Heike Möller

Von Vampiren, Kriegern und Dieben


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Lani. Ich meine es todernst. Dieser Mann ist gefährlich.“ Tristan sah ihr fest in die Augen. „Ich bin deine einzige Chance, heil aus der Sache rauszukommen.“

      >Lani? So hat mich ewig niemand mehr genannt. <

      „Das sehe ich nicht so“, sagte sie und riss ihren Arm aus seinen Griff.

      Tristan sah ihr nach, wie sie die Straße überquerte und in dem Gebäude, wo sie arbeitete, verschwand. Er hatte ihren Gedanken aufgeschnappt, als er sie mit der Kurzform ihres Namens ansprach.

      >Ich hoffe, ich bin wirklich paranoid. Nicht auszudenken, was Darius mit ihr anstellt, wenn er wirklich dahinter steckt. Das hat sie nicht verdient, egal, ob sie eine Diebin ist. <

      Leilani stieg mit dem Karton, in dem die Orchidee sicher verstaut war, die Treppen zu ihrer Wohnung hinauf. Obwohl ihr die Begegnung mit diesem Mann, Tristan Kadian, unangenehm war, freute sie sich über diese Orchidee. Blumen hatten etwas Reines, Unverdorbenes und Leilani konnte sich vorstellen, eines Tages ein Haus mit einem großen Blumengarten irgendwo in der Toskana zu besitzen.

      Sie kicherte, als sie die letzten Stufen der vierten Etage des Altbaus erklomm. Sie liebte ihre große Wohnung mit den drei Zimmern, der riesigen Küche und dem beinahe ebenso großen Badezimmer. Die Decken waren über drei Meter hoch und mit Stuck verziert. Die alten und morschen Fenster waren kurz vor ihrem Einzug vor zwei Jahren gegen moderne und Wärme regulierende Fenster in alter Kreuzoptik ausgetauscht worden.

      Obwohl Neukölln nicht gerade ein beliebter Bezirk Berlins ist, tobt hier das Leben. Besonders hier, nahe der Grenze zu Treptow, einem der `neuen In-Bezirke´.

      Leilani dachte an das Gespräch mit dem Franzosen. Sie hatte noch in der Nacht, als sie nach dem missglückten Einbruch nach Hause kam, die Geldanweisung auf ihrem Konto zurück gebucht und den Auftraggeber angerufen.

      „Ich bin überrascht worden. Das Geld habe ich Ihnen schon zurücküberwiesen.“

      „Sind Sie verletzt?“

      Leilani hatte die Stirn gerunzelt. Die Frage des Mannes war merkwürdig. „Nein. Es ist alles in Ordnung. Die Ware ist übrigens nicht vor Ort.“

      Der Auftraggeber schwieg einen Moment. „Danke. Ich melde mich vielleicht wieder.“ Und damit hatte der Mann aufgelegt.

      Leilani wusste, dass die Handynummer schon in diesem Augenblick nicht mehr erreichbar sein würde und versuchte es auch gar nicht erst.

      Jetzt grübelte sie über den Satz nach, während sie den Schlüssel in das Schloss steckte.

      `Sind Sie verletzt? ´

      Leicht verärgert über ihre Unsicherheit öffnete sie die Wohnungstür und betrat den Flur. Sie ging schnurstracks in die Küche … und blieb erstarrt stehen. Ihre grünen Augen wurden groß und die Kinnlade fiel herunter. Ihr wurde gleichzeitig heiß und kalt und sie glaubte keine Luft mehr zu bekommen.

      „Das kann nicht wahr sein!“

      Sie ließ die Blumen in dem Karton einfach fallen und rannte in das Wohnzimmer, dann in das Schlafzimmer, ins Arbeitszimmer.

      In ihrer Wohnung war eingebrochen worden und im Arbeitszimmer sah es am Schlimmsten aus. Alles war durchwühlt worden, Bücher, Ordner, Papiere, alles lag wild durcheinander auf dem Boden, dem Stuhl, dem Schreibtisch.

      „Nein“, hauchte sie entsetzt. Und dann wurde sie wütend. „Dieser elende Mistkerl!“

      Sie drehte sich auf dem Absatz um und rannte aus der Wohnung.

      Kapitel 6: Umgedrehter Spieß

      Jannik Cerný sah seinen großen Freund mit prüfenden Blick aus seinen rehbraunen Augen an. „Irgendetwas ist anders“, stellte er fest.

      „Was meinst du?“ Tristan packte die Blutkonserven aus der Kühlbox, die Jan ge­bracht hatte, in den Tresorkühlschrank.

      „Du bist … abwesend. Als ob du dir über irgendetwas oder irgendjemanden Gedan­ken machst.“

      Tristan schüttelte den Kopf. „Jetzt fängst du auch noch an“, knurrte er. „Ich bin in Ordnung, ein für alle Mal.“ Er legte die letzte Konserve in den Kühlschrank und verschloss ihn sorgfältig. „Ich habe akzeptiert, dass Rowena und ich kein Paar mehr sind. Endgültig!“

      Jan zog eine blonde Augenbraue hoch. „Dein Verstand vielleicht, Alter. Aber dein Herz nicht.“

      Tristan seufzte genervt. „Mein Verstand ist dabei, mein Herz zu überzeugen, okay? Und jetzt möchte ich nicht mehr darüber reden!“

      Janniks Blick blieb auf der dicken Akte auf Tristans Schreibtisch hängen. „Darius? Haben dich deine Träume wieder eingeholt?“

      Tristan folgte Jans Blick und seine Lippen wurden zu einem schmalen Strich. „Sagen wir, es gibt ein paar … Begebenheiten, die mich annehmen lassen, dass der Kerl doch noch am Leben ist.“

      Jan sah seinen Freund missbilligend an, dann setzte er sich demonstrativ in den bequemen Stuhl gegenüber dem Schreibtisch, schlug die Beine übereinander und faltete die Hände vor dem Bauch. „Ich habe Zeit, Tris.“

      Tristan ahnte, dass er Jan nicht loswerden würde, wenn er ihm nicht wenigstens ein paar wichtige Einzelheiten nennen würde. Trotzdem versuchte er, das Thema in eine andere Richtung zu lenken.

      „Du hast mir nicht zufälligerweise eine Jungfrau ins Haus geschickt, oder?“

      Jannik glotzte den Franzosen verwirrt an. „Eine Jungfrau? Himmel, gibt es die in Berlin überhaupt? Ich meine welche, die über 18 Jahre alt sind?“

      „Offensichtlich“, knurrte Tristan und verwünschte sich für seine Frage. Er ahnte, dass das einen Stiefel an neuen Fragen von Jannik nach sich ziehen würde. Und richtig!

      „Du hattest Besuch von einer Jungfrau? Wann? Wie war sie? Kommt sie wieder? Ist sie viell....“

      „Jan!“ Tristan brüllte den Tschechen kurz an, gab dann einen genervten Laut von sich. „Okay. Kurzfassung. Vor zwei Nächten hatte ich Besuch von einer jungen Dame. Jungfrau. Ich habe sie unversehrt, und zwar in jeglicher Hinsicht, wieder fortgeschickt.

      Es gibt nur zwei Möglichkeiten, warum mir jemand eine Jungfrau ins Haus schickt. Nummer eins: meine `lieben´ Freunde dachten, sie würden mir etwas Gutes tun.“

      Jannik sah Tristan entrüstet an. „Das würde einem Mordversuch gleichkommen“, stieß Jannik hervor.

      „Eben. Und das tut keiner meiner Freunde, selbst, wenn er es gut meint.“

      „Nummer zwei: ein Feind versucht mich zu provozieren. Ich hätte das Mädchen ent­weder überfallen und leer gesaugt oder überfallen, leer gesaugt und sie dabei noch vergewaltigt. Damit wäre mein guter Ruf hinüber gewesen.“

      „Das bedeutet, dass dich dein Feind nicht besonders gut kennt“, grübelte Jan. „Denn jeder, der sich auch nur ein bisschen näher mit dir befasst hat weiß, dass du integer bist. Beherrscht. Diszipliniert bis in die kleinste Faser deines Körpers. Loyal und …“

      „Danke für deine Lobeshymnen“, unterbrach Tristan seinen Freund. „Du übertreibst ein wenig.“

      Er setzte sich und drehte sich langsam eine Zigarette. „Ich war sehr dicht davor, meine Beherrschung zu verlieren“, gestand er und dachte an jadegrüne Augen. „Der Duft, der von Leilani ausging, war …“

      „Leilani? Toller Name!“

      „Würdest du bitte aufhören, mich ständig zu unterbrechen!“ Tristans Augen, die in einem sanften Grünbraun mit goldenen