Claudia Schmidt

Detective Manson


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für Ihr Vertrauen, Joe. Ich werde es nicht missbrauchen. Und ich heiße Marcus.“

      Eine Antwort bekam ich nicht, doch das lag wohl eher daran, dass in diesem Moment der Streifenwagen um die letzte Kurve bog. Für zwei Sekunden stand ich eingehüllt in das helle Licht der Scheinwerfer, dann war der Wagen mit mir auf gleicher Höhe und stoppte abrupt.

      „Detective…“ hörte ich eine verblüffte Stimme. „Was machen Sie denn hier draußen… Sir?“

      Ich blinzelte ein paar Mal, um meine Augen nach dem plötzlichen Licht wieder an die Dunkelheit anzupassen. Die Stimme aber erkannte ich auch so. „Nanu, Perkins, ich dachte, Sie wollten nicht hier raus fahren.“

      „Wollte ich auch nicht.“ Der Inspektor stieg aus. „Aber Hollister hat weitere Angriffe gemeldet und ich hatte gehofft, die Kerle auf frischer Tat zu ertappen. Und … wieso sind Sie hier, wenn ich fragen darf?“

      „Auch so ähnlich. Ich dachte mir, dass die Typen sich vielleicht so sicher fühlen, dass sie mit dem Unsinn weitermachen, nachdem Hollisters Hilferuf erfolglos geblieben war. Sie sagten vorhin, das wären wohl Spinner, die ihn erschrecken wollten und sich kaputt lachen, weil niemand ihn mehr ernst nimmt. Also habe ich gedacht, ich komme her und passe ein bisschen auf.“

      Scheinbar noch nicht ganz überzeugt, aber schon weniger misstrauisch kratzte Perkins sich am Kinn. „Hmm ja… Tja, dann hatten Sie wohl den richtigen Riecher, Detective, denn sie haben weitergemacht. Hollister rief vor ca. zehn Minuten auf der Wache an und meldete einen weiteren Überfall.“

      „Wo?“

      „Es soll genau hier gewesen sein. Er meinte, er hätte sie von seinem Haus aus sehen können. Seit wann sind Sie denn hier?“

      „Ich bin vorhin gleich vom Revier hergefahren.“ Aus der Beifahrertür stieg Inspektor Steward aus und ich nickte dem Hünen grüßend zu. „Und seit ich hier bin, herrscht hier eine Grabesstille.“

      „Sie haben wirklich nichts gesehen? Oder irgendwas gehört?“

      „Nein, absolut gar nichts.“ Selbst mein Kumpel der Werwolf nicht, doch das konnte ich dem Inspektor kaum auf die Nase binden. Also deutete ich auf die beiden Zigarillostummel auf dem Boden. „Ich hab hier in Ruhe zwei geraucht und wollte mich gerade auf den Heimweg machen, als ich Ihre Scheinwerfer sah. Da der Weg so schmal ist, wollte ich den Wagen erst vorbeilassen und außerdem war ich neugierig, wer mitten in der Nacht hier längs fährt.“

      „Ich hab’s dir doch gleich gesagt, George“, knurrte Steward. „Der Alte hat nur gesponnen. Wahrscheinlich hat er sich auf den Schreck gleich noch ein paar Korn hinter die Binde gekippt und sieht jetzt wohl schon Werwölfe die Wände bei sich die Wände hochklettern. Er muss echt mal zur Entziehungskur.“

      „Na ja, das kann schon sein, “ brummte Perkins „aber was ist dann mit dem abgeschlachteten Vieh?“

      Steward spuckte auf den Boden. „Wer weiß. Möglich dass er das in seinem besoffenen Wahn selber gemacht und sich später nicht mehr daran erinnert. Also schiebt er das den Werwölfen in die Schuhe.“

      Perkins wirkte jetzt richtig wütend. „Kannst recht haben, Hank. Wenn der Detective nichts gehört hat, war Hollisters Anruf ein Fake. Verdammter Säufer! Na los, fahren wir zum Revier zurück. Und wenn der Kerl heute noch mal anruft, kann der was erleben.“

      Während Perkins einstieg, warf Steward mir einen Blick zu und grinste mich an. „Passen Sie gut auf, Detective, dass Sie nicht in den Hintern gebissen werden, falls ein Werwolf aus den Büschen springt.“ Lachend stieg er ebenfalls ein.

      Grüßend hob ich eine Hand, als der Wagen mit durchdrehenden Reifen rückwärts fuhr. Im bläulichen Licht der Armaturen sah ich Stewards Gesicht. Er lachte immer noch über seinen Witz, ohne auch nur zu ahnen, wie nahe er der Wahrheit gekommen war.

      Nach einigen Sekunden herrschten wieder Ruhe und Dunkelheit. Ich drehte mich um und ging zu meinem Rover. An der Tür verharrte ich und sah mich um. Um mich herum war alles still, doch davon hatte ich mich heute Abend schon einmal täuschen lassen. „Nur um das klar zu stellen, Joe, “ sagte ich im Plauderton „falls Sie mich in den Hintern beißen, stecke ich den Dorn wieder in Ihre Pfote.“

      Ich glaubte, irgendwo im Unterholz ein unterdrücktes Schnaufen zu hören, stieg schmunzelnd in den Wagen und folgte meinen Kollegen.

      *

      Am nächsten Vormittag, es war erst kurz nach zehn, trat ich eine Kneipe, als Caroline gegenüber in einem Schuhgeschäft verschwunden war. Ich folgte einem drahtigen Mann mit roten Haaren, der aus eben diesem Laden gekommen war und deutlich so aussah, als wäre er auf der Flucht.

      Er wurde mit großem Hallo begrüßt, doch die meisten verstummten, als sie mich erkannten, was den Mann dazu brachte, sich umzudrehen. „Nanu, Detective Manson, nicht wahr? Hab ich was angestellt?“

      „Absolut nicht.“ Ich grinste ihm beruhigend zu. „Ich hab nur gesehen, wo Sie herkamen und hingingen und da meine Verlobte auch gerade da drüben rein ist, fand ich, dass das eine hervorragende Idee ist.“

      Lachend deutete er auf zwei Hocker an der Theke. „Verstehe. Na, dann kommen Sie, für Leidensgenossen ist bei George immer was frei.“ Wir setzten uns. „Ich habe mich schon oft gefragt, ob es nur reiner Zufall ist, dass eine Kneipe genau gegenüber dem Schuhgeschäft liegt“, sinnierte er.

      Von der anderen Seite der Theke hob der Wirt ein Bierglas hoch und der rothaarige Mann nickte zustimmen. Ich schüttelte den Kopf und formte meine Bestellung einer Cola mit den Lippen, schließlich musste ich nachher noch zum Dienst und es wäre wohl kaum wünschenswert, wenn der ranghöchste Polizist dann mit einer Fahne auftauchte.

      „Keine schlechte Idee. Damit kann man sicher ein gutes Geschäft machen.“

      „Ich bin übrigens Joe Morton“, stellte er sich vor. „Vielleicht sollte ich überlegen, gegenüber meinem Weinladen in der Satter Road auch ein Schuhgeschäft zu eröffnen. Oder einen Hutladen oder so was.“

      Ich verbot mir, die Augen zu verdrehen. Meine Güte, noch ein Joe. Als hätten die Bewohner hier vergessen, dass es auch noch andere Namen gab. Mit Joe, Hank und George konnte man in einem Atemzug mindestens die Hälfte der Einwohner von Callowstone nennen. Kein Wunder, dass der Joe gestern Nacht kein Problem hatte, mir seinen Vornamen zu nennen.

      Der Wirt, ein Bulle von Mann mit einem gewaltigen Schnurrbart und einem kugelrunden Bauch, der das Band der Schürze gefährlich spannte, brachte unsere Gläser und schob eine Schale Erdnüsse vor uns hin. Mit einer schaufelgroßen Hand wedelte er vor Joes Nase herum. „Na na, Junge, du willst doch wohl nicht meine beste Geschäftsidee einfach so kopieren.“

      Joe grinste. „Ich wird’s mir überlegen, wenn ich das nächste Mal ein besser gezapftes Bier bekomme. Nicht so eines, wo die Hälfte nur Schaum ist.“

      „Wie, du kleiner Schnösel“, schnaufte der Wirt und sträubte seinen Schnurrbart, was wirklich beeindruckend aussah. „Willst du dich etwa beschweren?“

      Unbekümmert zuckte Joe die Achseln. „Wie gesagt, ich wird’s mir überlegen.“

      Er lachte über den brummigen Blick und wandte sich mir zu. „Diese empfindliche Bohnenstange ist übrigens George Hammings.“

      Und noch ein George. Diesmal seufzte ich doch.

      „Willkommen, Detective“, grinste er. „Wie gut, dass Sie hier sind und es gehört haben. Dann können Sie ihn gleich mitnehmen und in eine Zelle stecken wegen übler Nachrede.“

      Ich lachte. „Ich wird’s entscheiden, wenn ich das erste Gezapfte von Ihnen bekomme.“

      „He!“ brummte George empört und verfiel in seinen breitesten Akzent. „Nu fang’ Se ma nich auch noch so an! ‚s reicht ja wohl, wenn mir dieser lütsche Welpe hier auf’er Nase rumtanzen tut. Den muss man ma richtich an’ne Leine nem’.“

      Welpe? Mein Magen zuckte ahnungsvoll, doch äußerlich ließ ich mir nichts anmerken, sondern hob bedauernd die Schultern.