Axel Birkmann

Blutiges Freibier


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Ich habe gehört es läuft über das Ordnungsamt, aber der Stadtrat gibt noch seinen letzten Segen. Und warum die Familie Sandholzner dieses Jahr nicht den Zuschlag bekommen hat.«

      »Ay, ay Sir, wird gemacht. Bis morgen früh bekommst du alles. Okay?«

      »Das wird reichen. Danke.«

      »Hast du denn da einen bestimmten Verdacht?«, hakte Rainer nach.

      »Nein«, sagte Alois etwas grantig. »Besorge mir nur ganz einfach die Informationen, alles andere später.«

      Rainer drehte sich zu Melanie um: »Und die gnädige Frau, hat die auch noch einen besonderen Wunsch?«

      Melanie lachte: »Ja, wenn du mich so fragst, zwei Leberkässemmeln mit süßem Senf und Gurke.«

      Rainer lachte und winkte ihr kurz zu. Ohne einen weiteren Kommentar abzugeben war er im Treppenhaus verschwunden.

      »Der nimmt mich nicht Ernst«, schimpfte Melanie.

      »Wie sollte er auch. Leberkässemmel.«

      »Hast du denn schon gefrühstückt, Alois?«

      »Nein, ich bin nicht mal geduscht. Zuerst Gizmo, dann Festplatz und jetzt bin ich hier. Auf dem Revier.«

      Melanie stand auf und rief nach Gizmo, der sofort von seiner Schmusedecke neben dem Schreibtisch seines Herrchens aufsprang und ihr zwischen die Beine wedelte.

      »Wir fahren in die Luitpoldanlage, ich habe Hunger, und eine Leberkässemmel wird es doch dort um die Zeit schon geben?«

      »Es ist fast ein Uhr, die Buden haben mittlerweile offen. Du hast Recht. Komm Gizmo, gehen wir.«

      Kurze Zeit später standen sie an einer Brotzeithütte und verspeisten jeder eine Leberkässemmel mit süßem Senf und Gurke. Gizmo verdrückte ein Wienerle.

      »Jetzt geht es mir schon wesentlich besser«, gab Melanie zum Besten. »Mein Bauch hatte schon angefangen zu rebellieren. Wenn du fertig hast, setzen wir uns mal mit der Kasbauer zusammen.«

      Mit vollem Mund gab Alois seiner Kollegin zu verstehen, sie könnten ins Zelt. Er würde die Semmel im Gehen zu sich nehmen.

      Das Festzelt war für die Mittagszeit schon wieder gut besucht. Dass vor wenigen Stunden hier ein brutaler Mord geschehen und das Zelt bis in die Morgenstunden von der Polizei, der Gerichtsmedizin und der Spurensicherung belegt gewesen war, davon war nichts mehr zu sehen. Die Festzeltgäste saßen friedlich zusammen, tranken Bier und aßen bayrische Schmankerl. Der größte Anteil der Besucher waren Landwirte, in ländlicher Tracht, mit Gamsbart auf dem Hut. Nur wenige Frauen konnte man zwischen ihnen entdecken. Die Stimmung war fröhlich und diszipliniert, so ganz anders wie am Abend zuvor bei Dolce Vita. Im Hintergrund spielte eine Trachtenkapelle Blasmusik.

      »Da vorne läuft sie«, rief Alois und deutete mit dem Arm auf eine ältere Frau in Dirndl, die mit acht Maßkrügen auf dem Arm zwischen den Biertischen herum wuselte.

      »Sie bedient ja heute selbst. Dann werden wir sie wohl nicht sprechen können. Sie kann ja ihren Bereich schlecht allein lassen«, entgegnete Melanie.

      »Wir werden es versuchen.«

      Sie schritten langsam durchs Zelt auf die Bedienung zu. Als diese die Bierkrüge abgestellt und abkassiert hatte, sprach Alois sie an: »Frau Kasbauer, Sie erinnern sich an mich?«

      »Ja, ja. Der Herr Kommissar und seine hübsche Kollegin. Klar erkenne ich Sie wieder.« Sie putzte sich ihre bierfeuchten Hände an der Schürze ab und sagte zu ihnen: »Kommen Sie, setzen wir uns wieder in eine Box. Die werden erst heute Nachmittag voll.«

      Melanie fragte höflich: »Kommen wir Ihnen denn auch wirklich gelegen, ich habe gesehen, Sie müssen heute bedienen?«

      Frau Kasbauer lachte und ihre weißen Zähne blitzten auf.

      »Ich helfe nur aus, das ist schon in Ordnung, es ist halt wieder jemand krank. Die Arbeitsmoral ist nicht mehr so wie früher. Übrigens in Ihrem Dirndl haben Sie mir schon besser gefallen als wie in der Jeans.«

      Melanie lächelte verlegen.

      »Sie san doch die hübsche Kommissarin von heut Nacht?«

      Melanie antwortete nicht und folgte der Frau und ihrem Kollegen die Treppe hoch auf den Balkon.

      »Hier sind wir für uns«, sagte die Kasbauer und bat die beiden Kommissare Platz zu nehmen. »Sie wollten meine Aussage von heute Nacht mir zur Unterschrift vorlegen. Weil ich doch den toten Helmut gefunden habe.«

      »Das hat im Moment noch Zeit. Wir haben noch ein paar Fragen, und da denken wir, dass sie die uns sicher beantworten können, nachdem sie über zwanzig Jahre für die Familie Wirth arbeiten, ja quasi selbst fast zur Familie gehören.«

      »Schön wäre es«, sagte Frau Kasbauer traurig. »Was wollen Sie noch wissen?«

      »Uns interessiert zunächst einmal das Verhältnis Helmut Wirth zu seiner jungen Frau, zu Olga Bogdanow.«

      »Was soll ich dazu sagen, sie war halt nicht die Katharina. Das würde sie auch niemals werden.«

      »Katharina?«, fragte Kommissar Kreithmeier.

      »Helmuts verstorbene Frau hieß Katharina. Sie starb vor acht Jahren an Krebs. Das war eine Frau. Sie war eine echte Lady, hatte immer ein nettes Wort zu den Angestellten. Machte gerechte Einsatzpläne und stand ganz hoch im Ansehen der Lieferanten. Da waren es ja auch noch Lieferanten aus der Region.«

      »Und ihr Mann, wie war sein Verhältnis zu seinen Mitarbeitern?«, hakte Melanie nach.

      »Von einem Verhältnis kann man wohl eher nicht sprechen, auf jeden Fall von keinem guten. Man soll ja über Tote ja nichts Schlechtes sagen, aber gut behandelt hat er uns nicht. Dem alten Wirth sein Vater, der Sebastian, Gott sei seiner armen Seele gnädig, war ein wohlhabender Hopfenbauer. Der hat seine Knechte und Feldarbeiter damals schon aus Polen und Tschechien geholt. Saisonarbeiter. Wenig Lohn, harte Arbeit, nur so kam er zu etwas. Er hat dann den Landgasthof gekauft, sein Sohn, der Helmut, hat ihn übernommen und zu einem Juwel der Gastronomie in der Holledau ausgebaut. Mit dem Geld vom Alten natürlich. Und dann hat er mit Catering angefangen, mit Zeltverleih und schließlich den Schritt zum Festzeltwirt unternommen.«

      »Das ist ja nichts Unanständiges.«

      »Nicht dass Sie mich falsch verstehen, ich will mich nicht beklagen. Ich habe immer gut verdient und mir macht die Arbeit großen Spaß. Als Geschäftsmann muss man schon sehen, wo man bleibt, da hat man nicht immer nur Freunde. Nur ich will damit ausdrücken, seit die Olga das Sagen hat, stimmt vieles nicht mehr. Und der Helmut wollte nichts davon hören. Seine Olga ging ihm über alles, selbst als die ersten Beschwerden vom Catering kamen, die Qualität wäre nicht mehr so gut wie früher. Selbst da nicht.«

      Alois Kreithmeier schüttelte den Kopf. »Frau Kasbauer, was hat die Bogdanow mit der Qualität der Produkte zu tun?«

      »Das ist recht einfach, sie war schließlich für den Einkauf zuständig. Und Münchner Weißwürste gehören nun mal aus München.«

      Melanie sah die Frau nachdenklich an. »Wo sollen sie denn sonst herkommen? Wenn nicht aus München?«

      »Na aus einer Wurstfabrik in Kupyansk.«

      »Kupyansk?« Melanie und Alois runzelten ihre Stirn.

      »Kupyansk ist eine Stadt in der Ukraine«, klärte die Kasbauer sie auf. »Sie stellen dort Schinken, Salami und Pasteten her. Seit ein paar Jahren auch Weißwürste, Wienerle und Nürnberger Bratwürste. Und das alles zu einem wesentlich günstigeren Preis als die hiesigen Großbetriebe.«

      »Aber Sie dürfen Weißwürste nur dann Münchner Weißwürste nennen, wenn sie tatsächlich in München hergestellt werden.«

      »Das ist richtig. Das hatte der Helmut am Anfang auch noch falsch gemacht und eine Abmahnung kassiert. Nun steht auf der Speisenkarte Weißwürste Münchner Art und Rostbratwürste. Der Begriff Wienerle ist nicht geschützt.«

      »Und