Axel Birkmann

Blutiges Freibier


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kostet umgerechnet 3 Euro. In Deutschland das fünffache. Und wir kaufen nicht nur in der Ukraine. Unsere Hühner kommen aus Ungarn, der Schweinebraten und die Haxen aus Polen und das Rindfleisch aus Russland.«

      Alois Kreithmeier schnappte sich eine der Speisekarten und überflog die Gerichte. Er fasste es nicht. Fast alle Zutaten für die bayerischen Schmankerl kamen aus dem ehemaligen Ostblock. Die Welt war verkehrt. Globalisierung nannte man so etwas. Er hatte davon in einer Zeitung gelesen. Aber bei Weißwürsten?

      »Das sind zwar alles feine bayerische Spezialitäten, doch die Lebensmittel kommen aus dem Ostblock, wenigstens seit die Bogdanow im Einkauf das Sagen hat«, erläuterte Frau Kasbauer den Sachverhalt. »Und kein Mensch merkt es. Die Qualität ist gut, ich esse es ja auch selbst. Aber der Wareneinstand ist damit drastisch gesunken. Und wir verkaufen ja kein Bio. Wir sind nicht zertifiziert.«

      »Wer weiß alles davon?« Melanie nahm Alois die Speisekarte aus der Hand blickte auf darauf.

      »Der innere Kern, der Wirth Junior, die Olga Bogdanow und ein paar Wenige in der Küche. Am Anfang gab es noch Klagen. Mangelnde Qualität und Fehler in der geschlossenen Kühlkette. Aber jetzt haben Sie es im Griff. Die Osteuropäer lernen schnell dazu. Ich wette mit Ihnen, Sie schmecken jetzt keine Unterschiede mehr. Aber es ist ein gewaltiger Unterschied, wenn sie nur noch einen Bruchteil für die Rohstoffe zahlen müssen, den bemerken sie in der Kasse, nicht auf dem Teller.«

      »Warum erzählen Sie uns das alles, Frau Kasbauer, das ist doch Firmeninternes, das geheim sein sollte. Warum also?«

      »Weil ich der Bogdanow nicht traue. Seit sie mit dem Helmut liiert war, hat sich vieles verändert. Nicht nur im Einkauf auch am Personal. Nur noch billige Aushilfskräfte, vielleicht sogar Illegale, Schwarze, Gelbe, Braune, fast keine Deutschen mehr.«

      »Da ist nichts Verbotenes dran«, klärte Kreithmeier sie auf, »es sei denn die arbeiten ohne Aufenthaltsgenehmigung. Und dafür sind wir nicht zuständig. Wir haben einen Mord aufzuklären. Und wer könnte Ihrer Meinung nach diese Tat begannen haben?«

      Die Kasbauer schaute auf ihre Hände. »Der Helmut war nicht immer einfach. Er saß auf seinem Geld, hat seine Mitarbeiter und Kunden immer aufs Geld warten lassen. Vielleicht ein Lieferant, der sauer auf ihn war? Mit den Osteuropäern war nicht gut Kirschen essen.«

      »Ach Sie meinen, einer der ungarischen Hendlzüchter schlägt dem Helmut Wirth den Schädel ein, weil er die Giggerl noch nicht bezahlt hat?«, fragte Kreithmeier und lächelte spitzbübisch.

      Jetzt blickte Resi Kasbauer den Kommissar mit großen Augen an. Sie wusste nicht, was sie mit dieser Frage anfangen sollte.

      »Vielleicht. Ich weiß es nicht. Ich habe nur manchmal die Typen gesehen, mit denen der Helmut seine Geschäfte gemacht hat. Ich hätte keinem dieser Burschen auch nur eine Mark schulden wollen.«

      »Meinen Sie das waren Mafiosi, ukrainische Mafiosi?«, fragte Melanie die Frau.

      »Was weiß ich. Der Helmut war ein guter Geschäftsmann, das war er, härter und konsequenter wie sein Sohn. Aber auch schrulliger und kauziger. Angenehm und liebevoll ist etwas anderes. Wobei er um seine Olga immer wie ein verliebter Pennäler herumgesprungen ist. Olgaschatzi hier und Olgaschatzi da. Es war manchmal peinlich wie so ein alter Gockel dieser blonden vollbusigen Frau den Hof gemacht hat.«

      »Eifersüchtig?«, feixte Kreithmeier.

      »Wo denken’s denn hin Herr Kommissar. Er tat mir nur leid. Ich glaube, diese Frau hat genau gewusst, auf was sie sich einlässt und sie hat ihn ausgenützt ohne dass er es gemerkt hat.«

      »Hat sie ihn womöglich umgebracht?«, fragte Melanie Schütz.

      »Das Huhn das goldene Eier legt, dem schlägt man nicht den Kopf ab.«

      »Ein weiser Spruch, Frau Kasbauer, aber wenn diese Olga nun alles bekommen würde, wenn er tot ist, das Haus, die Gaststätte, die Immobilien, das Vermögen und den Sohn?«, fügte Melanie hinzu.

      Resi Kasbauer starrte die Kommissarin ernst an. Man sah ihr an, dass sie nachdachte, doch dann stand sie plötzlich auf und drückte den Kommissaren die Hand. »So, ich muss jetzt wieder. Die Arbeit ruft und wartet nicht. Muss ich jetzt noch etwas unterschreiben?«

      »Kommen Sie bitte morgen früh kurz in die Haydstraße. Das sollte bis morgen reichen. Danke auf jeden Fall für Ihre ehrlichen Worte«, Kreithmeier drückte ihre Hand, »dann wünsche ich Ihnen noch viel Spaß heute beim Tag der Landwirte.«

      »Es wird auf jeden Fall wesentlich ruhiger als gestern. Saufen können die Burschen auch. Und raufen. Egal wie alt sie sind. Wir werden es überleben. Ein Bier für Sie?«

      »Nein danke, wir sind noch im Dienst. Vielleicht kommen wir nach Feierabend darauf zurück. Wir werden uns sicher noch einmal sehen.«

      Sie folgten der Frau die Treppe hinunter ins Zelt. Es war voller geworden und die Lautstärke hatte zugenommen.

      »Lass uns schnell gehen«, sagte Alois zu seiner Kollegin. »Gizmo muss mal, und das sollte er lieber nicht im Zelt tun.«

      Sie liefen in Gedanken an das letzte Gespräch am Isardamm entlang. Gizmo entledigte sich an einem Baum und war froh, dass er sich ein wenig die Beine vertreten durfte. Er rannte von Baum zu Baum und zurück zu seinem Herrchen, wobei er vor Freude Melanie und Alois immer wieder zwischen den Beinen hindurch wuselte.

      Alois steckte sich eine Zigarette in den Mund und zündete sie genussvoll an. Die bösen Blicke seiner Kollegin übersah er geflissentlich.

      »Das muss jetzt ganz einfach sein«, sagte er und nahm einen kräftigen Zug, bis der Qualm in seiner Lunge brannte.

      »Ahhhhh. Tut das gut.«

      Familie Sandholzner

      Das erste was den beiden Kommissaren auffiel, als sie im Freisinger Stadtteil Neustift in die Straße einbogen, in denen sich das Einfamilienhaus der Familie Sandholzner befinden musste, war ein rechteckiges Holzschild, das vor dem Eingang eines der Häuser an einem Gestell baumelte. Es war rot, blau und weiß und von einer der ortsansässigen Immobilienfirmen aufgehängt. Quer über dem Schild verliefen in fetter, roter Farbe die Worte: »Zu Verkaufen«.

      Alois hielt seinen Dienst-BMW an und starrte auf die Eingangstür des Objektes. »Das muss es sein. Das Haus, das hier zu verkaufen sein soll, das ist das Haus der Sandholzners«, sagte er und deutete mit dem rechten Arm auf das Schild an der Straße.

      »Das stimmt«, bestätigte Melanie, »die Nummer 7. Das ist es. Und die wollen ihr Haus verkaufen? Warum?«

      »Das werden wir nur herausbekommen, wenn wir hineingehen und sie befragen. Komm, besuchen wir sie.«

      Er schaltete den Wagen aus, zog den Schlüssel ab, wies seinen Hund Gizmo an, auf der Rückbank auf sie zu warten und kletterte aus dem Wagen. Galant wie ein Gentleman öffnete er Melanie die Beifahrertür. »Mademoiselle, wenn ich bitten darf.«

      »Bist du krank?«, kam ein kurzer knuffiger Kommentar, auf den er nicht weiter einging. Er tippte an das Holzschild mit der Telefonnummer des Immobilienbüros. Es fing an leicht zu wippen und quietschte in der Aufhängung. Er sah teilnahmslos zu, wie es sich leicht hin und her bewegte, dann schritt er entschlossen die steinerne Treppe hinauf zur Eingangstür des Hauses und betätigte die Türglocke.

      Kurz nachdem er geläutet hatte, machte ihnen eine Dame mittleren Alters und einem gepflegten Äußerem auf, blickte sie interessiert mit ihren dunkelbraunen Augen an und fragte sie nach dem Grund für den Besuch.

      Es war Frau Sandholzner. Kreithmeier erkannte sie sofort. Er hatte erst vor kurzem ein Bild von ihr im Internet gesehen: in einer Bildergalerie vom letztjährigen Volksfest. Nur hatte sie sich da in ein dunkles Dirndl gezwängt und ihre schwarzen Haare hochgesteckt.

      Diesmal trug sie ein schlichtes, einfarbiges braunes Leinenkleid, das locker ihren Körper bedeckte. Sie hielt ihre Haare offen und schulterlang, war dezent geschminkt und hatte ihre runden Lippen mit einem ockerfarbenen Lippenstift