Jörg Gugel

Mephisto


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seiner Knochen schien zu brennen. Er klaubte seinen schwarzen Mantel auf und zog sich an. Chutriel beobachtete ihn dabei, fast sehnsüchtig.

      „Was schaust du so?“, blaffte Mephisto ihn an.

      „Ach, ich bewundere deinen Körper ein bisschen. Aber du willst ja nicht…“

      Nein, will ich nicht, dachte sich der geknechtete Teufel. Dafür hasste er den Bestrafer zu sehr.

      Chutriel, eine kurze Zeit etwas gedankenverloren, ging wieder zu seinem normalen Wesen über: „Jetzt beeil dich, du Faulpelz! Du hast Arbeit zu erledigen, die du wieder gebührend vermasseln kannst!“

      „Mach´s doch besser, du Idiot!“

      Ein bellendes Lachen und schon war der Bestrafer aus dem Kerker geschritten.

      „Guten Morgen, mein Süßer!“

      Hel war wieder einmal viel zu gut gelaunt. Doch nicht nur sie erfreute sich eines optimistischen Entgegentretens auf einen neuen Tag. Nein, alle verflixten Dämonen, ob nun Teufel oder nicht, machten ihre Späße zusammen. Hoch gesottene Wesen von Mysellis Mawor, die mit blauem Blut und einem goldenen Löffel im Gesäß auf die Welt kamen, lachten ausgelassen zusammen und tratschten blöde.

      Nur nicht Mephisto.

      In dem gemütlichen Gemeinschaftsraum, erleuchtet und erwärmt von dem prasselnden Feuer, fanden sich alle Schlossbewohner nach und nach ein, um noch vor den Lasten ihres arbeitsreichen Tages miteinander zu reden und wach zu werden. Denn der Tag an sich war schon beschwerlich genug.

      Als der junge Teufel in den Raum trat und sich von Hel zur Begrüßung hatte umarmen und küssen lassen, blickte Sepherion auf und lachte auf seiner unwiderstehlichen Weise.

      „Na, mein Freund, eine schöne Nacht gehabt?“, fragte er.

      „Na, mein Freund, heute schon eine auf die Fresse bekommen?“, antwortete Mephisto verdrießlich.

      Sepherion schmunzelte sachte: „Gut gelaunt, wie immer. Ach übrigens“, er setzte auf einmal eine ernste Miene auf: „Beelzebub ist immer noch nicht aufgetaucht. Ich denke, dass es heute deine Aufgabe ist, ihn wieder zurückzuholen!“

      Mephistos Kopf ruckte nach oben: „Was? Wieso ich?“

      „Irgendjemand muss es tun. Satan wird schon wütend auf den Kerl, noch mehr als normalerweise auf dich!“ Diese Tatsache schien ihn zu beeindrucken.

      „Ja, aber warum ausgerechnet ich?“, empörte sich Mephisto.

      „Wir haben unsere Aufgaben schon abgeholt. Wir alle, außer dir! Und bei uns stand nicht auf dem Zettel, dass wir ein rotes, unfähiges Ungetüm einfangen sollten. Dreimal darfst du raten, wer dann noch übrig bleibt! Tut mir wirklich Leid für dich, mein Freund“, schloss er. Und man sah ihm an, dass dies ernst gemeint war.

      Der junge Teufel verdrehte mürrisch seine Augen. Wie er diesen Morgen jetzt schon hasste!

      Beelzebub, dieses unfähige, hässliche, dumme Etwas von einem Teufel war nach Satan das älteste, noch existierende Mitglied der Höllenwesen, auch wenn man das kaum glauben konnte. Denn er war ein Trampel, absolut zu nichts zu gebrauchen und selbst seine Hauptaufgabe, das Schlagen und Quälen von sündigen Menschen, musste von Chutriel ergänzt werden, da es dem Tölpel an Ideenreichtum mangelte. Das Schlimmste war, dass er an Mephistos Fersen hing, wie ein treudoofer Zerberus, weil der junge Teufel ihn als einzigen einigermaßen als das respektierte, was er eigentlich sein sollte: ein wertvolles Mitglied der Hölle! Obwohl er dies auch schon lange nicht mehr tat. Sein einziger Fehler war jedoch, dass er es einmal getan hatte! Und Beelzebub dankte einem sein Leben lang.

      „Umpff“ Mephisto bekam schon Kopfschmerzen, wenn er nur daran dachte, wie er sich selbst immer wieder ein Bein nach dem anderen stellte.

      „Und wo soll ich diesen Idioten finden?“, fragte er unwirsch an Chutriel gewandt, der gerade die Treppe hinab gestiegen war. Denn neben seiner Aufgabe der Bestrafung verteilte dieser die Aufgaben an die verschiedenen Teufel und betraute schließlich den Steingötzen mit der Übermittlung.

      „Stell dich nicht so an, das wirst du wohl selbst herausfinden können!“, fuhr er auf, nachdem er die Überraschung überwunden hatte, aus heiterem Himmel angeraunzt zu werden und schließlich ärgerlich geworden war.

      Mephisto erhob sich schweigend, wenn auch innerlich fluchend von seinem gemütlichen Sessel, seufzte ins Feuer und schlurfte lustlos den dunklen Gang entlang, der zu der riesigen Pforte von Mysellis Mawor führte. Dort würde er von dem hässlichen Gargoyle seine Aufgabe entgegen nehmen, die er nun schon kannte.

      „Mephisto Dantoteles“, sagte er teilnahmslos, als er vor dem Steingötzen stand, der ihn auffordernd anstarrte. Dieser kramte schließlich in dem Schlüsselloch unter sich nach dem Zettel.

      „Ah ja, soso, hier haben wir ihn haben wir! Der Teufel Mephisto Dantoteles, der Teufel der Verzweiflung, Mephisto, hat die Aufgabe sich heute, zu jenem Tag, die Pflicht, den Teufel, einen der Höllendiener namens Beelzebub Asmodis, den Teufel der Schmerzen, zu finden, aufzusuchen, zu erhaschen und hier, in dieses Schloss, hierher, wieder herzubringen und hier abzuliefern!“

      „Oh, Freude“, entglitt es dem jungen Dämon.

      „Viel Spaß wünsch ich, viel Vergnügen“, grinste der hässliche Steingötze und war wieder zu Stein erstarrt, um einer bissigen Erwiderung zu entgehen.

      Der Teufel rieb sich die Stirn und dachte mit geschlossenen Augen angestrengt nach.

       Wo finde ich diesen verdammten Versager? Wie fange ich an?

      Das Reich der Unterwelt war ja nicht gerade klein. Und er vermutete, dass Beelzebub sich nicht in der Welt der Lebenden befand.

      Eine plötzliche Eingebung sagte ihm, dass er zuerst nach Kytkeria gehen musste. Denn dort, in der zweitgrößten Dämonenstadt, hörte man viele Gerüchte, wenn man wusste, wo man Fragen stellen sollte. Und manch dieser Gerede waren am Ende nahe an der Wahrheit.

      Mephisto öffnete seine Augen, durchschritt die schwere Pforte des Schlosses, die beim Öffnen jahrhunderte alt knarzte und verschwand abermals in einem Odem des Feuers.

      Kytkeria war eine große Stadt. Und sie war im Gegensatz zu Alborqu nicht schäbig, sondern durchaus bewohnbar, mit großen Häusern und Wohnanlagen, auch für Dämonen, die nicht ganz so viel Geld hatten, aber doch genug, um nicht in einem verseuchten Rattennest zu leben, wie es die dritte Stadt der Unterwelt war. An dem gepflasterten Weg drängten sich Pubs und Geschäfte für tägliche Erledigungen. In der Ferne, an einem felsigen Hügel, sah man die voluminöse Festung des Stadtfürsten Heros, einem Byklopen, der hinten und vorne am Kopf jeweils ein Auge besaß und um die vier Meter maß. Mephisto wusste von ihm, dass er gerne in die Arena ging, um dort seine Muskeln zu stählen. Und man wusste auch, dass die Kämpfe dort tödlich enden konnten, was einige Trolle, Orks, Goblins, Minotauren und sonstige schwarzen Kreaturen nicht daran hinderte, trotzdem daran teilzunehmen – nicht zuletzt, weil man dort neben Ehre und Achtung eine Menge Gold verdienen konnte.

      Es ist ein ewiger Fluch der Toren, dem Geld nachzujagen. Denn während man in Kytkeria unbeschwert seine Existenz auslebte und durch Schweiß und Fleiß seinen Unterhalt verdiente, war man in Mysellis Mawor von Ketten aus Gold und Edelsteinen gefesselt.

      Mephisto, dem dieser Gedanke einerlei war, hatte in Kytkeria eine Stammkneipe, auch deswegen, weil Morgus dort des Öfteren einkehrte, um über den Blutdurst zu trinken. Und diese Kneipe mit den Namen Grapeviner war ein Garant für alle Gerüchte, die sich in letzter Zeit in der dunklen Welt verbreitet hatten. Der geeignete Ort also, um seine Suche zu beginnen.

      Als er eintrat, war bereits eine rege Stimmung zugange: Hinten, neben der Bar, prügelte sich ein Kampfgoblin mit einem Blutsauger, dem eben jenes in Masse aus seinen Nasenlöchern spritzte. Als der junge Teufel näher hinsah, erkannte er, dass es sich hierbei nicht um Morgus handelte und kehrte der Schlägerei den Rücken zu, um sich auf einen freien Stuhl an einem Tisch mit nur einem weiteren Gast – einem Zombie – niederzulassen.

      „Guten Morgen“,