Heike Möller

Von Vampiren, Kriegern und Dieben


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die Küche betrat. „Was hast du auf dem Herzen, mon ami?“

      >Das besprechen wir lieber ohne sterblichen Zeugen. <

      „Ich dachte, ich sehe mal nach meinen alten Freund, der sich in letzter Zeit etwas rar gemacht hat“, knurrte Tobias.

      Tristan drückte ihm die Tasse mit dem Cappuccino in die Hand, nahm seinen Cafe au Lait und ging seinem Gast voraus in Richtung Arbeitszimmer.

      „Bleiben Sie zum Mittagessen, Herr Kerner?“, fragte Luisa und sah dem jungen Mann, der der Bruder ihres Arbeitgeber hätte sein können, lächelnd in die Augen.

      „Nein. Danke, Luisa, ich bin mit meiner Frau zum Mittagessen verabredet. Aber es duftet verlockend. Wie immer.“ Er schenkte der Haushälterin eines seiner unwider­stehlichen Lächeln und zwinkerte ihr auch noch zu. Luisa lief, obwohl sie eine Frau über 50 und verheiratet war, puterrot an.

      >Musst du immer mit ihr flirten? <, fragte Tristan verärgert.

      >Warum nicht? Es tut ihr gut. Eine Frau, egal welchen Alters und ob verheiratet oder nicht, braucht gelegentlich etwas Aufmerksamkeit. <

      Verblüfft sah Tristan zu Tobias auf, als er sich hinsetzte und seinem Gast den bequemen Stuhl neben seinem Schreibtisch anbot. „Seit wann bist du ein Experte für Frauen?“

      Tobias kräuselte die Lippen. „Zum einen war ich in den letzten Jahrhunderten kein Asket wie du und zum anderen habe ich täglich Kontakt mit Sterblichen. Die meisten davon sind Frauen. Was glaubst ist der Grund, warum viele Frauen tanzen lernen wollen? Aufmerksamkeit, mein Freund. Einmal das Gefühl haben, etwas Besonderes zu sein.“

      Tristan sah Tobias nachdenklich an. „Du schaffst es tatsächlich, mich noch zu überraschen, Tobi.“

      Der Berliner grinste breit und ein Grübchen bildete sich auf seiner linken Wange. „Gut. Apropos Überraschung, willst du mich nicht auch mal überraschen?“

      Tristan sah ihn fragend an. „Womit?“

      „Zum Beispiel mit einer neuen Frau an deiner Seite.“

      Tristan verzog sein Gesicht. „Das lässt sich nicht erzwingen und das weißt du auch. Und falls es dich interessiert, ich komme auf meine Kosten. Das enthaltsame Leben lebe ich nicht mehr.“

      Tobias zog kurz die Augenbrauen hoch. „Na ja, wenigstens etwas. Eine oder wechselnd?“

      Brüskiert starrte Tristan seinen Freund an. „Das ist eine ungehörige Frage, Tobi“, warnte er.

      Tobias zuckte mit den Schultern. „Als dein bester Freund und entfernter Verwandter habe ich das Recht, dir solche Fragen zu stellen. Du hältst dich mir gegenüber ja auch nicht zurück.“

      „Ich habe dich nie gefragt, wie es zwischen dir und Hanna sexuell läuft.“

      Tobias schmunzelte. „Stimmt. Aber du hast mich, und darüber bin ich dir dankbar, ihretwegen zum Grübeln gebracht. Ich meine, hättest du sie nicht gedatet und hätte dieses Date nicht zwischen euch nicht funktioniert, hätte ich sie abschreiben müssen.“

      Tristan sah Tobias merkwürdig an. „Verdrehte Logik, Mann. Deine Denkweise passt sich der von Frauen an: hundert Gedanken und tausend Hürden, um zum Ziel zu kommen. Außerdem dieses Hätte Wenn Wäre geht mir auf den Sender. Güldensteen hat mich vorhin auch schon damit genervt.“

      „Ah! Ich habe meine Wette also gewonnen.“ Tobias schlürfte genüsslich an seinem Kaffeegetränk.

      „Welche Wette?“

      Tobias lehnte sich in seinem Stuhl zurück und zeigte den Gesichtsausdruck einer Katze, die siegessicher vor einer arglosen Maus auf der Lauer lag. „Du erinnerst dich nicht? Letztes Jahr bei der Hochzeit von Jan und Helena. Da habe ich prophezeit, dass du und Ben eines Tages noch Freunde werdet. Ich habe meinen Arsch darauf verwettet.“

      Tristan erinnerte sich. An diesem Tag hatte er Frieden mit Benjamin van Güldensteen geschlossen. Aber Freundschaft?

      „Wir sind weit davon entfernt, Freunde zu werden, Tobi. Wir arbeiten lediglich gelegentlich zusammen. Wegen der Legionäre.“

      Tobias zuckte kurz mit einer Braue, dachte sich seinen Teil. „Gibt´s was Neues von den `Kriegern des reinen Glaubens´?“

      „Seit vier Monaten ist alles ruhig. Keine Übergriffe, keine Aktionen welcher Art auch immer.“

      Tobias rieb sich sein glatt rasiertes Kinn. „Das kommt in etwa hin. Vor fünf Monaten hatte ich meine letzte Vision, als die Kerle Zenobia erwischt haben. Gott sei Dank haben unsere Truppen sie noch lebend rausholen können.“

      Tristans Augen wurden schwarz, als er an den Augenblick dachte. Er selbst hatte die Frau, die schlimm gefoltert worden war, mit einigen anderen aus den Fängen der religiösen Fanatiker befreien können. Seine Beteiligung an der Befreiungsaktion hatte Tristan Tobias gegenüber verschwiegen.

      Bisher.

      „Grundgütiger!“ Tobias starrte in das Gesicht des Freundes, seine Augen wurden tellergroß und hellbraun mit goldenen Sprenklern. „Ich wusste ja, dass du dich damals im Ausland warst. Aber ich wusste nicht, dass du in Griechenland warst.“

      Tristan stand mit einem genervten Seufzer auf. „Ich bin dir keine Auskunft über meine Aufenthaltsorte schuldig, Tobias“, knurrte er und ging zu dem metallenen Aktenschrank, das einzige Möbelstück in diesem Raum, das fehl am Platze wirkte. Wahllos nahm er einen Aktenordner heraus und blätterte ziellos darin herum.

      Tobias setzte seine Tasse hart auf den antiken Schreibtisch ab. „Verdammt, meine Vision hat ganz klar gezeigt, wo sich Zenobia aufhielt, als sie entführt wurde. Aber das war eigentlich keine Überraschung, denn sie hat seit beinahe 500 Jahren in Griechenland gelebt. Es war kein Zufall, dass du ebenfalls dort warst, habe ich Recht?“

      „Zenobia und ich hatten ein geheimes Treffen. Sie hatte ein paar Informationen für mich. Tatsächlich hatten sich auf Kreta einige Legionäre versammelt und Zeni hat ihre Augen und Ohren offengehalten. Aber da sie nicht besonders erfahren in Spionage ist, hat sie sich selbst in Gefahr gebracht. Ein paar Stunden nach unserem Treffen war sie entführt worden. Den Rest kennst du ja.“

      Tobias war von einer fürchterlichen Vision heimgesucht worden. Er hatte gesehen, wie die im syrischen Palmyra um 240 nach Christus geborene Frau von den Legionären gefoltert und vergewaltigt worden war. Sie hatten sie kahlgeschoren, zwei Finger der linken Hand abgeschnitten und noch viele andere unaussprechliche Dinge getan.

      Tobias hatte sofort das Konzil alarmiert und die Rettungseinheit hatte sie in einem grauenhaften Zustand gefunden.

      Inzwischen waren die körperlichen Wunden längst verheilt und die Haare wuchsen wieder. Aber die zwei Finger würden unwiderruflich fehlen und die Erinnerung an das überstandene Martyrium würde ebenfalls bleiben.

      „Vor knapp 700 Jahren hatte Zenobia in Oberitalien gelebt“, erzählte Tristan leise. „Eine unglaublich faszinierende Frau, die Rom hat fallen sehen. Rom!“

      Tristan klappte den Ordner wieder zu und stellte ihn langsam und vorsichtig in den Schrank zurück. „Wusstest du, dass sie einmal eine Königin war?“

      Tobias nickte. „Ja. Ich kenne die Geschichte der Zenobia. Sie ist dann als Kriegsbeute nach Rom gebracht worden und in einem Triumphzug vorgeführt worden.“

      Tristan lächelte. „Das hat aber nicht ihren Stolz gebrochen. Im Gegenteil, sie ist mit erhobenen Haupt durch die Menschen gegangen und keiner, nicht ein einziger hat es gewagt, sie mit faulem Gemüse zu bewerfen, wie es damals üblich war. Man wollte die Gefangenen demütigen, indem man sie dem Volk zur Schau stellte, aber Zenobia flößte allen Angst und Respekt ein, obwohl sie eine Gefangene war.

      Kaiser