Jörg Gugel

Mephisto


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am oberen und unteren Ende aus der Wand ragten und seine Schritte verfolgten, als würden sie ihn zur Eile ermahnen.

      Er sah kurz aus einem der hohen Turmfenster. Die Sonne schien hier nicht. Das war nicht möglich.

      Stattdessen schwebte eine purpurne, mystische Wolke hinter dem kalten Stein und umkreiste das Schloss in ihrer geheimnisvollen Bahn. Unten an der Treppe hing ein Geländer tief über dem Boden und wie immer stieß er, abgelenkt durch seinen gedankenverlorenen Blick zu dem stetigen Begleiter des Herrenhauses, mit seinen Hörnern dagegen, taumelte kurz und fluchte schließlich.

      Hinter sich hörte er Gelächter.

      „Sag bitte nichts, Sepherion“, knurrte er mit schmerzverzerrtem Gesicht.

      „Das fällt schwer, mein Freund“, antwortete der andere vergnügt. Dieser rieb den letzten Rest Schlaf aus seinen Augen und war bald an seiner Seite. Bein an Bein marschierten sie hinunter, den dunkel glänzenden Onyxboden entlang, dessen Spiegelungen spielerisch an den dunklen Wänden tanzten und erreichten schließlich das Foyer mit seinen hohen, majestätischen, mit blutroter Seide gepolsterten Lehnstühlen, auf denen sie sich mit tiefen Seufzern niederließen.

      Sepherion hatte langes, schneeweißes Haar, ein markantes Gesicht mit hohen Wangenknochen und stahlgrauen Augen. Er trug ebenso einen schwarzen Mantel, doch mit silbernen und verschnörkelten Verzierungen. An seinen Fingern trug er juwelenbesetzte Ringe. Doch das Auffälligste an ihm waren die langen, dünnen Hörner, die aus seinem weiß glänzenden Haar zu wachsen schienen.

      „Nun, mein Freund, hat dir die Nacht in deinem harten Bett Erholung gebracht?“, fragte er.

      „Wie immer!“

      „Dann wohl eher nicht?“

      „Wie bereits erwähnt – nein!“

      Sepherion lächelte traurig. „Du erregst mein Mitleid! Aber ich bin sicher, dir könnte es besser ergehen, wenn du endlich aus deinen Fehlern lernst!“

      Der andere schüttelte langsam den Kopf: „Das ist ein Teufelskreis…“

      „Wie passend für uns…“

      „…man bindet mich an diese Fesseln, lässt mich auf Knien verharren und missgönnt mir meine Erholung!“ Sein Blick wurde stumpf. „Des nächsten Tages verlangt man von mir ungebrochenen Gehorsam und rügt mich für vorkommende Fehler, die mir wegen meiner abgrundtiefen Erschöpfung widerfahren. Dafür bestraft man mich erneut und kettet mich fest, lässt mich auf Knien verharren und nicht zur Ruhe kommen. Wieder und wieder…“

      Sepherion schüttelte bedauernd den Kopf. „Ach, mein Freund, ich wünschte, ich könnte dir helfen, doch kann ich schließlich nicht zu unsern Herrn Satan vortreten und von ihm verlangen, von deiner Bestrafung abzusehen. Zumal Chutriel…“

      „… davon gar nicht begeistert wäre – ja, ich weiß“, unterbrach er ihn unwirsch.

      So saßen sie beide nebeneinander und schwiegen für ein paar Minuten, bis die anderen Schlossbewohner ebenfalls die breite, reich verzierte Treppe hinunter kamen. Er beobachtete eine Zeit lang, wie sie sich miteinander unterhielten, tiefe Ermattung in ihren Gesichtern aufweisend – jedoch trotzdem ausgeruht – und erhob sich schließlich. „Ich denke, ich hole mir meinen heutigen Auftrag ab. Schließlich erfüllt dieser sich nicht eigenmächtig“, erinnerte er sich an Chutriels Worte.

      „Wohl wahr, wohl wahr“, erwiderte Sepherion nur und gähnte.

      Ja, er durfte wieder gehen und sich seine Aufgabe abholen, die – da machte er sich nichts vor – zu einem beschwerlichen und hindernisreichen Weg führen würde. Während er den steinigen Korridor mit nacktem Fels entlanglief, erinnerte er sich an die Hürden, die man ihm bisher auferlegt hatte.

      Einmal musste er mit Shazgiem, den Stadtherren von Alborqu, eine Volkszählung machen. Er schauderte, wenn er nur daran dachte: Shazgiem, ein ekelhafter, fetter Goblin, wusste die Vorzüge einer gepflegten Erscheinung nicht im Mindesten zu würdigen. Natürlich war er ein Dämon, daher konnte er Wasser nicht berühren ohne sich zu verletzen. Aber die Flüssigkeit, die im Fluss Tua-Kail floss, war durchaus eine Möglichkeit, seinen Körper zu reinigen. Das interessierte den Stadtherrn aber nicht! Seine moosgrünen Zähne, seine fleckige, keimige Haut und vor allem der Gestank, der ihm aus dem verfaulten Maul und etwaigen anderen Körperöffnungen drang, verschlugen einem den Atem. Sein Begleiter musste all seine Beherrschung aufbringen, um sich weder die Nase zuzuhalten – was einen unschicklichen Anblick gezeigt hätte -, noch durfte er seinem innersten Bedürfnis folgen und diese von Dreck und Pest beherrschte Stadt noch mit seinem Erbrochenen ergänzen. Er verzog stets das Gesicht, wenn er dem Stadtherrn zu nahe gekommen war und seinen Hauch des Todes eingeatmet hatte. Shazgiem musste allerdings leider irgendwann niesen und erwischte seinen Helfer mitten im Gesicht, das Augenblicklich schwarz wurde. Ein Teufel war schließlich auch ein Dämon, der mit jeglicher Berührung von Wasser gepeinigt wird. Dafür hatte er ihm nach allen Regeln der Kunst Feuerschwämme um die Ohren gehauen und wurde letztendlich bestraft, weil er einen Dämon verletzt hatte.

      Mission gescheitert!

      Ein anderes Mal musste er das Reich der Erddämonen betreten, um ein Gespräch mit dem schlammigen König namens Chachta zu führen, der den Teufeln die Baustoffe für Satans Schloss schickte. Er hatte sich anfangs mit dem König sehr gut verstanden und war von ihm in dessen Reich herumgeführt worden. Der Herrscher zeigte ihm einige interessante Dinge und forderte den Gesandten auf, sich deren kunstfertigen Gebäude und Schlösser anzusehen. Dieser kam der Aufforderung auch gerne sofort nach. Allerdings erwischte ihn schließlich ein Ladung Matsch am Kopf, er wollte sich mit Feuer reinigen und zerstörte damit ein paar dieser herrlichen Bauwerke. Chachta war außer sich vor Zorn und versprach, dass Satan nie wieder auch nur einen Kieselstein von ihm zu erwarten hätte, da er es wohl für nötig hielte, ihm einen Tollpatsch zu schicken, der seine Stadt verschandelte.

      Wenn er daran dachte, schmerzte ihm immer noch das Trommelfell. Der Höllenfürst war sehr laut geworden und hatte einige, unschöne Dinge zu ihm gesagt, von denen „Nichtsnutz“ und „Trampel“ noch sehr harmlose waren.

      Es war ja nicht so, als würde er nicht versuchen, es seinem Gebieter Recht zu machen, allerdings kam immer eine Kleinigkeit und vermasselte seine bis dahin tadellos durchgeführte Arbeit. Ein Teufel, wie er es war, hatte perfekt zu sein. Bis zum Erreichen seiner Perfektion waren ihm Vorzüge wie Nachtruhe und ein weiches Bett verwehrt. Daher hatte er auch schon eine Ewigkeit nicht mehr geschlafen.

      Er erreichte die Gestalt eines hässlichen Steingötzen, die als Türklopfer an dem Schlosstor hing und fragte sich nicht zum ersten Mal, warum man einen Türklopfer an der Innenseite eines Schlosstores befestigte. Er packte jedoch den Hebel und ließ ihn kräftig gegen das Holz krachen. Augenblicklich erwachte der Steingötze zum Leben, grunzte laut und rief: „Nicht so fest, so nicht!“

      Er wartete.

      Der Türklopfer schaute ihn einige Zeit lang noch verdrießlich an, dann schnarrte seine steinige Stimme: „Name?“

      „Das weißt du genau, du hässlicher Gargoyle!“

      „So steht es steht nun einmal so im Protokoll geschrieben einfach…Also, nun, wie lautet dein Name, nun für das Protokoll?“

      Der Teufel blickte ihm kurz mürrisch entgegen, dann antwortete er entnervt:

      „Mephisto Dantoteles!“

      Mephisto wartete, bis der Türklopfer ein Zettel aus dem Schlüsselloch unter sich herauskramte der kurz darauf schaute und verkündete: „Mephisto Dantoteles wird heute zu dieser Zeit, heute, einen Rundgang mit Senta, dem Tod, Senta eben, einen Rundgang machen. Ihn begleiten wird mitgehen der Engel im Range Erzengel Michael, der Erzengel!“

      „Kannst du nicht endlich mal mit dieser ständigen Wortwiederholung aufhören? Wenn du die Sprache unserer Generation benutzt, reicht es, wenn du die Worte einmal sagst!“, murrte der Teufel.

      „Ich spreche die uralte Sprache, sehr alt. Satan und seine Teufel und Satan vor eurer Generation die Teufel sprachen sie!“

      „Ja,