Claudia Schmidt

Detective Manson


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als ich die Drohung darin mehr ahnte als wirklich zu hören. Doch in punkto Willensstärke ließ ich mir auch von einem knurrenden Wolf nichts vormachen. „Glauben Sie mir, ich verstehe Ihre Sorge. Doch Sie sind zu mir gekommen, weil Ihre Nachforschungen ergeben haben, dass Sie mir vertrauen können, nicht wahr?“

      „Ja.“

      „Dann vertrauen Sie auch meinem Urteil, Mr Rawlings. Ich lege für Carolines Verschwiegenheit meine Hand ins Feuer. Keiner von uns beiden wird Sie verraten. Unabhängig davon, ob die Vereinbarung zustande kommt oder nicht.“

      „Nein, wir erlauben keine weiteren Mitwisser.“

      Da hatte er die falschen Worte gewählt. Abrupt versteifte ich mich. Über den Schreibtisch hinweg starrte ich ihm hart in die Augen. „Erlauben? Wofür zum Teufel halten Sie sich, dass Sie glauben, mir Vorschriften machen zu können? Ich bin nicht Ihr Handlanger, Rawlings, und auch nicht einer aus Ihrem Rudel, dem Sie Befehle geben können.“

      „Richtig, das kann ich nicht.“ Der Blick, der mir entgegen sah, war nicht minder hart als meiner. „Und es geht hier nicht um Vorschriften oder Befehle. Es ist nicht Ihr Geheimnis, über das Sie frei verfügen können, Manson, sondern meines und das von meinesgleichen. Ich habe es Ihnen erzählt, damit Sie zu unserem Vorschlag Ja oder Nein sagen können. Sie nicht Miss Wilbert. So leid es mir tut, wir gestatten nicht, dass unser Geheimnis weiteren Personen zugetragen wird.“

      Ich schürzte die Lippen. Eine lästige Angewohnheit, die mich immer überfiel, wenn mir eine Situation nicht behagte. Um nachzudenken trat ich ans Fenster und sah in die Dämmerung hinaus. Der Regen hatte endlich aufgehört, nur ein paar vereinzelte Tropfen rannen noch am Glas herunter. Am Horizont war die Wolkendecke aufgerissen und ließ goldene Sonnenstrahlen hindurch, die vor dem dunklen Hintergrund noch leuchtender schienen. Ein wunderschöner Anblick, der mich sogar für einen Moment von meinem Problem ablenken konnte. Aber eben nur einen Moment. So wenig es mir behagte, ich musste ihm zugestehen, dass er tatsächlich bestimmen konnte, ob sein Geheimnis weiteren Personen zugetragen werden durfte oder nicht. Das stellte mich vor ein echtes Dilemma. Einerseits war das ein verdammt verlockendes Angebot. Eine solche Armee hinter mir zu haben, war die Chance meines Lebens. Damit konnte ich endlich meinen Job so ausführen, wie ich es mir wünschte und ich würde nie mehr daran scheitern, dass nicht genügend Beamte für eine Aufgabe zur Verfügung standen oder das SEK gerade an einem anderen Ort im Einsatz war. Ich hätte jederzeit dreißig Einsatzkräfte zur Verfügung. Dazu waren Werwölfe auch noch immun gegen Kugeln oder Messer – jedenfalls solange kein Silber daran war – und konnten in Gefahrengebieten eingesetzt werden, in die normale Polizisten nie geschickt werden dürften. Banküberfälle, Geiselnahmen, Terrorzellen, gewaltbereite Demonstranten… mir fielen auf Anhieb eine Menge Einsatzgebiete ein. Und bitteschön, welcher Gangster würde nicht freiwillig aufgeben und geradezu darum betteln, verhaftet zu werden, wenn auf der anderen Seite riesige Werwölfe standen?

      Ja, es gab viele Gründe, die dafür sprachen. Doch wie sollte ich es mit mir selbst vereinbaren, Caroline dafür ständig anzulügen? Wir sprachen oft über unsere jeweiligen Tage und Berufe. Sie wusste, wie es bei der Polizei zuging. Was sollte ich ihr erzählen, wenn ich eine brenzlige Situation plötzlich ohne Verstärkung und trotzdem ohne Verluste bereinigte? Nun, ein oder vielleicht auch zwei solcher Vorfälle könnte ich mit Glück oder einem Überraschungsmoment erklären, aber dann… Fraglos würde sie spätestens dann anfangen misstrauisch zu werden und Fragen zu stellen. Und sie wurde merken, wenn ich sie anlog, dass ich etwas vor ihr verbarg. Konnte ich das tun? Konnte ich das absolute Vertrauen zwischen uns zerstören? Die Antwort darauf war einfach und klar: Nein.

      Ich hatte mein Handwerk von der Pike auf gelernt und Millionen anderer Polizisten auf der ganzen Welt kamen tagtäglich ohne die Hilfe mystischer Wesen aus. Genau so wie ich bisher auch und so musste ich dann eben weitermachen. Meine Entscheidung war gefallen.

      Als ich mich umdrehte, schien Rawlings die Antwort von meinem Gesicht ablesen zu können, denn er runzelte die Brauen und presste die Lippen aufeinander.

      Kapitel 2

      „Sie haben recht, Mr Rawlings, Sie können bestimmen, wer Ihr Geheimnis wissen darf und wer nicht. Ich geben Ihnen mein Wort, dass ich es niemandem erzählen werde. Auch Caroline nicht.“

      „Aber Sie werden das Angebot nicht annehmen“ stellte er ruhig fest.

      „Nein.“ Ich ging zum Schreibtisch zurück, goss etwas Whisky in ein zweites Glas und reichte es meinem Besucher. Nach kurzem Zögern nahm er es an. „Trotzdem werde ich Berichte über seltsame Sichtungen nicht weiter verfolgen und Ihre Anonymität schützen, so weit es mir möglich ist. Achten Sie nur darauf, Ihre Wölfe ruhig zu halten. Wenn es zu viele Sichtungen gibt, oder gar Verletzte oder Tote, muss ich eine Untersuchung einleiten.“

      Rawlings musterte mich verdutzt. „Sie werden unsere Anonymität schützen…? Aber dann,… ich meine, damit erfüllen Sie dann doch genau das, worum wir bitten. Mehr wollen wir doch gar nicht.“

      „Ich weiß.“

      „Ich verstehe nicht ganz. Soll das heißen, Sie wollen unsere Bitte erfüllen, ohne die angebotene Gegenleistung anzunehmen?“

      Mit einer kurzen Geste deutete ich auf den Stuhl und setzte mich ebenfalls, als Rawlings der Aufforderung nachkam. „Hören Sie, es würde zu einer unkontrollierbaren Panik kommen, wenn heraus käme, dass es Werwölfe wirklich gibt und wie viel alleine in diesem Bezirk leben. Also ist es eine gute Sache, diesen Fakt besser geheim zu halten. Wie gesagt, solange nichts passiert, das mein Eingreifen erfordert und darum bin ich einverstanden.“ Ich nippte an meinem Whisky. „Doch mit Ihnen zusammen arbeiten kann ich nicht, wenn ich Caroline dafür anlügen müsste. Sie kennt die normalen Vorgänge bei Einsätzen gut genug, um schnell zu erkennen, dass etwas anders wäre, wenn ich eine Armee von fast unverletzbaren Wesen hätte und alles zu leicht abliefe. Sie würde wissen, dass ich lüge und das kann ich auf keinen Fall tun.“

      Mein Gast mustere mich eine ganze Weile. „Das ist Ihr einziger Grund?“ Er klang etwas ungläubig und blinzelte, als ich nickte, ohne zu lachen.

      „Ja, ganz recht. Tut mir leid, wenn Sie es nicht verstehen, aber…“

      „Oh, nein nein, ich verstehe es durchaus. Ich habe nur nicht damit gerechnet, so etwas bei einem so jungen Mann zu erleben.“

      „Jungen Mann? Vielen Dank“ antwortete ich trocken, „aber mit sechsunddreißig Jahren zähle ich mich nicht mehr zum jungen Gemüse.“

      Ein bisschen erschrak ich, als Rawlings ein seltsam ersticktes Geräusch von sich gab. War etwas mit ihm? Doch dann prustete er plötzlich los. Laut pochend stellte er das Glas ruckartig auf den Tisch, wobei ein paar Tropfen Whisky überschwappten, und hielt sich die Seite vor Lachen. Es dauerte einige lange Sekunden, bis er sich einigermaßen beruhigte. „Sorry“ jappste er, zauberte ein Taschentuch hervor und wischte die Alkoholflecken auf. Ich hielt ihm zugute, dass er redlich bemüht war, sein Grinsen im Zaum zu halten. Auch wenn er nur mäßigen Erfolg hatte. „Manchmal vergesse ich einfach, wie kurz ein Menschenleben ist.“

      „Eine Menschenleben?“

      „Um Ihrer Frage vorweg zu nehmen, oder falls Sie zu höflich sind, sie zu stellen: mein sechsunddreißigster Geburtstag liegt jetzt“ er rechnete kurz nach „etwas mehr als hundertsiebenundfünfzig Jahre zurück.“

      Darauf fiel mir keine schlagfertige Antwort ein. Um den Schock zu dämpfen, nahm ich einen großen Schluck von dem weichen Single Malt und sinnierte darüber, dass das Werwolfdasein offenbar ziemliche Vorteile hatte. Fast unverwundbar, offenbar außerordentlich langlebig und der größte Nachteil, einmal im Monat zu einer wilden, unbezähmbaren und mörderischen Bestie zu werden, schien nur ein Mythos zu sein.

      „Nehmen Sie es mir also nicht übel, wenn ich Sie zu den jungen Leuten zähle.“ Er war wieder ernst. „Es war mein Ernst, dass ich diesen Grund verstehe und auch respektiere. Aufrichtigkeit ist der Grundstein für Vertrauen und Vertrauen wiederum der Grundstein für eine gute Beziehung.“

      „Genau