Holly B. Logan

Ein aufgeschobener Kuss


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Sie trug ein Latex-Kleid, das perfekt saß und oberhalb der Knie endete, so dass es genug von ihren gebräunten Beinen freigab. Janine musterte sie, wie zuvor der Türsteher, von oben bis unten. "Dein erstes Mal?", fragte sie und grinste.

      Lara, die überlegte, ob diese Janine ein Mann oder eine Frau war, wusste nicht, was genau sie mit dieser Frage meinte. Dass sie das erste Mal in so einem Club war? Darauf müsse sie unweigerlich mit Ja antworten, aber Lara war zum Antworten zu abgelenkt von den Leuten, die halbnackt hinter dem Vorhang erschienen, sich von Janine ein Bändchen um das Handgelenk binden ließen und in einem Separee verschwanden, dessen Eingang so unscheinbar hinter der Garderobe war, dass Lara ihn zuvor gar nicht gesehen hatte.

      "Fühl dich wie zuhause!", rief die Frau im Latex-Kleid Lara nach, während Nancy sie zärtlich durch den dunklen Vorhang schob.

      Hinter dem Vorhang wartete eine andere, für Lara neue Welt. Es war eine Welt, die ihr auf den ersten Blick bizarr und unwirklich erschien, sie aber vom ersten Augenblick an faszinierte.

      Der Club befand sich in einer Lagerhalle. Es war heiß und stickig, dass sie das Gefühl hatte, die Luft in Scheiben schneiden zu können. In den Ecken hingen lange blumenberankte Schaukeln von den Decken. Darauf saßen mehrere Frauen. Und darunter stand eine Traube Männer unterschiedlichen Alters, die ihnen unauffällig unter ihre Röcke schauten. Die Tanzfläche war gut gefüllt, aber nicht voll, Lara erschrak im ersten Moment, als sie zwei Typen in einer Ecke sah, die tanzten, wie Gott sie schuf - nackt. Jetzt starr da gefälligst nicht hin, ermahnte sie sich selbst. Auch wenn sie in Sachen Sex ein wenig verklemmt wirkte, war sie es nicht. Obwohl die beiden Typen es offensichtlich genossen, dass man ihnen beim Tanzen zuschaute, wirkten sie nicht unsympathisch. Lara hatte gedacht, dass es in derlei Etablissements leicht schmierig und ein bisschen ekelhaft sei, aber nichts von dem konnte sie feststellen, außer, dass ihre Meinung ein Klischee war, das gerade in sich zusammenfiel.

      Das Ambiente war angenehm, der Club geschmackvoll eingerichtet. Obschon viele der Gäste spärlich bekleidet waren, hatte ihr Auftreten nichts Anstößiges – im Gegenteil. Es schien, als hätten sie sich bei der Wahl ihrer Outfits viel Mühe gemacht. Es gab nichts, was es nicht gab. Einige trugen Lack- oder Lederhosen, die an bestimmten Körperöffnungen ausgeschnitten waren, andere Clubbesucher hatten Kostüme an und wieder andere trugen elegante Abendgarderobe.

      Die Musik war eine Mischung aus Elektronik und Pop. Lara glaubte, sogar eine abgewandelte Version von Jean Michel Jarre zu erkennen. Und gelegentlich, zwischen den Drum 'n' Bass-Beats, ertönten sanfte Piano-Klänge, ähnlich denen von Fiona Joy Hawkins oder George Skaroulis. Und Skaroulis, den liebte Lara seit dem Tag, an dem sie ihn das erste Mal im Auto ihrer Freundin Trudy Baker gehört hatte. Trudys Mutter war kurz zuvor mit dem Wagen ihrer Tochter unterwegs und hatte eine CD im Autoradio vergessen. Während Trudy sich über das angebliche Schlaftabletten-Gedudel ihrer Mutter mokierte, war Lara sofort Feuer und Flamme.

      "Ich organisiere uns jetzt erst mal was zu trinken", sagte Nancy, die Lara bewusst einen Moment Zeit gelassen hatte, um die Atmosphäre auf sich wirken zu lassen.

      Lara nickte und setzte sich auf einen der Podeste, von denen man nicht nur die Tanzfläche, sondern die ganze Location besser im Blick hatte. Obwohl sie den ersten Schock überwunden hatte, kam sie sich komisch vor. Wie sie es auch drehte und wendete, sie kam sich vor wie ein Spanner. Sie musste sich regelrecht konzentrieren, den Mund zuzumachen. Ständig ertappte sie sich, wie ihr die Kinnlade runterklappte. Neben der Tanzfläche waren Liegewiesen mit flachen Tischen, die sie an die Einrichtung japanischer Restaurants erinnerten. Von ihrer Empore aus konnte sie nicht nur erkennen, dass die Leute sich dort miteinander unterhielten und den einen oder anderen Cocktail schlürften, sondern auch, wie sie sich in den Armen lagen und sich küssten. Männer küssten Frauen, Frauen küssten Männer und Frauen Frauen. Und dazwischen erblickte sie einen etwa Siebzigjährigen, sehr behaarten Mann, der ihnen bei ihren Flirtereien vom Rande der Liegewiese zuschaute und offensichtlich unter der Jacke, die er über seine Hose gelegt hatte, masturbierte. Das war zu viel! Lara ergriffen Fluchtreflexe.

      Sie drehte sich um und sah aus dem Augenwinkel in dem Separee, das ihrem Podest am nächstgelegenen war, einen androgynen Mann mit einer schwarzen Maske. Er hatte eine Leine um den Hals und kniete wie ein Hund vor einer korpulenten Frau, die ebenfalls eine Maske trug. Während er ihre Füße küsste, setzte sie etliche Male die Rute an und ließ sie über den Po des Mannes zucken. Lara stieß einen stummen Schrei aus. Das, was sie sah, entsetzte und faszinierte sie gleichermaßen. War sie etwa erregt? Nein, auf keinen Fall! Von ihr aus könnten sie sofort gehen. Aber irgendwie löste dieser Club auch etwas in ihr aus, dass ihr nicht unbekannt war, etwas, das tief unter ihrer eher konservativen Sexualität verborgen lag. Vielleicht hatte Nancy recht, wenn sie sagte, dass Lara viel zu verkopft sei und sich endlich fallenlassen sollte. Und jetzt, wo sie all diese leidenschaftlichen Menschen sah, musste sie sich eingestehen, dass sie diese um ihren Mut beneidete. Ja, sie war eifersüchtig darauf, dass es Frauen gibt, die kein Problem damit haben, in aller Öffentlichkeit andere Frauen zu küssen. Die es sogar genossen, wenn man ihnen dabei zuschaute.

      In Lara kam ein Gefühl hoch, dass sie so nur bei ihrem allerersten Mal hatte. Und das, obwohl sie durchaus wusste, wie sich guter Sex anfühlte. Und guter Sex, das hatte wenig mit auf dem Bett verteilten Rosenblättern und Kerzen zu tun, aber dennoch hatte sie den Eindruck, die vielen Reize, die auf sie einströmten, nicht in ihrer Gänze erfassen zu können.

      Alles war neu, aufregend, unwirklich. Sie fühlte sich überfordert, unerfahren und grünschnäbelig. Nicht, dass sie der Sex mit Nick langweilte, aber Nick war immer sehr dominant. Lara stellte sich vor, wie es wäre, wenn plötzlich ein Fremder vor ihr stünde und sie zum Tanzen auffordern würde. Natürlich würde sie Nein sagen, aber der Gedanke daran sorgte für einen Kick in ihrem Körper. Das Gute an diesem Club war offensichtlich auch, dass es keinerlei aufdringliche Menschen gab. Man wurde weder von der Seite angemacht, noch belästigt, und das, obwohl jeder zweite Gast aus demselben Gründen dort war – Voyeurismus, Neugierde, Lust. Ausgenommen Lara. Die wollte, wie gesagt, nur mal wieder das Tanzbein schwingen und sich von Nick ablenken. Und nun war sie in diesem "Lovelight" gelandet – inmitten hunderter Halbnackter. Je länger sie jedoch der Musik lauschte und die Leute beobachtete, desto mehr fesselte sie dieser Laden. Herr im Himmel, wo blieb Nancy bloß so lange?

      Der Club wurde langsam voller. Laras Blick fiel auf zwei Frauen um die Dreißig mit langen Haaren, beide trugen die gleichen Tanktops und tanzten eng miteinander. Gierig huschten ihre Zungen über den verschwitzten Hals der jeweils anderen. Der Anblick sorgte unverzüglich für ein Kribbeln in ihrem Bauch. Andererseits wurde es ihr wirklich langsam zu viel. "Wenn ich mir einen Erotikfilm anschauen wollte, hätte ich das auch zuhause machen können", flüsterte sie vor sich hin.

      3. Kapitel

      "Na, wie sieht’s aus?", sagte Nancy und hielt Lara ein Glas Sekt vor die Nase. "Beobachtest du die beiden Hasen dort schon lange?" Sie zeigte auf die Frauen auf der Tanzfläche und lächelte verschmitzt. "Die hab ich schon öfter gesehen. Ziehen immer ne Mega-Show ab!"

      "Aha", sagte Lara. Sie musste Nancy nichts vorspielen, indem sie beispielsweise versuchte, unbeeindruckt zu wirken. "Hier ist ja ganz schön was los, mein lieber Herr Gesangsverein", kicherte sie etwas schüchtern. "Meinst du, es gibt hier auch Leute, die einfach nur zum Tanzen herkommen?"

      "Natürlich, was denkst du denn? Es ist ja nicht immer gleich so, dass es jeder mit jedem treibt und hier Wildfremde übereinander herfallen."

      "Also sind die Zwei ein Paar?" Lara zeigte wieder auf die beiden Frauen, die auf der Tanzfläche ihre Becken aneinander rieben.

      Eine kleine Traube Männer stand um sie herum und schaute ihnen zu, was die Tank-Top-Girls nicht nur genossen, sondern animierte, noch mehr in die Vollen zu gehen. Als die eine der beiden fordernd mit ihrer Hand über den Hintern der anderen fuhr, lächelten die Zuschauer und freuten sich über die Showeinlage.

      "Als ich meine bisexuelle Seite entdeckte, hab ich so was ständig abgezogen!", raunte Nancy Lara ins Ohr. "Brüste sind was Tolles. Solltest du auch mal probieren, ist ne herrliche Erfahrung. Männer mögen Frauen, die mit Frauen schlafen. Es macht eine Frau beim Sex interessanter,