Claudia Schmidt

Detective Manson


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so ruhig wie möglich halten.“

      „Das ist gut.“ Ich brachte meinen Gast zur Tür und wir schüttelten uns freundschaftlich die Hand.

      Es dauerte zwei ganze Wochen, bis ich das erste Mal einen dieser seltsamen Anrufe miterlebte. Zwischen all den Geräuschen der Drucker, Faxgeräte, klingelnder Telefone und Kollegen, die Anzeigen aufnahmen oder Befragungen durchführten, stach der belustigte Tonfall von Inspektor George Perkins ungewöhnlich genug hervor, dass ich mich unwillkürlich umdrehte. Als er meinen Blick bemerkte, tippte Perkins sich an die Stirn und grinste. Er verdrehte die Augen, während er zuhörte. Meine fragend hochgezogenen Brauen quittierte er mit einem Kopfschütteln.

      „Aha, ein großer, grauer Werwolf hat eine Ihrer Kühe gerissen.“ Perkins seufzte vernehmlich. „Und lassen Sie mich raten, Mr Hollister, es ist Ihnen auch diesmal nicht gelungen, den Werwolf deutlich zu fotografieren.“ Er hörte einen Moment zu. „Ja ja, so ist das eben mit diesen Tierchen. Sie sind dafür bekannt, dass sie fotoscheu sind.“ Offenbar fand der Anrufer das nicht allzu lustig und Perkins’ Stimme wurde schärfer. „Ich glaube eher, dass Sie uns veralbern wollen, Hollister. Es gibt keine Werwölfe, Mann! Das ist Aberglauben.“ Kurzes Zuhören. „Was weiß ich, vielleicht hat einer Ihrer Nachbarn Ihnen einen Streich gespielt und Sie sind auch noch prompt darauf hereingefallen. – Nein, wir werden nicht noch mal mitten in der Nacht ausrücken, um Phantome zu jagen. Ich schicken Ihnen morgen früh jemanden, der den Sachverhalt für den Bericht aufnimmt. – Nein, ganz sicher nicht. – Das ist Unsinn, Hollister, …. – Na, dann halt nicht. – Ja, Ihnen auch.“

      Sachte legte Perkins den Hörer auf, fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und grinste mich dann an. „Machen Sie sich keine Gedanken, Detective. Frank Hollister sieht jede Vollmondnacht Werwölfe auf seiner Ranch.“

      Ich erwiderte das Grinsen. „Ah ja, ich habe schon von der seltsamen Fauna in dieser Gegend gehört. Wenigstens hält er sich an die allgemeinen Vorgaben, wenn er nur in Vollmondnächten anruft.“

      „Zum Glück“ brummte Perkins trocken. „Drei Nächte jeden Monat reichen mir auch völlig mit diesem Unsinn.“

      Alle Kollegen die zugehört hatten, lachten und gaben mit kurzen Rufen ihre Zustimmung kund.

      „Warum gerade Werwölfe?“ gab ich mich ahnungslos. „Hat er zu viele Horrorfilme gesehen, oder ist er einfach nur verrückt?“

      „Frank trinkt gerne mal einen über den Durst“, warf Inspektor Haberling ein. „Und während normale Säufer nur harmlose weiße Mäuse sehen, sind es bei ihm eben Werwölfe.“

      „Armer Kerl“, brummte ich und meinte es von Herzen ehrlich.

      „Soll er doch das Saufen lassen“, knurrte Inspektor Steward, ein Hüne von Mann mit kurzem blonden Stoppelhaar. „Einige Male war ich schon draußen und habe mir die Nacht um die Ohren gehauen, um nach Fantasiegestalten zu suchen. Natürlich immer ohne irgendwas zu sehen. Nur ein paar Abdrücke im Erdboden und eben das tote Rind.“

      „Abdrücke?“ Ich horchte auf. „Was für Abdrücke?“

      „Das ist das einzige, das ihn bisher vor der Psychiatrie bewahrt hat. Den Spuren zufolge war tatsächlich etwas Zweibeiniges mit großen Pfoten und Krallen auf den Weiden unterwegs und den Verletzungen am Vieh nach zu urteilen, war etwas mit ungeheurer Kraft am Werk.“

      Tatsächlich? Die Härchen in meinem Nacken richteten sich auf, als ich an das riesige Monstrum dachte, das vor zwei Wochen in meinem Büro gestanden hatte. Ob betrunken oder nicht, solch ein Monster musste einem eine höllische Angst einjagen und ich konnte mir seinen Frust vorstellen, weil ihm niemand glaubte. Ich war der einzige Mensch hier, der genau wusste, dass Frank Hollister nicht halluzinierte.

      „Was glauben Sie, war es? Haben wir hier ein Problem mit einem Bären oder Raubkatzen? Etwas, das aus einem Zoo ausgebrochen ist?“

      „Ach Unsinn“, wehrte Perkins ab und scheuchte Steward mit einer raschen Kopfbewegung zurück. „Diese Spuren sind reiner Fake. Keine Raubkatze läuft auf zwei Beinen und kein Bär hat solche Pfoten. Es sind irgendwelche Spinner, die sich einen Spaß daraus machen, den stadtbekannten Säufer in Angst und Schrecken zu versetzen. Wahrscheinlich sitzen sie jetzt irgendwo zusammen und lachen sich schlapp, weil es wieder mal geklappt hat.“

      Ich nickte, doch einen Punkt gab es noch. „Aber es wurde Vieh gerissen, oder?“

      Abrupt verfinsterte sich Perkins’ Gesicht. „Allerdings und genau damit gehen die Kerle zu weit. Klar, Hollister bekommt das tote Vie jedes Mal ersetzt, wenn er unseren Bericht über Vandalismus und Sachbeschädigung vorlegt, aber wenn ich diese Idioten irgendwann in die Finger bekommen, werden die mich mal richtig kennen lernen.“

      „Gut“, gab ich mein Einverständnis. „Haben Sie einen Verdacht, wer dahinter stecken könnte?“

      „Ein paar“, brummte Perkins. „Aber ich habe nicht den Hauch eines Beweises, nicht mal ein Indiz. Daher möchte ich erstmal niemanden offiziell verdächtigen.“

      „Ok, aber bleiben Sie am Ball.“

      „Ja, Sir.“

      „Gut, Männer, dann wünsche ich eine ruhige restliche Schicht.“ Ich klopfte auf den Tisch und trat etwas verspätet meinen Feierabend an. Eigentlich hätte ich schon vor über einer Stunde gehen können, doch die Neugier hatte mich hier gehalten. Es war die erste Vollmondnacht seit Rawlings Besuch und ich hatte wissen wollen, ob etwas passierte. Jetzt hatte ich die Antwort.

      Zumindest ein Teil davon. Den Rest wollte ich mit eigenen Augen sehen. Ich schluckte etwas unbehaglich, denn wollen war etwas zu optimistisch formuliert. Es war eigentlich nicht unbedingt mein Wunsch, in die Nacht zu gehen und genau dorthin zu fahren, wo gerade ein Werwolf gesehen worden war, während der runde Vollmond am Himmel stand.

      Aber nur so konnte ich mich überzeugen, ob Rawlings mir die Wahrheit gesagt hatte und seine Werwölfe wirklich harmlos waren. Werwolf und Harmlos schienen mir zwei Synonyme, die einander eigentlich ausschlossen. Denn trotz seiner eindrucksvollen Demonstration damals, steckten die Vorurteile und Ängste noch zu tief in mir drin.

      Ebenso eine instinktive Furcht, als ich meinen Rover über die düstere Straße lenkte. Frank Hollister wohnte etwas außerhalb von Callowstone und wie in solchen Kleinstädten üblich, gab es nur im Ortskern Laternen, so dass das einzige Licht von meinen Scheinwerfern und der hellen, bleichen Scheibe am Himmel kam. Alles in allem die perfekte Szene für einen Horrorfilm und ganz automatisch lauschte ich auf das klassische Heulen, durch mein leicht geöffnetes Fenster. Doch neben dem sanften Schnurren des Motors war nur hin und wieder der entfernte Ruf eines Käuzchens zu hören.

      Um die nächste Kurve lag Hollisters größte Weide. Hinter der Kurve fuhr ich auf die Auffahrt zur Weide. Ich schaltete meine Scheinwerfer aus und ließ den Rover die letzten zwei Meter bis zum Zaun ausrollen. Dann stoppte ich und saß einen sehr langen Moment reglos in der Stille.

      Tja, und nun? Ich war ja nicht hier herausgefahren, um einfach sitzen zu bleiben, aber mir behagte der Gedanke gar nicht, meinen Wagen zu verlassen, der mir wie eine sichere Zuflucht vorkam. Ich ließ meinen Blick aufmerksam durch das silbrige Dämmerlicht schweifen und suche nach verdächtigen Bewegungen. Es gab nicht einmal ein Huschen am Rand oder sonstiges. Alles war ruhig und still, so wie es nachts eben sein sollte, und mit einem schweren Seufzen gab ich mir einen inneren Ruck. Langsam und angespannt stieg ich aus, jederzeit bereit, mit einem Satz wieder in den Wagen zu springen. So stand ich eine ganze Weile neben der offenen Tür und lauschte mit allen Sinnen, wagte kaum zu atmen.

      Es dauerte einige Minuten, doch schließlich entspannte ich mich allmählich und begann zu hoffen, dass ich nicht in den nächsten Sekunden von einer Bestie zerrissen würde. Tief atmete ich durch und ließ die Wagentür zuschnappen. Yeah, meine heutige Heldentat!

      Ich zog einen Zigarillo aus der Hemdtasche und zündete es an, inhalierte den würzigen Rauch und blies ein paar Kringel in die Luft.

      Aus dem Dickicht direkt neben mir erklang ein neugieriges Schnüffeln. Die Blätter raschelten und die Zweige wankten heftig, als sich