Lechyd Zdravi

Die schlechtesten Geschöpfe


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»Ich sollte mir meine Brote besser selbst schmieren!«

      »Tja, Schweinefleisch esse ich auch nicht, aber dass du ... Ich meine, man kann sich schlecht vorstellen, dass du ohne Currywurst leben kannst.«

      »Oh, doch. Und wie ich das kann.«

      Murat warf einen Blick auf das finstere Gesicht seines Freundes. Der zottelige Vollbart, der dort zu wachsen begann, betonte nur noch den freudlosen Eindruck, den man von Andy heute bekam. Er hatte eigentlich ein offenes, freundliches Gesicht gehabt. Jetzt konnte man beinahe Angst vor ihm bekommen.

      »Ey, Alter ... Hör mal, es ist ja total super, dass du konvertieren willst und so, aber sieh das bitte etwas lockerer, okay?«

      »Locker? Es steht doch alles ganz klar im Koran und den Hadithen geschrieben! Da gibt es nichts dran zu ruckeln!«

      »Ich hab dir doch schon gesagt, dass vieles nicht genau übersetzt wurde. Und es gibt ungefähr eine halbe Million Hadithe! Nicht alles, was überliefert wurde, ist auch tatsächlich genau so gewesen, wie die Zeitzeugen es erlebt haben wollen. Da haben viele noch was zugedichtet. Guck dir doch an, was da drinnen abgeht.« Murat wedelte mit der Hand in Richtung des Hauses, in dem die Maler gestern noch gestrichen hatten. »Der Alte sagt, im Baumarkt hätte der Mitarbeiter gesagt, Rubinrot passt am besten. Seine Alte behauptet, es wäre Dunkelrot gewesen. Die waren erst gestern da, aber jetzt wissen sie schon nicht mehr, wie die Farbe hieß, die an die Wand gepinselt wurde! Menschen sind halt nicht perfekt. In drei Jahren wissen die mit Sicherheit überhaupt nicht mehr, was sie da an der Wand haben. Oder spiel doch mal ‚stille Post‘. Da siehst du erst, was am Ende rauskommt, wenn ein paar Menschen einen Satz weitergeben sollen. Du nimmst das echt zu ernst!«

      Finster sah Andreas seinen Freund an. »Du bist ja ein feiner Moslem«, brummte er verächtlich und ging zurück ins Haus.

      »Und du machst mir langsam Angst«, murmelte Murat und folgte ihm.

      Nach Hause kommen

       Aus Andreas Ganzigers Tagebuch

      

       Murat hat mich heute gefragt, warum.

       Ausgerechnet ein Moslem fragt mich, wieso ich konvertiere?

       Zuerst war ich auch voller Zweifel. Ich hatte für Religion nichts übrig. Der Buddhismus schien mir ganz okay zu sein. Aber dort gibt es keinen Gott. Der Islam erkennt den Buddhismus nicht an, nur die Religionen der Schrift, also Christentum und Judentum. Trotzdem sind auch das Ungläubige, die sich weigern, den Islam anzunehmen. Sie werden ebenfalls die Bewohner des Feuers sein. Ja, zuerst war ich sehr skeptisch. Und ich dachte, jedem das seine, soll doch jeder glauben, was er will. Aber dann fand ich durch Allahs Gnade an jenem Tag einen Koran in der Straßenbahn. Es war ein Samstag, und in der Innenstadt waren welche verteilt worden. Scheinbar hatte jemand in der Bahn darin gelesen und ihn dann in seiner Dummheit einfach zurückgelassen, weil er nicht verstehen wollte. Metin gab mir später meinen Koran, den mit dem Golddruck, als ich mehr wissen wollte und daher Kontakt zu ihm gesucht hatte. Metin nahm mich auch mit in unsere Moschee. Da drinnen erfüllte mich ein Gefühl von Frieden, Geborgenheit. Zugehörigkeit. Ich habe mich sofort wohl gefühlt.

       Es war, als wäre ich nach Hause gekommen.

       Im Koran habe ich zuerst nur geblättert. Er ist etwas schwer zu lesen, aber wenn man sich darauf konzentriert, geht es schon. Und man kann online nach bestimmten Suren suchen. Auch die Ahadithe findet man im Internet. Ich war sehr überrascht, wie komplex diese Religion ist. Mit fünfmal Beten am Tag und auf Schweinefleisch verzichten ist es nicht getan. Jeder Aspekt des Lebens ist geregelt. Die Suche nach einem Sinn im Leben entfällt sofort. Auch die Frage »mache ich dieses und jenes richtig oder nicht?«, wird beantwortet. Es war eine Erleichterung. Dieser Glaube hat so etwas reines, Sinnvolles. Man lebt so, wie Gott es will. Endlich tut man das Richtige und konzentriert sich mindestens fünfmal am Tag auf Gott. Und man gehört zu einer enorm großen Gemeinschaft. Es ist ein tiefes Gefühl von Frieden und Zugehörigkeit. Man zählt als Mensch, nicht mehr nur als jemand, der die tollsten Klamotten trägt, am besten aussieht oder die meisten Biere trinkt. Mir dröhnte erst der Kopf, weil ich so vieles falsch gemacht hatte, aber durch die Konversion ist man wie neu geboren. Alle Sünden sind vergeben. Ich gehöre jetzt zu denen, die sehen können. Metin hat mir so vieles erklärt … unsere Welt ist eine einzige Lüge, in der die Menschen sich von Propaganda und schlechten Filmen einschläfern lassen. Er zeigte mir solche Filme und Fernsehserien. Ich kannte einiges davon, aber mir war nicht klar, welchen Sinn sie erfüllen.

      „Sieh, was dir da vorgelebt wird. Ehen und Beziehungen sollen sofort beendet werden, wenn es Schwierigkeiten gibt, Kinder erleiden seelischen Schaden, weil ihre Eltern getrennt sind. Sex wird wie eine Wegwerfsache behandelt, du zählst nur noch, wenn du mit möglichst vielen Leuten im Bett warst. Treue, Moral und Glaube gelten als uncool, altbacken, unmodern und werden belächelt oder ausgelacht. Die Familie wird gezielt zerstört, somit die Gesellschaft auch. Die Stabilität ist fort. Bald gibt es nur noch Individualisten, die ganz für sich leben und leichter zu steuern sind. Was ist ein Mensch ohne Familienverband? Schwach und einsam, lenkbar, ohne jede Unterstützung. Dort will der gottlose Staat ansetzen. Ein isolierter Mensch ohne Moral und Werte ist nichts weiter als ein Sklave seiner Regierung. Da Allah dich zu uns gebracht hat, ist all das für dich nun vorbei.“

       Ich hatte endlich etwas gefunden, das größer ist als ich, umfassender. Ich kann mich endlich fallenlassen.

       Metin hat das auch gesagt.

       »Du suchst? Du hast gefunden, Bruder«, sagte er und umarmte mich.

       Murat enttäuscht mich. Gerade er sollte es verstehen. Aber er denkt, ich sehe das alles viel zu eng. Er labert sogar was von Übersetzungsfehlern. Taqquiya will er ausgerechnet bei mir anwenden? Die Botschaft ist doch klar! Wer sich weigert, sie zu lesen, weigert sich, Gottes Gebote anzuerkennen. Unsere Lebensweise ist so falsch ... Gott versteht das, wenn es ihn gibt, hat meine Mutter doch eben tatsächlich gesagt, als ich sie auf ihr Leben angesprochen habe. Dieses Leben ohne Ehemann, Sex mit Fremden, dieses sich zeigen. Sie scheint es toll zu finden, wenn Wildfremde ihren Busen sehen können. Abscheulich! Ist eine Frau nicht mehr als ihr Körper? Der Platz einer Frau ist im Haus, bei den Kindern. Wer außer ihrem Mann sollte ihren Körper sehen dürfen? Jedes Mal, wenn meine Mutter im Minirock und knappen Oberteil auf die Straße geht, stempelt sie sich zur Schlampe und mich zum Schlappschwanz, weil ich sie nicht davon abhalte ...

      Susanne, 31.10. 2016

       Susanne, 31.10.2016

      Susanne Peinig starrte ihren Mann entgeistert an. Das muss ein Traum sein, dachte sie wie betäubt. Ein sehr realistischer Albtraum. Mathias ist doch gar nicht so einer. Und erst gestern hatte er noch mit ihr geschlafen.

      „Jetzt? Du sagst mir das jetzt? Zehn Minuten, bevor wir zu einer Halloween Party gehen, und ich in einem schwarzen Kleid, roter Perücke und albernem Hexenhut hier sitze und mir die Schuhe anziehe?“

      Mathias befeuchtete nervös seine Lippen und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Schweißperlen standen ihm auf der grünen Stirn mit den aufgemalten schwarzen Strichen, die Nähte darstellen sollten, denn er ging als Frankensteins Monster. Susanne hatte ihm eigens für die Party einen alten Anzug ihres Vaters besorgt, der die gleiche Figur besaß, aber etwas kleiner war als sein Schwiegersohn. Wie im Film waren Ärmel und Hosenaufschläge zu kurz. Das perfekte Kostüm für den perfekten Ehemann – nun erzählte er ihr, dass er sich in seine Arbeitskollegin verliebt habe und sie, Susanne, verlassen wollte.

      „Es war ja keine Absicht, dass das passiert ist. Und da es zwischen uns nicht mehr läuft …“

      „Da gehören immer zwei zu. Na klar läuft es zwischen uns nicht mehr so wie am Anfang. Immerhin sind wir schon elf Jahre zusammen. Und hör mir mit Absicht auf! Entweder man lässt so etwas zu, oder eben nicht. Du hast