Axel Birkmann

Blutiges Freibier


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dass sie ihr Haus verkaufen wollte oder musste.

      Melanie Schütz und Alois Kreithmeier stellten sich kurz vor. Die Frau zuckte kein bisschen, als sie den Grund des Besuchs erfuhr. Es schien fast sie, als habe sie damit gerechnet.

      »Bitte kommen Sie herein. Mein Mann ist auch da. Wir werden gerne Ihre Fragen beantworten. Bitte, Kommen Sie mit, folgen Sie mir ins Wohnzimmer.«

      Alois und Melanie gehorchten. In einem geräumigen Wohnzimmer mit Essecke und offener Küche, dessen Glasfront direkt auf einen kleinen Garten zeigte, nahmen sie in einer gemütlichen Sitzecke platz. Wie auf Kommando erschien Herr Sandholzner im Raum. Ein groß gewachsener Mann, Mitte fünfzig, braune volle Haare, ein markantes sonnengebräuntes Gesicht, schmale Lippen und blaue Augen. Er trug schwarze Jeans, ein weißes Polohemd und seine Füße steckten in spanischen Espadrilles, leichten Sommerschuhen aus Leinen. Ein freundlicher Mund begrüßte die Gäste höflich.

      »Kriminalpolizei? Sie kommen sicher wegen dem Mord am Helmut Wirth. Stimmt doch, oder?«

      Alois nickte. »Ja! Sie haben Recht, Herr Sandholzner.«

      »Wie können wir Ihnen da helfen?«

      »Vielleicht schildern Sie uns mal, wie Ihre Beziehung zu dem Toten war oder besser gewesen ist.«

      Herr und Frau Sandholzner hatten sich zusammen auf das Sofa gesetzt. Sie hielt seine Hand fest in der ihren als sie dem Kommissar antwortete.

      »Von einer direkten Beziehung können wir wohl nicht sprechen. Wir waren Konkurrenten oder Mitbewerber, wie das jetzt auf Neudeutsch heißen soll.«

      Melanie sah die Frau eindringlich an: »Wie kann ich das verstehen?«

      Herr Sandholzner antwortete: »Wir betreiben das gleiche Geschäft: Catering und Festzeltbetrieb. Auf den meisten Volksfesten lagen wir im Mitstreit um die Vergabe der Genehmigung des Festzeltbetriebs. Wir beide hatten mit dem Wirth so eine Art ungeschriebene Vereinbarung. Freising und alles links von der Autobahn A 9 war unser Revier, bis hin nach Dachau, Pfaffenhofen und Ingolstadt. Alles rechts von der Bundesstraße B 301 war dem Helmut sein Revier. Von Moosburg bis nach Deggendorf. So kamen wir uns im Großen und Ganzen niemals in die Quere. Nur der feine Herr konnte den Hals nicht voll kriegen und so machte er uns Freising streitig.«

      »Er brach Ihre Vereinbarung?«, wollte Alois wissen.

      »Ja, das tat er.«

      »Und so bekamen Sie für 2012 keinen Zuschlag fürs Freisinger Volksfest, obwohl Sie über zehn Jahre diesen Platz mit ihrem Zelt innehatten. Zehn Jahre ganz ohne Konkurrenz? Klingt fast wie ein Kartell«, fasste er zusammen.

      »Richtig, über zehn Jahre«, gab Sandholzner kleinlaut zu.

      »Was aber nicht heißen will, dass sie den Zuschlag jedes Jahr automatisch bekamen?«, fragte Melanie.

      Herr Sandholzner räusperte sich. »Nein, wir mussten jedes Mal durch die Ausschreibungsparagraphen des Ordnungsamtes und die Genehmigung des Stadtrates. Aber das war nie ein Problem für uns.«

      »Und warum dann diesmal nicht?«, hakte Melanie nach.

      »Das müssen Sie die Herrschaften im Rathaus fragen«, fügte Frau Sandholzner hinzu. »Im Ordnungsamt sitzt ein neuer Leiter. Seit einem Jahr. Und der hat uns diesmal abgelehnt.«

      »Diese Ablehnung ist ähnlich einer Präjudiz«, sagte ihr Ehemann, »das geht dann unverblümt an den Stadtrat und der nickt nur noch. So auch dieses Jahr.«

      »Und so haben Sie also dieses Jahr keinen Zuschlag bekommen. Der Neue, wie Sie ihn nennen, war Ihnen beiden nicht gesonnen. Kein Amigo?«

      Die beiden Sandholzners sahen sich an, sagten aber kein Wort. Nur mit einem kurzen Kopfnicken bestätigten sie Melanies Vermutungen.

      Melanie sah es, reagierte aber nicht darauf und schaute aus dem Fenster. Sie blickte auf die Straße auf die Holztafel des Immobilienunternehmens. Sie drehte sich wieder ihren Gastgebern zu und fragte sie plötzlich: »Warum wollen Sie eigentlich Ihr Haus verkaufen?«

      Die beiden Sandholzner stutzten. Es dauerte etwas, bis einer von ihnen die Sprache wieder gefunden hatte. Herr Sandholzner antwortete: »Erstens, weil man uns unseren Umsatz durch diese Entscheidung gewaltig gekürzt hat und zweitens, weil wir der Stadt Freising den Rücken zu drehen wollen. Wir wollen ganz einfach weg von hier.«

      »Und das alles wegen dem Freisinger Volksfest?« Melanie sah ihn dabei eindringlich an.

      Herr Sandholzner schaute sie finster an.

      »Ja! Wir haben uns nichts zu Schulden kommen lassen, haben all die Jahre die Forderungen der Freisinger Brauereien ohne uns zu wehren hingenommen, haben einen guten Service geboten und Produkte aus der Region vertrieben, was man seit diesem Jahr ja wohl nicht mehr sagen kann.«

      Alois schüttelte seinen Kopf.

      »Wie darf ich das verstehen? Forderungen der Brauereien? Produkte aus der Region?«, fragte er ahnungslos.

      »Jedes Jahr müssen wir Bier aus den beiden Freisinger Brauereien ausschenken. Jeder will der Beste sein. Einen lokalen Bierkampf könnte man das auch nennen. Die ersten fünf Tage vom Hofbrauhaus. Die letzten fünf Tage von der Staatsbrauerei Weihenstephan. Und die Maß soll nicht teuer sein, nicht so wie in München auf der Wiesn. Dieses Jahr liegt der Bierpreis in Freising bei 6,30 Euro die Maß. In Dachau sogar noch darunter. Und die Brauereien erhöhen trotzdem jedes Jahr ihre Preise. Da bleibt beim Bier nicht viel hängen.«

      »Dann aber beim Essen?«

      »Wenn man nicht regional einkauft, ganz sicher.«

      »Wie bitte?«

      »Na, wenn die Fleisch- und Wurstwaren jetzt aus Polen und der Ukraine kommen, kann man das ja wohl nicht mehr regional nennen.«

      »Woher wissen Sie das?«, fragte Melanie sichtlich erstaunt. Sie hatte sich genauso wie ihr Kollege verhalten, es dem Paar nicht anmerken lassen, dass sie diese Information schon längst hatten.

      »Wir wissen es einfach. Der Wirth kauft, seit er mit dieser Russin liiert ist, seine Rohstoffe in Osteuropa, zu einem wesentlich günstigeren Preis.«

      »Sie meinen die Olga Bogdanow?«

      »Ja, diese blonde Russin. Sie hat dem Helmut den Geist verwirrt.«

      »Ukraine. Sie stammt aus Kiew. Und das liegt in der Ukraine, nicht in Russland«, korrigierte sie Alois Kreithmeier. Melanie lächelte, als sie das hörte. »Herr Oberlehrer Kreithmeier«, dachte sie.

      »Egal«, schimpfte Sandholzner. »Die Kundschaft wird betrogen. Bayerische Schmankerl vom Schwarzen Meer. Das ist doch krank.«

      »Aber nicht illegal. Wenn er die Lebensmittelvorschriften einhält, insbesondere die korrekte Bezeichnung und in der Speisekarte die Konservierungsstoffe angibt, ist alles rechtens. Apropos, wo waren Sie beide denn am Dienstagabend, so zwischen 23 Uhr und Mitternacht?«

      Frau Sandholzner lachte hysterisch auf. »Sie wollen wissen, wo wir waren. Sie wollen uns doch nicht etwa verdächtigen, den alten Wirth erschlagen zu haben.«

      »Frau Sandholzner, es tut mit leid, aber wir müssen jeder Spur nachgehen .....«

      » .... und da denken Sie, wir tun so etwas, aus Rache, weil er uns das Zelt weg genommen hat.«

      »Warum nicht? Es ist doch eine Möglichkeit. Eine Familie wird finanziell zu Grunde gerichtet. Das ist doch ein einleuchtendes Motiv. Also bitte, wo waren Sie am Dienstagabend, so zwischen 23.00 und 24.00 Uhr?«

      Herr Sandholzner lachte: »Sie werden es nicht glauben, wir waren auf dem Volksfest, im Bierzelt, bei Dolce Vita. Letztendlich ist die Band die letzten 10 Jahre bei uns aufgetreten. Und wir wollten mal sehen, wie so alles funktioniert.«

      »Und hat es funktioniert?« Alois starrte ihn an.

      »Wie man will. Wir haben unserer vietnamesischen Bedienung mit Händen und Füssen erklären müssen, was wir wollen, aber es hat geklappt. Wir haben ein bisschen warten müssen. Die Maß war nicht voll