Heike Möller

Von Vampiren, Kriegern und Dieben


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viele vor und noch mehr nach ihm. Sie durfte Besuch empfangen und so lernte sie Sesostris kennen.“

      Tobias runzelte die Stirn. „Klingt altägyptisch.“

      Tristan nickte. „Ein Pharao. Mittleres Reich, 12. Dynastie. Sesostris I gehörte zu einem der bedeutenden Könige. Feldzug gegen Unternubien, in dessen Verlauf er bis zum zweiten Nilkatarakt vorstieß und die dortigen Gebiete unter seiner Herrschaft zwang. Der erste Pharao, der ein Gebiet außerhalb Ägyptens kontrollierte. Jedenfalls war dieser Sesostris, wie du es dir denken kannst, einer von uns. Er verliebte sich ernsthaft in Zenobia, sie wurden ein Paar. Heimlich, wegen Aurelian. Sesostris wandelte Zenobia mit deren Einverständnis und bis zu seinem Tod im 10. Jahrhundert blieben sie zusammen.“

      „Traurig und schön zugleich“, sagte Tobias leise.

      „Ja. Als ich Zenobia kennen lernte, begannen wir eine kurze, aber leidenschaftliche Affäre. Es war keine Liebe, wirklich nicht. Aber es war immer mehr als Sympathie. Als ich sie in diesem Folterkeller sah, brach mir das Herz, Tobias. Es war schon schlimm, was mit Jannik geschehen war. Und auch die Bilder aus Helenas Erinnerung wegen Leclerc waren grausam. Aber die Sache mit Zenobia hat mich in dem Wunsch bestärkt, diese Organisation ein für allemal zu vernichten. Restlos!“

      Tristans Wangenmuskeln arbeiten heftig und seine Augen glommen in einem unheil­vollen schwarzen Feuer. „Sie haben sie gebrochen, Tobi. Die stolze Frau, die ein ganzes Weltreich hat fallen sehen, ist gebrochen, nur noch ein Schatten ihrer Selbst. Weißt du, was das für einen von uns bedeutet?“

      Tobias nickte erschüttert. „Das Ende.“

      Tristans Lippen waren zusammengekniffen. „Das Ende“, sagte er rau.

      Tobias sah seinem Freund in die Augen. „Deswegen ist es wichtig, dass du nicht vergisst, dass es Menschen gibt, die dich lieben, Tristan.“

      Verwirrt sah Tristan seinen Freund an. „Wie meinst du das?“

      „Du hast dir selbst eine zermürbende Aufgabe auferlegt, die sehr viel von dir abfordert. Das ist wichtig für uns, das weiß ich. Und ich kenne niemanden, der besser für diese Aufgabe geeignet wäre als du.“

      „Aber?“

      Tobias zog die Brauen zusammen. „Wir machen uns Sorgen! Du bist nicht allein, Tristan. Selbst wenn wir dir nicht auf dem Schlachtfeld folgen können, weil wir nicht deine Fähigkeiten haben, so sind wir dennoch für dich da. Hanna und ich lieben dich, und das weißt du.“

      Tristans Herz schlug ihm bis zum Hals, er verspürte einen dicken Kloß in seinem Hals. „Tobias, ich bitte dich, dass …“

      „Nein, Tris. Jetzt hörst du mal zu. Seit Rowena mit Erik in den Sonnenuntergang gefahren ist – entschuldige die kitschige Metapher -, seit diesem Augenblick hast du dich von uns zurückgezogen. Du scheinst die offene Konfrontation mit dem Gegner zu suchen, als ob auch du ein Ende herbeisehnst.“

      Erschrocken sah Tristan seinen Freund an. „Das … das habe ich nicht vor, Tobi. Wirklich nicht. Ich habe mich nur versucht, auf meine Aufgabe zu konzentrieren, das ist alles. Habe es wohl übertrieben, oder?“

      Zweifelnd sah Tobias seinen Freund an. „Du hast keine Todessehnsucht?“

      „Nein. Ehrlich nicht.“ Tristan legte seine Hand um das goldene Kreuz auf seiner Brust, das an einer goldenen Kette baumelte. „Ich schwöre dir bei Gott, dass ich keine Todessehnsucht habe. Ich will leben. Ich gebe zu, dass ich mich im Moment versuche abzulenken. Und ja, vielleicht übertreibe ich es ein wenig. Aber ich will leben, Tobias.“

      Erleichtert sank Tobias auf seinem Stuhl zurück. Die Hand, mit der er jetzt über sein Kinn rieb, zitterte etwas. „Dem Himmel sei Dank. Du glaubst ja nicht, was ich für eine Angst hatte, Mann.“

      Tristan stand auf. „Komm her, Kleiner.“ Er nahm Tobias in seine Arme und drückte ihn wie seinen Bruder vor so vielen Jahrhunderten. „Ich kann dich und Hanna doch nicht allein lassen. Und Lyssa! Die Kleine ist doch fast wie eine Tochter für mich.“

      Tobias lachte sichtlich erleichtert. „Jage mir nie wieder so einen Schreck ein, Großer. Nie wieder, hörst du?“

      „Das kann ich dir leider nicht versprechen, aber ich versuche es zu vermeiden.“ Tristan grinste den kleineren Mann liebevoll an. „Und jetzt geh´ endlich und lass Hanna nicht länger warten. Grüß sie bitte von mir.“

      „Mache ich. Ach, eh ich es vergesse, wir haben in drei Wochen Richtfest. Kannst du es einrichten zu kommen?“

      „Na klar! Sag mir wann und wo, und ich bin da. Muss schon ´ne mittlere Katastrophe passieren, die mich davon abhält.“

      Kapitel 3: „Du hast dich wohl in der Tür geirrt!“

      Der Dieb sah durch die Fenster des Gewächshauses und zog anerkennend die Brauen hoch. Im fahlen Licht des Vollmondes sah er, dass hier offensichtlich Orchideen ge­zogen wurden.

      >Schade, dass ich keine Zeit habe, mir das mal genauer anzusehen. Aber das ist nicht meine Aufgabe. <

      Er ging weiter auf die Rückseite der riesigen Stadtvilla zu, deren Fassade einerseits robust und trutzig, auf der anderen Seite filigran und leicht wirkte.

      >So einen interessanten Widerspruch in der Architektur habe ich noch nie gesehen. Großartig. <

      An der Rückseite war die Freitreppe nicht ganz so pompös wie auf der Vorderseite, aber robust, mit einem durchbrochenen, steinernen Geländer. Oben, auf den hüfthohen Pfeilern des Geländers, thronte auf einer Seite ein Löwe mit weit aufgerissenen Maul, dessen Pranke auf einer Erdkugel ruhte. Auf der anderen Seite bäumte sich ein edles Pferd in anmutiger Haltung wild auf.

      >Der Typ hat Stil. <

      Der Dieb ignorierte die Treppe und ging auf die linke Seite neben der Treppe. Dort befand sich ein winziges Fenster, von dem der Dieb wusste, dass er dadurch in den Vorratskeller gelangen würde, der direkt und unverschlossen zur Küche führt. Der Dieb setzte einen Saugnapf an die einfache Glasscheibe an und durchtrennte die Scheibe mit einem Glasschneider direkt am Holzrahmen entlang. Es gab keinen Alarm, als er die Scheibe, die am Saugnapf haftete, vorsichtig aus dem Holzrahmen zog und leise auf das kleine Rasenstück zu seinen Füßen legte, den Saugnapf wieder abnahm. Dann langte der Dieb mit seiner Hand durch die Öffnung und ertastete die Verriegelung an dem Fenster. Mit einem leisen Quietschen, das in der Stille der Nacht so laut war wie das Schreien einer rolligen Katze, ging die Verriegelung auf und das Fenster schwang nach innen auf.

      >Nummer eins wäre geschafft. <

      Der Einstieg war schmal, aber der Dieb war nicht nur sehr schlank, sondern auch extrem beweglich. Ein Arm voran schob er seinen Kopf hindurch, die Schulter folgte, der schmale Brustkorb, die schmale Hüfte. Der Rest war kein Problem mehr und anmutig wie eine Katze glitt der Dieb zu Boden.

      >Wie dumm, sämtliche Fenster und Türen mit einem Alarmsystem auszustatten und das Fenster der Vorratskammer zu vergessen. Das lässt der Typ bestimmt gleich Morgen nachholen. <

      Der Dieb wartete einen Moment, lauschte in die Nacht, gewöhnte seine Augen an die Dunkelheit. Schemenhaft konnte er einige Gegenstände erkennen. Die kleine Stabtaschenlampe leuchtete kurz auf, für etwa zwei Sekunden. Dann hatte sich der Dieb den Weg eingeprägt, wusste, was sich wo befand. Zielsicher ging er zur der kleinen Treppe, die zur Küche hinauf führte, ging sie leise hinauf. Oben an der Tür blieb er stehen, lauschte.

      >Mein Kunde hat gesagt, dass sich niemand im Haus befindet. Die Haushälterin ist nur tagsüber da und der Besitzer ist verreist. Warum bin ich so vorsichtig? <

      Angewohnheit! Der Dieb konnte bestimmte Verhaltensmuster nicht ändern, so einfach war das.

      Nichts