Axel Birkmann

Blutiges Freibier


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lang bist du denn schon hier?«, fragte er neugierig.

      »Seit Acht.«

      Kreithmeier zog ungläubig die Augenbrauen hoch. Melanie ließ den Hund los und erhob sich. Sie sah ihm direkt in die Augen.

      »Und?«, fragte sie.

      »Ich war wirklich im Festzelt.«

      »Das sagtest du schon am Telefon. Warum?«

      »Ich war mit Gizmo Gassi, du weißt ja, in den Isarauen .....«

      »Ja, ich weiß, deine Morgenzigarette, von der du nicht ablassen kannst ....«

      ».... Und da sind wir beide an der Isar entlang wie von dunkler Magie magnetisch angezogen auf dem Festplatz gelandet. Und im Festzelt haben sie einen Gottesdienst abgehalten ....«

      »Das ist immer so am Mittwoch während der Volksfestwoche«, unterbrach sie ihn.

      »Kann ja sein, aber das war eine Totenmesse für den erschlagenen Gastwirt.«

      Melanie rümpfte die Nase. »Jetzt schon. Ist das nicht ein bisschen früh. Der Mann ist ja noch nicht einmal unter der Erde.«

      »Das habe ich mir auch gedacht. Und alle waren da. Lukas Wirth, die Russin, die Kasbauer und ihre gesamte Küchentruppe und einige Schausteller.«

      »Honoratioren der Stadt Freising? Der OB und Stadträte?«, hakte Melanie nach.

      »Kann ich nicht sagen. Ist mir erst einmal keiner aufgefallen. Ich denke, die werden sicher noch für ihn eine richtige Messe im Gotteshaus in Attenkirchen halten .....«

      »Oder im Freisinger Dom. Der Wirth war ja eine Persönlichkeit. Eine Lichtgestalt in der Öffentlichkeit. Das müsste es der Stadt Freising doch wert sein.«

      »Obwohl er das Festzelt erstmalig in diesem Jahr unter sich hatte.«

      Melanie sah ihren Kollegen eindringlich an. »Warum eigentlich? Warum hat es einen Wechsel gegeben? Wer waren die Wirtsleute zuvor?«

      Alois zog sein Notizbuch aus der Tasche und überflog die Eintragungen, die er während der Befragung mit der Resi Kasbauer gemacht hatte.

      »Sandholzner. Familie Sandholzner.«

      «Sagt mir gar nichts.« Melanie schritt an ihre Tafel und schrieb mit einem roten Filzstift den Namen neben das Bild mit der Tatwaffe.

      »Wir sollten sie auf jeden Fall mal besuchen. Wohnen die in Freising?«

      »Ja, im Neustift.«

      »Gut. Aber später. Jetzt kommen die beiden aus Attenkirchen. Lukas Wirth und diese Olga Bogdanow. Ich denke, die haben uns auch noch einiges zu erzählen. Die Schonfrist für die Angehörigen ist gerade abgelaufen.«

      Alois sah wie Melanie die beiden Namen auf die Tafel schrieb. Hinter den Namen Bogdanow schrieb sie in Klammern Wirth und setzte ein Fragezeichen dahinter.

      »Was heißt das?«, wollte Kreithmeier wissen.

      »Du wirst es erfahren. Machen wir es ein bisschen spannend. Warte bis die Herrschaften da sind. Ich war heute früh schon fleißig. Während du noch im Bett gelegen bist, habe ich mit Kiew telefoniert.«

      »Mit Russland?«

      »Alois, noch einmal, Kiew liegt in der Ukraine, die Bogdanow ist keine Russin, sondern Ukrainerin. Und sprechen tun sie dort Ukrainisch, aber die meisten können Russisch. Und meine erste Fremdsprache an der Schule war Russisch. Also ein Leichtes für mich, dort in den zuständigen Stellen anzurufen und mich nach einer gewissen Olga Bogdanow zu erkundigen.«

      »Und? Was hast du herausgefunden?«

      »Später Alois, später. Ich werde dir alles verraten. Doch später. Es ist jetzt 11 Uhr. Lassen wir die Herrschaften nicht warten. Komm. Sie sind da.«

      Lukas Wirth

      Pünktlich um 11 Uhr kam ein Anruf von der Pforte, dass für die Kriminalkommissare Besuch angekommen sei und kurze Zeit später standen die zwei Personen vor Alois Kreithmeiers und Melanie Schützens Büro: Lukas Wirth und Olga Bogdanow. Beide trugen noch die schwarze Bekleidung vom Gottesdienst im Festzelt.

      Melanie und Alois hatten beschlossen die beiden getrennt zu befragen. Falls sie doch etwas mit dem Ableben des Helmut Wirth zu tun hatten, wäre das die bessere Art und Weise, ihrem vermutlichen Geheimnis auf die Spur zu kommen. Beide Befragungen wollten die Beamten auf Video aufnehmen, um im Nachhinein eventuelle Ungereimtheiten erkennen und deuten zu können. Alois sollte sich um den Sohn des Mordopfers kümmern und Melanie um die Lebensgefährtin des Toten. Die Kommissare hatten jeder ein Blatt Papier in der Hand mit den ihrer Meinung nach wichtigsten Themen: Erbschaft, Verwandtschaft, Geschäftspartner, Feinde, Vermögen und Geld, das Verhältnis zu den Mitarbeitern und der plötzliche Zuschlag für den Festzeltbetrieb. Zwischen allen diesen relevanten Themen sollte der Grund für die Ermordung des Gastwirtes liegen.

      Eine Stunde später waren Alois und Melanie mit der Befragung fertig und begannen gemeinsam vor dem Bildschirm ihre Aufzeichnungen anzuschauen. Melanie hatte zunächst die Videosequenzen mit der Befragung des Juniorchefs zum Laufen gebracht. Andächtig saßen sie jetzt nebeneinander auf der Coach im Büro, jeweils mit einer Tasse Kaffee in der Hand, und blickten gespannt auf die bewegten Bilder vor sich im Monitor.

      Die Videokamera war so im Raum platziert gewesen, dass beide Gesprächspartner zu sehen waren, insbesondere der Befragte, vor allem seine Mimik und seine Gestik.

      Lukas Wirth saß ganz entspannt im Vernehmungszimmer und wartete auf die Fragen des Kommissars. Er schien gelangweilt zu sein und gab sich keine große Mühe, dies zu verbergen. Er wusste nicht so richtig, was er hier sollte.

      »Mittwoch 12. September 2012. Befragung im Fall Helmut Wirth. Nur fürs Protokoll, Sie sind also Lukas Wirth, der Sohn des Ermordeten Unternehmers Helmut Wirth?«, begann Kreithmeier die Befragung seines Gesprächspartners.

      »Das haben Sie mich schon mal gefragt. Heute Nacht. Es hat sich nichts geändert, ich bin es immer noch. Wollen Sie meinen Personalausweis sehen?«

      »Sie wissen, wir zeichnen das Gespräch auf, deshalb die Eingangsfrage an Sie, damit wir auch ganz sicher sind.«

      »Ich wiederhole es gerne noch einmal für Ihre Gesprächsprotokolle, ich bin der Sohn von Helmut Wirth, ich heiße Lukas und bin 28 Jahre alt. Genauer gesagt, geboren am 28. Juli 1984.«

      Melanie stoppte den Player: »Er ist ein Löwe. Ein Alphatier. Wann hatte sein Vater Geburtstag, weißt du das Alois?«

      Alois stand auf, schritt zu seinem Schreibtisch und blätterte in ein paar Unterlagen.

      »Der Helmut Wirth hatte am 16. Januar Geburtstag. 1952. Er war sechzig Jahre alt. Dafür sah er aber noch ganz fesch aus.«

      »Und er war ein Steinbock. Löwe und Steinbock. Interessant.«

      Alois sah seine Kollegin überrascht an. »Und was hat das mit unserem Mordfall zu tun? Astrologie und der ganze Horoskopscheiß?«

      »Das weiß ich noch nicht. Sehen wir uns erst einmal deine Befragung weiter an.« Melanie drückte auf Abspielen und auf dem Monitor ging die Befragung weiter.

      »Ein paar Fragen zu Ihrer Familie. Ihre Mutter ist gestorben. Wann und warum?«

      Lukas Wirth hob den Kopf und sah den Kommissar fragend an.

      »Was hat das alles mit dem Mord an meinem Vater zu tun«, fragte er.

      »Nur der Routine halber«, antwortete Kreithmeier, »wir wollen alles genau wissen und müssen jeder Spur nachgehen.«

      »Meine Mutter ist vor sieben Jahren gestorben, an Krebs, was wollen Sie damit sagen, jeder Spur nachgehen.«

      »Ihr Vater hatte eine neue Freundin, die er nach unseren Angaben schon sechs Jahre kannte. Ihr Haus ist etwa 8 Jahre alt, wurde also noch zu Lebzeiten Ihrer Mutter fertig gestellt. Und nun setzt sich eine neue Frau ins gemachte Nest.