Claudia Schmidt

Detective Manson


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angreifen, also verzichten Sie bitte darauf, auf mich zu schießen, okay? Sie können mich mit normalen Kugeln zwar weder töten noch ernsthaft verletzen, aber es tut trotzdem verflixt weh.“

      Ich biss mir auf die Lippen, um nicht laut aufzulachen. Ein kurzes Prusten kam trotzdem heraus. „Ihre andere Gestalt? Wollen Sie mir etwa erzählen, Sie haben vor, sich jetzt und hier in meinem Büro … in einen Werwolf zu verwandeln?“

      Er lächelte sanft. „Ganz genau das, Detective Manson. Habe ich Ihr Wort, dass Sie nicht schießen werden?“

      Er war tatsächlich wahnsinnig. Schade, denn irgendwie war er mir sympathisch. Als er fragend die Brauen hochzog, nickte ich ihm zu. „Ich werde nicht schießen. Machen Sie nur.“

      „Gut, dann sehen Sie jetzt zu.“ In aller Ruhe begann er, sich direkt vor meinem Schreibtisch auszuziehen. Das war eine echte Premiere und ich bedauert kurz, dass mein Besucher keine Frau war.

      In seinem Anzug wirkte Malcolm Rawlings eher dünn und schmächtig, doch als er nackt war, wurde deutlich, dass er verdammt durchtrainiert war. Seine Muskeln waren wie Stahlseile unter der Haut und sein Sixpack ließ mich vor Neid erblassen, obwohl ich selbst auch nicht gerade untrainiert war.

      Eine Feinrippunterhose landete als letztes Kleidungsstück auf dem Stuhl. Rasch hob ich den Blick von seinem Körper zurück in sein Gesicht. Ich sah in dunkelbraune Augen, die mich belustigt musterten und während ich den Blick erwiderte, änderte sich die Farbe. Das Schokoladenbraun wurde heller und immer heller, bis beide Pupillen einem gelb-ockerfarbenem Ton leuchteten.

      Das war der Moment, in dem meine Selbstsicherheit schlagartig in sich zusammen fiel. Ich schluckte. Seine Haut veränderte sich, wurde dunkler. Fell spross hervor, seine ganze Gestalt verwandelte sich. Er wuchs in die Höhe und in die Breite, bis er an die zwei Meter hoch vor mir aufragte. Lange, scharfe Reißzähne schoben sich zwischen seinen Lippen hervor. Instinktive Angst schoss heiß und prickelnd durch meine Adern.

      „Ganz ruhig, Detective Manson“ knurrte die Kreatur mit tiefer, grollender Stimme, die mir die Haare zu Berge stehen ließ. „Ich werde Ihnen nichts tun.“ Das Wesen lachte dumpf. „Wenn Sie wollen, dürfen Sie mir sogar das Fell kraulen.“

      Nach diesem absurden Angebot ging die restliche Verwandlung in einem Augenblick vor sich. Eben noch war Rawlings’ halb behaartes Gesicht zu sehen und nach einem Blinzeln starrte ich in die bedrohliche Fratze eines riesigen, dunkelbraunen Werwolfs. Die Reißzähne ragten jetzt über fast schwarze Lefzen aus einem vorspringenden Wolfsmaul. Große Nasenlöcher blähten sich, als sie meinen Geruch aufnahmen und bei meinem entsetzten Keuchen zuckten die spitz zulaufenden, großen Ohren. Leuchtend gelbe Raubtieraugen starrten mich an.

      Mochten die Worte auch beruhigend gewesen sein, jeder Instinkt in mir schlug wie rasend Alarm. Meine Nebennieren pumpten Adrenalin durch meinen bis zum Bersten angespannten Körper und nur mit Mühe konnte ich den Drang zur sofortigen Flucht unterdrücken. Sowieso wäre mir als Fluchtweg nur ein Sprung durch das geschlossene Fenster hinter mir geblieben, denn der Weg zur Tür war durch das riesige Monstrum wirksam versperrt. Allerdings war ein Sprung aus dem dritten Stock nicht unbedingt meine erste Wahl. Jedenfalls nicht solange der Werwolf brav vor dem Schreibtisch stehen blieb.

      „Nun, sind Sie überzeugt genug, Detective?“

      Die, wenn auch grollende und raue, aber eindeutig menschliche Stimme aus diesem bedrohlichen Maul zu hören, warf mich beinahe vom Stuhl. Ich wollte antworten, doch mein Mund war staubtrocken. Die Zunge klebte mir am Gaumen, ich brachte keinen Ton hervor und nickte daher nur.

      Wieder kam dieses dumpfe, rollende Lachen tief aus dem mächtigen Brustkorb. „Dann werde ich Sie mal erlösen, bevor Sie sich vor Angst noch in die Hose machen.“

      Die Kreatur schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und atmete tief ein. Beim Ausatmen lief die Rückverwandlung blitzschnell ab und beim letzten Schnaufen stand wieder Malcolm Rawlings in seiner menschlichen Gestalt vor mir. 160 cm groß, schlank, fast kahlköpfig und nackt. Seine Nacktheit schien ihn nicht zu bekümmern. Er holte ein Glas aus meiner bescheidenen Hausbar, goss es halbvoll aus der einzigen Flasche, die dort stand, einem zwölf Jahre alten Single Malt und stellte beides auf den Tisch. Das Glas schob er mir dann langsam zu.

      „Hier, nehmen Sie einen Schluck. Ich denke, das können Sie brauchen.“ Er nickte mir anerkennend zu. „Und verdammt, Sie haben sich einen Drink verdient!“

      Schnell und ohne Umschweife stieg er in seine Kleidung, während ich den Whisky in einem Zug hinunter stürzte.

      „Sie haben sich erstaunlich gut gehalten, Manson. Ich konnte Ihre Angst riechen, Sie waren kurz vor einer Panik und trotzdem sind Sie ruhig sitzen geblieben. Sie haben nicht einmal nach Ihrer Waffe gegriffen.“

      Wieder ordentlich bekleidet setzte Rawlings sich auf den Stuhl, als wenn überhaupt nichts gewesen wäre. Ohne hinzusehen griff er nach der Flasche und reichte sie mir.

      Ich griff danach und goss mein Glas noch mal halb voll. Doch diesmal nippte ich nur leicht. Ein benebeltes Gehirn konnte ich mir nicht leisten, solange ein Mann in meinem Büro saß, der sich innerhalb von Sekunden in einen zwei Meter großen, echten und lebendigen Werwolf verwandeln konnte.

      Meine Eingeweide verknoteten sich. Wahrhaftig, eben gerade hatte ich noch einer wahr gewordenen Horrorgestalt in die gelben Raubtieraugen gesehen. „Teufel noch mal, das ist unglaublich.“

      „Wahrscheinlich“ stimmte Rawlings mir zu. „Schließlich wird jedem Kind beigebracht, dass es keine Monster gibt, nicht wahr?“

      „Ein offensichtlicher Irrtum“ murmelte ich und atmete tief durch.

      „Ein halber Irrtum“ korrigierte er mich. „Auch wenn ich so aussehen mag, ich verstehe mich nicht als Monster.“

      Ich hob mein Glas. „Auf Schein und Wirklichkeit. Ich habe schon Leute ins Gefängnis gebracht, die äußerlich Schwiegerelterns Lieblinge waren, aber innerlich verdorben bis ins Letzte. Es zählt, was man tut, nicht wie man aussieht. Wenn man Bösewichte am Äußeren erkennen könnte, wäre mein Job um einiges leichter.“

      Malcolm Rawlings füllte sich selbst auch ein Glas und erwiderte den Prost. „Auf Schein und Wirklichkeit, Detective.“

      Als ich mein eigenes Glas wieder absetzte, musterte ich meinen Besucher. „Darf ich fragen, wie und wann Sie … hm … infiziert wurde?“

      „Gar nicht. Ich bin ein Lupos hominies.“

      „Ein… was?“

      „Lupos hominies. Das heißt, ich wurde schon so geboren. Ebenso wie meine ganze Familie. Das Werwolf-Gen ist scheinbar immer dominant. Wir kennen viele Familien unserer Art.“

      Ich blinzelte. Ganze Familien aus Werwölfen? Wie war es möglich, dass trotzdem nichts über sie offiziell bekannt war, wenn es so viele von ihnen gab? „Sind alle Werwölfe so wie Sie? Ich meine, dass sie auch in ihrer … anderen Gestalt menschlich denken und reden können?“

      Rawlings’ Gesicht umwölkte sich leicht. „Im Prinzip schon, aber wie bei euch Homo Sapiens gibt es gute und schlechte, besonnene und cholerische und leider auch welche, die sich ganz bewusst dem Rausch hingeben. Diese sind dann genau so, wie sie in Filmen dargestellt werden.“

      Ich schauderte. „Das hätte aber dann doch in allen Zeitungen stehen müssen, wenn zerrissene und halb aufgefressene Leichen gefunden werden.“

      „Wir haben aus Jahrhunderten der Verfolgung gelernt, uns und unsere Unfälle zu verbergen.“ Rawlings stand auf und trat ans Fenster. Nachdenklich starrte er in den strömenden Regen hinaus. „Das ist einer der Gründe, warum ich hier bin, Detective Manson. Innerhalb der hier lebenden Sippen gibt es strenge Regeln und wenn jemand dagegen verstößt und somit unser Geheimnis riskiert, wird er von uns selbst aufgehalten und bestraft. Anonymität ist unserer bester Schutz und Tarnung unsere Sicherheit.“

      „Das leuchtet mir ein. Aber was soll ich dabei tun? Mit Silberkugeln auf die Jagd gehen?“

      „Nein“ kam die ruhige Antwort. „Einer solchen