Claudia Schmidt

Detective Manson


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wie Handlanger benutzt und auf offizieller Seite die Lorbeeren für ihre Verdienste eingesackt. Solch ein Verhalten passte zu einem kleinen Despoten und ich schüttelte mich innerlich. „Tut mir leid, das zu hören. Die letzten Jahre waren wohl nicht die besten.“

      „Es ging. Wir wussten ihn zu nehmen, “ kam die gleichgültige Antwort.

      Einen Moment musterte ich ihn. „Ehrlich gesagt, wundert es mich dann umso mehr, dass Sie sich mir gezeigt haben.“ Ich schmunzelte. „Oder soll ich glauben, dass man mit einem einfachen marokkanischen Zigarillo tatsächlich Werwölfe anlocken kann?“

      Wieder lachte er leise. „Einige bestimmt. In dieser Gestalt sind unsere Sinne alle hundertfach feiner und dieser Zigarillo roch so exotisch und … und so verlockend, dass ich einfach nicht widerstehen konnte. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige meiner Brüder und Schwestern davon ebenso angezogen werden. Also rechnen Sie besser immer mit Besuch, wenn Sie nachts draußen rauchen.“

      „Ich werde daran denken.“ Schmunzelnd zog ich ein Stäbchen hervor und zündete es an. „Wären Sie ohne den Zigarillo auch aus Ihrem Versteck gekommen?“

      Erneut schnupperte er genüsslich und grinste wieder. Ich seufzte leise, als die Härchen sich aufstellten.

      „Durchaus möglich.“ Beinahe verschwörerisch blinzelte er mich an. „Wir kennen uns nämlich schon.“

      Fast bei jedem Einwohner hier hatte ich mich insgeheim schon gefragt, wer von ihnen wohl eine zweite, geheime Seite hatte. Deshalb überraschte mich diese Auskunft nicht allzu sehr. „Vermutlich kenne ich schon mehr, als ich auch nur ahne. Schließlich seid ihr außer Werwölfe am Tag und in Nichtvollmondnächten auch nur normale Menschen, die Miete, Strom, Lebensmittel und alles andere bezahlen und daher auch irgendwie verdienen müssen.“

      Deutlich konnte ich seine Verblüffung erkennen. Ich fand es beruhigend, dass ich trotz Fell und Schnauze allmählich menschliche Mimik in seinem Gesicht erkennen konnte. Das erleichterte den Umgang enorm.

      „Sie sehen uns als Menschen?“

      „Seid ihr das denn nicht?“ hielt ich ruhig dagegen.

      „Oh doch!“ Nachdrücklich nickte der Werwolf mit seinem massigen Kopf. „Nur hat uns noch nie ein Außenstehender so genannt.“

      Was für ein Armutszeugnis für meinen Vorgänger. Meine anfängliche, instinktive Furcht vor seinem gefährlichen Äußeren hatte sich völlig verflüchtigt. Ich fühlte mich so normal, als würde ich mit einem x-beliebigen Bekannten bei einem gemütlichen Plausch sitzen.

      Und ich konnte ihre argwöhnische Vorsicht gut verstehen. Menschen, vor allem wenn sie in Massen auftraten, verwandelten sich nur allzu leicht in hemmungslose Barbaren und neigten schnell zu Lynchjustiz. Ich konnte wohl nicht mal im Ansatz ermessen, was es bedeuten musste, die Hälfte seiner Persönlichkeit ständig penibel vor der Außenwelt verbergen zu müssen.

      Ich beugte mich vor und schlug ihm in einer kameradschaftlichen Geste auf die Schulter. „Nun, ich sehe Sie als Menschen. Wie ich schon Mr Rawlings erklärt habe, zählt für mich nicht der äußere Schein, sondern die Persönlichkeit hinter dem Gesicht. Ich habe schon Mörder verhaftet, die wie Engel aussahen, männlich und weiblich. Darauf kann man nichts geben.“

      Gemütlich lehnte sich der Werwolf an das Heck meines Rovers. „Ja, so hat Malcolm es uns erzählt. Ich kann gut verstehen, warum er so angetan von Ihnen war. Vor allem war er heilfroh, dass Sie darauf verzichtet haben, auf ihn zu schießen. Das tut nämlich echt weh. Sagen Sie“ er deutete auf die kleine Beule unter meinem Jackett „haben Sie tatsächlich Silberkugeln geladen?“

      Ich ließ den Stumpen des Zigarillo zu Boden fallen und trat ihn mit der Hacke gründlich aus. „Äh nein, ehrlich gesagt sind es nur normale Kugeln. Aber ich dachte, es kann nicht schaden, erstmal so zu tun als ob. Und es hat ja auch gewirkt, oder?“

      „Allerdings.“ Er lachte bellend auf. „Verdammt, Manson, Sie haben echt Schneid!“

      Ich grinste. „Wäre mir ganz lieb, wenn Sie dieses Detail nicht unbedingt allen erzählen würden. Wer weiß, ob ich’s nicht noch mal gebrauchen kann.“

      „In Ordnung, aber bei uns werden Sie es nicht brauchen. Nur die Welpen haben sich noch nicht gut genug in der Gewalt, um sie frei laufen zu lassen. Die Erwachsenen sind alle so wie ich und Malcolm.“

      „Welpen?“

      „Ja. Wenn sie zu Teenagern werden, fängt die Verwandlung an und dann bringen wir sie an einen geheimen Ort, wo sie nichts anstellen können, bis sie in der Lage sind, sich zu kontrollieren.“

      Kapitel 3

      Also hatten selbst Werwölfe Probleme mit ihren Halbwüchsigen. Wenn ich an meine fünfzehnjährige Nichte dachte und den Unsinn, den sie mit ihren Freundinnen so schon anstellte, grauste mir bei der Vorstellung, was sie mit Werwolfkräften anrichten könnte. Es schien mir eine ziemlich gute Idee, sie erstmal erwachsen werden zu lassen.

      „Rawlings hat mir schon gesagt, dass es hier in der Gegend keine Werwölfe gibt, die sich … dem Rausch überlassen?“

      „Dem Rausch hingeben“, antwortete er leise. „Ja, das stimmt. Ich habe von Reißern gehört, aber nicht oft. Wenn so einer irgendwo auftaucht, gehen die Stärksten und Ältesten aller Gruppen zu ihm und halten ihn auf, bevor er zu oft gesehen wird und die Menschen wieder anfangen an uns zu glauben.“

      Reißer… mir lief eine Gänsehaut über den Rücken. Ein ziemlich passender Begriff und einer, der sofort einen Haufen Bilder in meinem Kopf auslöste. Mit einem leichten Schaudern schüttelte ich sie ab. Doch dann fiel mir etwas ein. „Wieder an euch glauben… Sagen Sie, diese berühmte Werwolfgeschichte aus dem späten Mittelalter in Frankreich…“

      „Ach das.“ Er machte eine wegwerfende Geste mit der Pranke, wobei er mich fast mit den Krallen erwischte. „Das war gar nichts. Nur ein Mensch, der sich einbildete, ein Werwolf zu sein. Nur ein Verrückter.“ Belustigt schüttelte er den Kopf. „Ich habe mich schon oft gefragt, wieso ausgerechnet das in den Geschichtsbüchern gelandet ist. Dabei gab es einige andere…“ Mitten im Satz brach er ab und sprang mit einer jähen Bewegung auf. Ich fuhr zusammen.

      „Was ist?“

      Er lauschte in die Nacht. Ich tat es ihm gleich, doch meine Ohren waren zu schwach. Ich hörte rein gar nichts. Er offenbar schon.

      „Zwei Männer von Ihrem Revier kommen in einem Wagen.“

      Entfernt konnte ich Lichter erkennen. Vermutlich die Scheinwerfer. „Wieso?“

      „Hollister hat noch mal angerufen und weitere Angriffe gemeldet und darauf bestanden, dass Polizei zu ihm rauskommt. Sie wollen sich hier gründlich umsehen. Ich muss von hier verschwinden, bevor sie eintreffen.“

      „Weitere Angriffe?“ Ich sah kurz zum Waldrand hinüber. Zwischen den Bäumen konnte ich ganz schwach die Lichter des Farmhauses erkennen. „Ich habe nichts gehört. Sie?“

      Über die Schulter sah der Werwolf mich an und schien die Stirn zu runzeln. „Nein. Es war die ganze Zeit absolut ruhig. Und ich habe auch niemanden gerochen.“

      Jetzt konnten sogar meine Ohren den Motor in der Ferne hören. „Was ist das mit Hollister und euch? Da liegt doch mehr in der Luft, als nur ein paar Sichtungen.“

      Lange Sekunden sah er mich mit seinen gelben Raubtieraugen an, die mir bei Weitem nicht mehr so ausdruckslos erschienen wie anfangs. Ich hielt dem Blick stand. Dann seufzte er leise. „Das ist eine lange Geschichte. Aber … wenn Sie wollen, morgen Nacht wieder hier?“

      Ich nickte. „Ich werde hier sein.“ Mittlerweile konnte ich bereits das Knirschen der Reifen auf dem Schotter des Weges hören. „Sie sollten jetzt besser gehen.“

      „Die werden mich nicht sehen.“ Er grinste und meine Härchen gingen wieder mal nach oben. „Übrigens, Detective Manson…“

      „Ja?“