürlich nicht.«

      »Warum«, bohrte Kreithmeier nach, »warum sind Sie jetzt erst auf dem Volksfest mit Ihrem Zelt erschienen? Warum nicht schon früher?«

      »Die Vergabe macht immer die Stadt Freising. Jedes Jahr aufs Neue. Und die letzten Jahre war die Freisinger Wiesn fest in der Hand der Familie Sandholzner. Sie hatte immer den Zuschlag vom Ordnungsamt bekommen. Und zu guter Letzt entscheidet der Stadtrat über die Genehmigungen.«

      »Warum dann jetzt der Wechsel?«

      »Weil wir besser sind. Und wir haben ein neues Zelt. Das Zelt der Sandholzner hat seine besten Tage mittlerweile erlebt. Es gehört saniert. Und wir haben bis gestern Nacht alle Rekorde der letzten Jahre gebrochen.«

      »Obwohl auch Sie das Programm von der Stadt auferlegt bekommen wie all die anderen Jahre die Sandholzner auch.«

      »Neue