Heike Möller

Von Vampiren, Kriegern und Dieben


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Jan. Vielleicht bin ich etwas paranoid. Ich habe beinahe 100 Jahre nichts von Darius gehört. Die letzte Meldung, die ich mit ihm in Einklang bringen konnte, war bei der Schlacht um Verdun im Ersten Weltkrieg. Angeblich soll eine Bombe ihn da zerfetzt haben. Aber …“

      „Er wurde schon öfter für tot erklärt, ich weiß.“ Jans Stimme war leise, ernst. „Verdun liegt doch in der Nähe deiner Besitztümer, oder?“

      Tristan nickte. „Deswegen war ich damals mehr als doppelt geschockt und motiviert als ich herausfand, dass Darius auf der Seite der Deutschen eine Abteilung anführte. Wie gern hätte ich dem Kerl selbst die Rübe abgehackt, aber …. Seine Leiche wurde nie gefunden, nur die Rangabzeichen und Teile der Uniform. Und seit beinahe 100 Jahren hat wirklich niemand im Konzil oder sonst wo etwas von ihm gehört.“

      Jannik legte den Kopf schief. „Ich fragte dich schon, ob deine Träume wiedergekehrt sind.“

      Tristan zündete die Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. „Ja. Aber nicht so schlimm wie früher.“

      Jan runzelte betrübt die Stirn. „Das tut mir leid, Mann.“

      Tristan Kadian war 1192 nach der Schlacht von Akkon durch Darius brutal gewandelt worden und dann ausgehungert in der Wüste ausgesetzt worden. Nur durch Zufall war er von einem anderen Vampir gefunden worden, der ihn rettete, ausbildete.

      Jannik kannte jede Einzelheit der Geschichte. Er selbst hatte das Glück, willentlich gewandelt zu werden, als er im Sterben lag. Sein Urahn, Freund und Lehrer Adolar hatte ihm dann auch während der Wandlung beigestanden, ihn geleitet, seine Ausbil­dung übernommen.

      Dieses Glück war nicht jedem seiner Art im Laufe der Jahrtausende beschienen, und so kam es, dass frisch gewandelte Vampire ohne einen Mentor herum wilderten. Und das hatte zur Folge, dass über die Existenz von Vampiren unter den Sterblichen gemunkelt wurde.

      Dass sie verfolgt wurden.

      Und immer noch verfolgt werden.

      „Mir fällt spontan sonst niemand ein, der perfide genug ist, eine Jungfrau zu benutzen, um mich in Misskredit zu bringen.“ Tristan hatte Jan die ganze Zeit beobachtet, gesehen, wie der Jüngere versuchte, sich eine andere Erklärung zurecht zu legen.

      Es klingelte Sturm an der Haustür. Tristan stand auf und ging in den Eingangsbereich, da Luisa, seine Haushälterin, schon Feierabend hatte und er mit Jannik allein in der riesigen Villa war.

      >Und was willst du jetzt machen? <, fragte Jan in Tristans Gedanken hinein.

      >Ich weiß es nicht. Ich habe versucht mit Leil …<

      Weiter kam er nicht. Er machte die Haustür gerade auf und stand vor einer Frau mit exotischen Teint und mandelförmigen, blitzenden jadegrünen Augen.

      „Sie elender Bastard!“, schrie sie und stieß ihn einfach in die Villa hinein. Tristan war zu überrascht, als dass er in Abwehrstellung hätte gehen können. Er stolperte rückwärts, wäre fast hingefallen, konnte sich gerade noch fangen.

      „Was ist de…“

      Leilanis Augen blitzten mit den Diamanten in ihren Ohrläppchen und am Hals um die Wette – und gewannen.

      „Sie Mistkerl! Glauben Sie, dass Sie mich auf diese Art und Weise kleinkriegen?“ Leilani hasste Hysterie, aber im Moment war sie viel zu wütend, um ihre Stimme und sich selbst unter Kontrolle zu bringen. Obwohl sie etwa fünfzehn Zentimeter kleiner als der dunkelblonde Mann war und höchstens nur halb so kräftig, baute sie sich vor ihm auf.

      „Tristan, was ist los?“ Jannik stürmte aus dem Arbeitszimmer und blieb abrupt stehen, als er die exotisch wirkende Frau mit wütend blitzenden Augen sah. „Whoa!“

      „Leilani, ich weiß wirklich nicht, wovon du redest“, versuchte Tristan es erneut und hob beschwichtigend die Hände.

      „Ach nein? Sie schicken mir in einem Moment Blumen und `bitten´ um ein Ge­spräch, und im nächsten brechen Sie in meine Wohnung ein!“ Bei dem Wort `bitten´ malte sie erbost Gänsefüßchen in die Luft.

      „Ich bin nicht bei dir eingebrochen“, konterte Tristan und wurde langsam sauer. Er hasste es, wenn man ihn anbrüllte. Vor allem dann, wenn die Vorwürfe ungerechtfer­tigt waren.

      „Moment, Moment!“ Jannik trat mutig zwischen die beiden. „Bei Ihnen ist eingebrochen worden?“ Er sah der fremden Frau in die Augen und hob erstaunt die Brauen, als er die ungewöhnliche Augenfarbe bemerkte. Die bronzenen Strahlen­kränze um den Pupillen schienen wie Feuerzungen zu tanzen. Er nahm einen Duft wahr und bekam sofort Appetit.

      „Whoa!“, wiederholte er und trat zwei Schritte zurück. >Die Jungfrau? <, fragte er seinen Freund, der die Frau fassungslos anstarrte.

      >Die Jungfrau<, bestätigte Tristan. „Willst du dich nicht erst einmal beruhigen?“, fragte er die Frau.

      „Wie kann ich mich beruhigen, wenn Sie mit einem scheinheiligen Charme hinter mir her schnüffeln und dann meine Wohnung auseinandernehmen?“ Leilanis Atmung pumpte wie verrückt, ebenso ihr Herzschlag.

      Tristan sah die blitzenden Augen, die glühenden Wangen. Langsam sickerten die Informationen in sein Gehirn. >Bei ihr ist eingebrochen worden. Himmel, das ist …<

      Plötzlich fing Tristan an zu kichern. Zuerst versuchte er verzweifelt, das Kichern zu unterdrücken. Aber je mehr er über die Situation nachdachte, umso schlimmer wurde es. Seine Schultern zuckten plötzlich, er schlug sich die Hand vor den Mund. Ein trockenes, heiseres Lachen, zuerst leise, dann immer lauter werdend, kam aus seiner Brust.

      „Tristan?“ Jannik verstand seinen Freund nicht. Wie konnte er nur lachen, wenn die Frau offensichtlich Opfer eines Verbrechens geworden war.

      „Das finden Sie auch noch komisch?“, fragte Leilani wütend.

      Das war zu viel. Tristan konnte sich nicht mehr aufrecht halten und sank auf die Stufen der Treppe, die ins Obergeschoss führte. Dabei hielt er sich seinen Bauch. Sein tiefer Bass gab dem Lachen etwas Unwirkliches, Unheimliches.

      Leilani sah den jungen Mann, offenbar ein Bekannter oder Freund von Tristan Kadian, verunsichert an. Der junge Mann wiederum starrte seinen Freund fassungslos an, wurde blass.

      >Ich kenne dich seit 300 Jahren, habe dich auch schon Lachen hören, aber das hier ist skurril! <

      Tristan wieherte jetzt regelrecht vor Lachen, schien kaum noch Luft zu bekommen. „Das ist …“ Weiter kam er nicht, weil ein hysterischer Lachanfall den bisherigen noch übersteigerte.

      „Tristan, hör´ gefälligst auf!“, schrie Jannik seinen Freund an. „Das ist nicht komisch. Bei der jungen Dame ist eingebrochen worden, verdammt!“

      Tristan konnte nicht aufhören. Das empörte Gesicht seines Freundes setzte allem noch die Krone auf. Die ganzen Anspannungen der letzten Zeit wichen von ihm. In einem einzigen, wundervollen Lachanfall.

      Jan beschloss, seinen Freund fürs Erste zu ignorieren und wandte sich der Frau zu. Dabei achtete er darauf, ihren Duft nicht einzuatmen, um nicht unbeherrscht über sie herzufallen. Zwar interessierte ihn die Frau in keiner Weise auf sexuellem Gebiet, aber ihr Blutgeruch lockte ungemein.

      „Entschuldigen Sie bitte meinen Freund. Er hat in den letzten Monaten einiges mitge­macht, fürchte ich. Ist bei Ihnen viel gestohlen worden?“

      Leilani sah den Fremden Stirn runzelnd an. „Nein, ich …. Ich weiß nicht. Ich habe nicht viel gesehen. Bin gleich hierher, weil ich den da zur Rede stellen wollte.“ Sie zeigte mit dem Finger auf Tristan Kadian, der sich immer noch kichernd den Bauch hielt und die beiden mit hochrotem Kopf anblinzelte.

      Jannik schämte sich fremd für seinen