Jean-Pierre Kermanchec

Die schwarzen Männer


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Männer stiegen aus dem Wagen, während der vierte bei laufendem Motor im Auto sitzen blieb. Die Männer gingen zielstrebig auf die Eingangstür des Ladens zu. Kurz bevor sie die Tür erreichten, zogen sie sich schwarze, wollene Sturmhauben übers Gesicht, rissen die Tür auf und stürmten in das Geschäft. Mit gezückten Pistolen schrieen sie die wenigen Besucher an:

      „Auf den Boden! Los, auf den Boden! Schneller!“

      Die erstaunten Kunden reagierten zögerlich, sahen sich ängstlich um und ließen sich dann langsam zu Boden gleiten. Drei Frauen und zwei Männer waren im Geschäft, als die drei hereingestürmt waren.

      Der Juwelier hob seine Hände hoch und wollte sich ebenfalls auf den Boden legen.

      „Du nicht“, schrie einer der Männer und reichte ihm eine Plastiktüte.

      „Den ganzen Schmuck hier rein, aber schnell und keine Mätzchen, sonst knallts.“ Der Juwelier griff nach der Tüte und füllte sie.

      „Nur die wertvolleren Stücke, den Modeschmuck kannst du denen hier verkaufen!“ Er zeigte auf die Menschen auf dem Boden. Der Inhaber bewegte sich langsam hinter der Ladentheke. Er hoffte, den Alarmknopf betätigen zu können, noch zwei Schritte, dann würde er ihn erreicht haben. Erneut griff er in die Vitrine vor sich und holte Ketten, Armbänder und Ohrringe heraus.

      „Schneller, nicht so lahm!“, rief ihm einer der Männer entgegen.

      „Auch die Sachen in den Schubladen!“, brüllte ein anderer. Der Juwelier war beinahe dankbar für diese Bemerkung. Jetzt konnte er sich etwas bücken und den Alarmknopf drücken, bevor er die Schublade aufzog. Er füllte die Plastiktüte weiter. Langsam kam er zu den teureren Uhren. Der Mann vor ihm fuchtelte mit der Pistole hin und her und schrie:

      „Schneller, schneller, wir haben nicht ewig Zeit.“

      Einige Minuten später, er hatte gerade die letzten beiden Schubladen mit den Uhren und Broschen geleert, waren die Sirenen der sich nähernden Gendarmeriefahrzeuge zu hören.

      „Merde, die Bullen!“, schrie der am nächsten beim Juwelier stehende Gangster in Richtung seiner Kollegen, griff nach der Tüte und riss sie dem Juwelier aus der Hand. Die drei Männer rannten zur Tür, es war zu spät. Die Gendarmen waren bereits vor dem Geschäft eingetroffen, und ihre Fahrzeuge machten es unmöglich, dass sie mit ihrem Fluchtwagen verschwinden konnten.

      „Los zurück“, schrie der erste Mann und drängte seine Komplizen wieder in den Laden.

      „Du hast uns die Bullen auf den Hals gehetzt!“, brüllte der Mann mit der Tüte und zielte auf den Juwelier. Ohne zu zögern drückte er ab, der Knall drang durch die Scheiben nach draußen. Die Fußgänger vor dem Laden schrieen auf, die Gendarmen stürmten an die Hausmauer und postierten sich links und rechts der Eingangstür. Die Passanten wurden aus der Gefahrenzone gebracht und das Geschäft großräumig abgesperrt.

      Einem Gendarmen fiel der Fahrer in dem Peugeot 406 auf, dessen Motor immer noch lief. Mit vorgehaltener Pistole lief er zu dem Fahrzeug und riss die Tür auf. Der Fahrer machte keinerlei Anstalten sich zu wehren. Er hob die Hände und ließ sich von dem Gendarmen aus dem Fahrzeug holen und abführen. Ein zweiter, schnell herbeigeeilter Gendarm, stellte den Motor ab und schloss die Tür des Fahrzeugs. Dann bestellten sie das Einsatzkommando, das in Quimper stationiert war. Es würde bestimmt noch eine halbe Stunde dauern, bis das Team einsatzbereit vor Ort war.

      Mit einem Megafon versuchte ein Gendarm die Räuber zum Aufgeben zu bewegen.

      „Kommen Sie mit erhobenen Armen heraus. Sie haben keine Chance. Ergeben Sie sich und kommen Sie sofort heraus.“

      Alles blieb ruhig, von drinnen kam keine Antwort. Seit dem Schuss war nichts mehr zu hören. Der Beamte wiederholte seine Aufforderung mehrfach. Keine Antwort.

      „Haben die jemanden erschossen?“, fragte einer der Gendarmen seinen Kollegen.

      „Keine Ahnung, ich habe nur den Schuss gehört, so wie du auch.“

      „Aber falls die jemanden erschossen haben, müssen wir auch die Mordkommission rufen.“

      „Du kannst sie ja schon informieren“, sagte er zu seinem Kollegen und sah wieder gebannt auf die Eingangstür des Ladens. Durch die Fensterscheiben war nichts zu erkennen. Die Scheiben, mit den dahinter hängenden Werbeplakaten, waren durch einen Vorhang vom Innenraum getrennt.

      „Was machen wir jetzt?“, fragte einer der maskierten Männer seinen Komplizen.

      „Wir müssen hier weg, mit dem Auto kommen wir nicht mehr fort. Bestimmt haben sie Maurice schon verhaftet. Hoffentlich hält er dicht.“

      „Die Bullen müssen uns einen Fluchtwagen stellen. Wir nehmen die hier als Geiseln!“

      „Alle? Die stören uns doch nur auf der Flucht. Wir schnappen uns die Frau da hinten, die muss reichen. Was hast du mit dem Besitzer gemacht?“

      „Dem habe ich eine Kugel verpasst, der ist doch an allem schuld. Der hat den Alarm ausgelöst.“

      „Aber jetzt haben wir auch noch einen Mord am Hals!“

      „Ich habe auf seine Schulter gezielt, bestimmt lebt er noch. Sieh mal nach.“

      Der Angesprochene ging hinter die Ladentheke und beugte sich über den regungslosen Körper auf dem Boden. Er versuchte den Puls zu fühlten, konnte aber nichts spüren. Dann drehte er den Körper des Mannes um und sah das Blut, das aus seiner Schulter lief. Der Schuss war in die Schulter gegangen. Aber warum war der Mann jetzt tot?“

      „Scheiße! Du hast ihn umgelegt. Der ist mausetot. Du hast uns schön reingeritten. Das gibt lebenslänglich.“

      „Hör auf herumzujammern. Ich habe ihn nicht erschossen. Ich weiß auch nicht, warum er den Löffel abgegeben hat. Es ist passiert, Schluss, wir müssen zusehen, dass wir hier wegkommen. Lass mich nachdenken, mir fällt bestimmt etwas ein.“

      Die beständige Beschallung von draußen durch das Megaphon, mit der Aufforderung aufzugeben und mit erhobenen Händen den Laden zu verlassen, ignorierte er weiterhin. Jetzt machte der dritte Mann zum ersten Mal seinen Mund auf.

      „Wir sollten aufgeben, wir kommen hier nicht mehr weg. Ich habe keine Lust erschossen zu werden.“

      „Halts Maul, Jules, wir gehen hier zusammen raus, und wir schaffen es, bis nach Rennes zu kommen.“

      „Jetzt erzählst du denen auf dem Boden auch noch wo wir hinwollen. Du bist so was von bescheuert, Denis!“

      „Na und, was macht’s schon. Wir bleiben ja nicht in Rennes, es ist doch nur eine Zwischenstation.“

      Denis fuchtelte mit seiner Waffe herum, so als wollte er mit dem Lauf der Pistole Anleitungen geben.

      „Ihr macht genau was ich sage, verstanden? Wir sind übereingekommen, dass ich sage wo es langgehen soll. Wenn jeder nur macht, was ihm in den Sinn kommt, landen wir alle hinter Gittern. Ich hole uns hier heraus, verstanden?“

      Jules Fucauld und Marc Gourand sahen Denis Maubert nur ungläubig an. Die beiden Männer wussten, dass Denis ein gewalttätiger Mensch war, der keinen Widerspruch duldete, wenn es um seine Person und um seine Autorität in der Gruppe ging. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als das gemeinsam begonnene Spiel auch gemeinsam zu beenden. Auch wenn aus der Aktion schon deutlich mehr als ein Spiel geworden war. Wie hatte Denis zu ihnen noch während der Planung gesagt, „Wir gehen rein, holen uns den Klunker und marschieren wieder raus. Das wird ein Kinderspiel.“ Aus dem Kinderspiel war inzwischen Mord und eine Geiselnahme geworden. Jules glaubte nicht mehr daran, dass sie ungeschoren aus der Sache herauskommen konnten.

      Jules nickte stumm und bestätigte Denis damit, dass er ihn verstanden hatte. Denis sah von Jules zu Marc, auch der bewegte seinen Kopf, zwar beinahe unsichtbar aber für Denis doch ausreichend.

      „So, jetzt haltet ihr die in Schach!“, rief er ihnen zu und ging zum Telefonapparat, der hinter der Verkaufstheke auf einem Sideboard stand. Er nahm den Hörer ab und wählte den Polizeinotruf. Als er die Stimme auf der anderen Seite der