Heike Möller

Von Vampiren, Kriegern und Dieben


Скачать книгу

ist?“ Martin Roll war verärgert über so viel Naivität.

      „Ist schon gut, Martin. Wirklich. Mein Bekannter ist.... Ich habe ihn schon ewig nicht mehr gesehen und ich bin einfach überrascht.“

      „Brauchst du Begleitschutz?“

      Leilani sah Martin prüfend an. Sie dachte an den muskulösen Mann in der Pyja­mahose, der wahrscheinlich nicht mal mit der Wimper zucken würde, wenn Martin sich vor ihm aufbaute. Was zudem auch unfreiwillig komisch wirken würde.

      Martin Roll, höchstens 1,80 Meter groß, war eher schmächtig, mit schütterem Haar. Aber ein ehrlicher und gutherziger Mann, verheiratet, zwei Kinder.

      „Nein, Martin. Er ist wirklich ein Freund. Ich habe nur nicht mit seinem Auftauchen gerechnet, das ist alles.“

      Leilani betrachtete die Orchidee. Der Stiel war in einer kleinen, mit Wasser gefüllten und hermetisch versiegelten Plastikphiole. Die Orchidee hatte viele, kleinblättrige Blüten, einige davon waren noch nicht geöffnet. Vorsichtig schnupperte Leilani an den zarten Blüten. Ein schwacher Duft entströmte der Blume und sie konnte nicht sagen, wonach die Blume roch. Es war auf definitiv … exotisch.

      Tristan trank seine dritte Tasse Kaffee und beobachtete den Eingang des Bezirks­amtes auf der anderen Straßenseite.

      Würde sie kommen?

      Sein Handy klingelte. „Qui?“

      „Güldensteen hier“, brummte der Bariton des Flamen an Tristans Ohr.

      „Ben! Ich muss dir danken, dass du mir die Daten besorgt hast.“

      Tristan hatte Benjamin van Güldensteen damit beauftragt, Leilani Fischer ausfindig zu machen. Das ging schneller als erwartet und Tristan wollte unbedingt mit der Frau reden.

      „Verrätst du mir, was eine Angestellte des Öffentlichen Dienstes in Berlin so inter­essant für dich macht, Tristan?“

      Tristan überlegte, ob er Ben alles erzählen sollte, entschied sich aber dagegen. „Sagen wir einfach, sie fasziniert mich. Und sie ist mir was schuldig. Gibt’s was Neues von der Legionärsfront?“

      „In Alexandria sind die Leichen von zwei Legionären gefunden worden. Eine Hinrichtung. Gezielte Schüsse in den Hinterkopf.“

      Tristan schnalzte mit der Zunge. „Einer von uns?“

      „Glaube ich nicht. Ich denke wir hätten andere oder gar keine Spuren hinterlassen.“

      Tristan musste dem Flamen Recht geben. „Danke, Ben. Ich habe übrigens dafür gesorgt, dass das Triumvirat einen stillen Alarm rausgibt. Müsste ab heute im Umlauf sein.“

      „Gut, Kadian. Das ist gut. Wir können es uns nicht leisten, unachtsam zu sein.“ Bens Stimme klang besorgt und Tristan teilte die Sorge.

      „Ja. Ich muss jetzt Schluss machen, Ben. Bekomme Besuch.“ Tristan legte auf und sah Leilani entgegen, die mit stolzer und aufrechter Haltung über die Straße gelaufen kam. Sie hatte einen weit schwingenden, weißen Rock an, dazu eine hellgrüne Bluse, die sich perfekt mit ihren Augen ergänzte. Die Füße steckten in modischen weißen Römersandalen. An den Ohrläppchen blitzten Einkaräter in goldener Fassung. Dazu passend hatte sie einen Solitär an einer eng anliegenden Nylonkette um den Hals.

      Tristan sah, dass sie den blauen Fleck auf dem Kinn mit Make-up abgedeckt hatte. Etwas Wimperntusche, sonst nichts.

      Leilani bemerkte verärgert, wie der Mann sie betrachtete. Also begutachtete sie ihn auch. Er saß wieder mit übergeschlagenem Bein da, hatte eine schwarze Leinenhose und ein weißes, weit geschnittenes Leinenhemd an. Das Hemd war bis zum Brustbein offen und eine goldene Kette mit einem goldenen Kreuz blitzte hervor. An seinem Handgelenk saß eine teure, goldene Uhr und er trug eine Sonnenbrille, die er aber nach oben geschoben hatte und die die etwas längeren Haare des Oberkopfes zurück­hielt. Der Gesichtsausdruck war kühl und distanziert, so, wie Leilani es erwartet hatte.

      Als Leilani kurz vor dem Café war, stand Tristan auf, rückte einen Stuhl für sie zurecht.

      „Schön, dass du gekommen bist“, sagte er leise und sah in die jadegrünen Augen. Leilani wirkte verärgert, verkrampft, aber er konnte es verstehen. Es musste ein Schock für sie gewesen sein, eine Nachricht von ihm zu bekommen.

      „Ich hatte nicht den Eindruck, dass ich eine große Wahl gehabt hätte“, sagte sie mit kalter Stimme. Sie setzte sich und Tristan setzte sich ihr gegenüber.

      „Ich habe mich dir noch gar nicht vorgestellt, fürchte ich“, sagte er und reichte ihr die Hand. „Tristan Kadian.“

      Leilani starrte auf die Hand, ergriff sie dann zögernd. Die Hand war kühl, der Hände­druck fest, aber freundlich.

      „Kommen wir zur Sache“, begann Leilani. „Was wollen Sie?“

      Die Kellnerin kam und Leilani bestellte sich ein Wasser. Tristan nahm den vierten Kaffee.

      „Nach wie vor Antworten, Leilani.“

      Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe Ihnen nicht mehr zu sagen als das, was ich Ihnen schon gesagt habe“, sagte sie leise, aber mit fester Stimme.

      „Fangen wir anders an. Ich erzähle dir eine Geschichte. Es waren einst zwei Männer, Krieger. Jeder kämpfte auf seiner Seite für seine Sache. Jeder glaubte, dass es das Richtige war, und zu diesem Zeitpunkt war es das auch.

      Die beiden Männer waren Feinde. Nicht, weil sie sich vorher gekannt hatten, sondern weil die politische Lage es erforderte. Man könnte sagen, sie waren Soldaten, die im Auftrag ihrer Regierung um ein und dieselbe Sache kämpften. Und es konnte nur einen Sieger geben.

      Der eine gewann, der andere verlor. Der Verlierer schwor Rache, und er rächte sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Dabei hatte der Verlierer keine Skrupel, unbeteiligte Personen zu benutzen. Es war ihm egal, wenn sein Bauernopfer von dem Sieger in dieser Fehde zu Schaden kam. Oder sogar in Notwehr getötet wurde.“

      Die Getränke kamen und die Kellnerin lächelte Tristan ein wenig länger als die anderen Gäste an.

      Leilani sah Tristan in die grünbraunen Augen. „Darf ich raten? Sie sind der Gewinner und dieser Darius, nach dem Sie mich vorgestern fragten, ist der Verlierer.“

      Tristan nickte, während er vorsichtig an seinem Kaffee nippte.

      „Was war das für ein Kampf oder Krieg?“

      „Tut nichts zur Sache. Wirklich nicht. Weißt du, worauf ich hinaus will?“

      Leilani trank etwas Wasser, sah den Mann lange an. „Ich denke schon. Sie glauben, dass ich so ein Bauernopfer bin. Aber ich kenne keinen Darius. Wirklich nicht.“

      „Aber er kennt dich vielleicht. Und hat dich beauftragt, bei mir einzubrechen.“

      „Unlogisch. Dann hätte er mich schon beim ersten Mal zu Ihnen schicken können.“

      Tristan schürzte die Lippen. „Beim ersten Mal? Verstehe. Eine Art Stammkunde.“

      Leilani runzelte die Stirn. „So wie Sie das sagen klingt das billig.“

      Tristan zuckte mit der Schulter. „Wie soll ich es denn sonst sagen? Ist ja auch egal. Da du deinen Auftrag nicht erledigt hast, bist du vermutlich in Gefahr.“

      Leilani lachte leise, trank ihr Wasser aus. „Hören Sie, Herr Kadian. Für mich klingt das alles sehr paranoid. Wir leben schließlich im 21. Jahrhundert, in Mitteleuropa. Ich glaube nicht, dass mein Auftraggeber mich leimen wollte oder mir gefährlich werden könnte. Ich danke Ihnen für die Blumen, aber ich bitte Sie, lassen sie mich in Ruhe. Vergessen wir einfach die letzten Tage, streichen wir sie aus unserem