Heike Möller

Von Vampiren, Kriegern und Dieben


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die Tür wieder. Das Mondlicht verstrahlte hier viel heller sein blasses Licht und der Dieb konnte die Konturen deutlicher erkennen. Trotzdem ließ er kurz das Licht aufblitzen, erfasste den Raum und machte die Lampe wieder aus. Der kurze Moment hatte genügt, um über den erstaunlichen Geschmack des Hausbesitzers begeistert zu sein. Die Küche war modern und edel eingerichtet. Marmorne Arbeitsplatten, die neuesten Küchengeräte und eine teure Kaffeemaschine, die die Bohnen frisch gemahlen verarbeitete.

      Der Dieb unterdrückte den Wunsch sich auf der Stelle einen Kaffee zu machen und schlich durch die Küche, betrat den Eingangsbereich der Villa.

      Ein gewaltiges Foyer aus Marmor, Holz und mit Teppich ausgelegter Treppe im Mittelbereich empfing ihn. Krampfhaft unterdrückte der Dieb einen anerkennenden Pfiff. Auch hier ließ er kurz die Lampe aufblitzen, starrte auf den riesigen Wandteppich der auf der rechten Seite des Eingangbereiches lag. Er stellte eine mittelalterliche Schlacht dar, wahrscheinlich innerhalb eines Kreuzzuges.

      >Mann, der Typ ist stinkreich. Und ich soll nur ein Fabergé-Ei klauen. Ob dem das überhaupt auffällt? <

      Der Dieb ignorierte die erste Tür auf der rechten Seite hinter dem Gobelin. Er wusste, dass die Tür in das Wohnzimmer führen würde, welches nicht Ziel seines Begehrens war. Er ging weiter, erreichte das Arbeitszimmer und ging hinein.

      >Kinderspiel. <

      Tristan hatte einen unruhigen Schlaf. Er träumte von Zenobia, wie sie hilfesuchend ihre linke, verstümmelte Hand nach ihm ausstreckte. Ihre einst lebhaften, dunklen Augen waren matt, schmerzerfüllt.

      Tristan wachte auf, keuchte.

      „Verdammt“, flüsterte er und fuhr sich mit der Hand über das schweißnasse Gesicht. „Was ist denn nur los mit mir in letzter Zeit? Offensichtlich habe ich mehr zu verarbeiten, als mir lieb ist. Vielleicht sollte ich doch mal einen Psychotherapeuten aufsuchen.“

      Tristan schüttelte sein Kopfkissen auf, boxte in das unschuldige Material hinein und wollte sich wieder hinlegen, als er stutzte.

      Irgendetwas stimmte nicht.

      Er setzte sich in sein Bett auf, schloss die Augen und lauschte in sich hinein, in das Haus.

      Er war nicht allein!

      Unbewusst verlängerten sich Tristans Eckzähne und ein dumpfes Grollen bahnte sich einen Weg durch seine Brust, das er kaum unterdrücken konnte. Leise schlug er die Bettdecke zurück und schlich zur Zimmertür, lauschte erneut.

      Hier oben, im ersten Stock der Villa, war alles ruhig, und doch wusste Tristan, dass er in dem Haus nicht allein war, was er hätte sein sollen.

      Er zwang sich zur Ruhe, öffnete leise die Tür und schlüpfte, nur mit seiner Pyjamaho­se bekleidet, in den mit kostbarem Teppich ausgelegten Flur. Am Treppenabsatz angekommen lauschte er erneut, dann sah er einen schwachen Lichtschein aus dem Arbeitszimmer. Den Impuls unterdrückend, einfach nach unten zu stürmen und auf den Einbrecher los zu prügeln fletschte Tristan wütend die Zähne.

      Und wählte eine andere Methode, sich dem Kerl zu nähern. Eine Methode, die nur eine Handvoll Vampire beherrschten, unter anderem sein Freund Adolar Cerný.

      Wie eine Eidechse krabbelte Tristan an der Wand entlang, mied die Treppe und glitt an der Wand in das Erdgeschoss hinab, genau zwischen Arbeits- und Wohnzimmer. Dabei ließ er nicht einen Augenblick seine Augen von der Öffnung des Arbeitszim­mers.

      Jetzt hörte sein empfindliches Gehör, wie der Einbrecher sich an dem Tresor zu schaffen machte, am Zahlenschloss drehte.

      Und scheiterte.

      „Verdammt! Die falsche Kombi“, hörte er ein sehr leises Flüstern. Ein normales menschliches Ohr hätte es wahrscheinlich nicht gehört, aber Tristan war kein normaler Mensch, sondern ein 850 Jahre alter Vampir.

      Ein wütender 850 Jahre alter Vampir!

      Tristan glitt zu Boden, richtete sich auf und stellte sich leise in den Türrahmen.

      Der Einbrecher hatte Rowenas Gemälde aufgeklappt, hinter dem sich der Tresor befand.

      >Wieso ist das Alarmsystem nicht losgegangen, als er eingestiegen ist? <, fragte sich Tristan und betrachtete den Dieb. Er war mittelgroß und sehr schlank, wirkte irgendwie drahtig. Er hatte eine kleine, ein schwaches Licht von sich gebende Stabtaschenlampe zwischen seine Lippen gesteckt, damit er beide Hände benutzen konnte.

      >Ein Profi. Na, dann werde ich dem Typ mal ein freundliches `Hallo´ entgegenwerfen. <

      Tristan bereitete seine Augen auf den Lichteinfall vor, der kam, als er unvermittelt den Lichtschalter betätigte. Er spürte, wie der Einbrecher erschrocken zusammen­zuckte. Der Herzschlag des Diebes hüpfte für ein paar Sekunden, die Atmung setzte aus. Doch dann erfasste den Dieb wieder Ruhe.

      „Du hast dich wohl in der Tür geirrt?“, knurrte Tristan, zwang sich, seine Zähne einzuziehen und die Augen wieder einen normalen Farbton annehmen zu lassen.

      Der Dieb nahm die Taschenlampe aus seinem Mund und klappte seine Stoffmaske, die er trug, langsam wieder über seine untere Gesichtshälfte. Er hob die Arme, signalisierte Tristan somit, dass er sich als erwischt ansah. Langsam drehte der Dieb sich um, die kleine Taschenlampe in der rechten Hand.

      Der Dieb starrte den Mann an. Ein über 1,90 Meter großer, schlanker und definitiv durchtrainierter Mann, nur mit einer seidenen Pyjamahose bekleidet.

      Und einem ziemlich wütenden Gesichtsausdruck!

      An der linken Schulter hatte der Mann eine große, längliche Narbe, aber ansonsten war der Körper, zumindest das, was der Dieb sehen konnte, makellos. Muskeln, an den richtigen Stellen, inklusive Six-Pack und hervor gestellten Leistenmuskeln. Die Arme, auch die Unterarme waren kräftig und sehnig.

      Der Hals war schlank und dicke Adern der Wut traten an den Seiten hervor. Das schöne Gesicht des Mannes war angespannt, die Lippen zu einem schmalen Strich gezogen. Dunkelgrüne Augen blitzen unter einem modisch geschnittenen dunkelblonden Schopf.

      >Das war nicht so geplant. Bin ich gelinkt worden? < Der Dieb stand unschlüssig herum, wusste im Moment nicht, was er tun sollte.

      „Ich habe dich was gefragt, Mistkerl!“, zischte Tristan und konnte sich nur mühsam beherrschen, den Mann nicht anzuspringen, trat langsam näher.

      Dann nahm er einen Duft wahr, und dieser Duft verwirrte ihn zutiefst.

      Der Dieb sah, dass irgendetwas den Mann vor ihm zu überraschen schien und nutzte die Gelegenheit. Er holte kaum aus, als er mit der Taschenlampe zuschlug und Tristan am Kinn erwischte. Mit einem überraschten Aufschrei versuchte Tristan seinen Kopf noch wegzudrehen, aber es war zu spät. Der Dieb setzte mit einer Linken nach und hieb ihm die Faust in den muskulösen Bauch, hebelte ihm dann noch gekonnt die Beine weg.

      Tristan fiel unsanft zu Boden. Das war zu viel! Nicht nur, dass der Kerl bei ihm einbrach, er hatte es auch geschafft, ihn zu überraschen, ihn zu Boden zu ringen. Fau­chend wie ein Panther sprang Tristan auf und hetzte dem Mann hinterher, der zur Hintertür flüchtete.

      >Woher weiß der Kerl, wo er hin muss? Wieso kennt er sich in meinem Haus aus? <

      Der Dieb sprintete los, wusste, dass seine einzige Chance in einer Flucht bestand. >Lass die Hintertür nicht verschlossen sein! Bitte! <

      Ein tiefes, raubtierhaftes Knurren hinter ihm veranlasste den Dieb dazu etwas zu tun, was er sonst nie tun würde. Er drehte sich um und sah in zwei glühende, schwarze Augen. Der Hausbesitzer hatte ein wutverzerrtes Gesicht und griff nach ihm. Geschickt wich der Dieb aus, riss sein Knie hoch und rammte es seinem Verfolger gegen die Leiste. Tristan brüllte auf und schlug einfach zu.

      „Nein!“, brüllte der Dieb und braune