Axel Birkmann

Der Mann, der den Weihnachtsmann erschoss


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etwa 30 Modelle. Aber ich habe noch etwas für euch. Hier bitte.« Rainer Zeidler wechselte den Ordner und zeigte seinen Kollegen weitere Bilder. Der Unterschied zu den eben gezeigten waren die Farben, die Bilder sahen aus wie schlechte Kopien, hatten verblichene Farben und es gab auch ein paar Bilder in schwarzweiß.

      »Diese Bilder sind älter«, kommentierte Melanie die Aufnahmen. »Ich schätze sie sind aus den 70er oder 80er-Jahren. Wahrscheinlich Scans von Printfotos oder von alten Dias.«

      »Wie kommst du denn darauf, Melanie, woher weißt du das?«

      »Alois, sei jetzt bitte nicht spröde und pikiert. Aber schau dir mal die Geschlechtsteile der Frauen auf diesen Bildern an. Was fällt dir da auf?«

      Melanie ließ Alois keine Chance, die Frage zu beantworten, sie löste für ihre Kollegen selbst das Geheimnis.

      »Sie haben alle noch ihre Schambehaarung. Dunkle schwarze Haare. Richtige Wuschel. Das war damals so, heute geht das nicht mehr, heute laufen fast alle Frauen unten rasiert herum. Diese Bilder sind alt. Und diese Aufnahmen in schwarzweiß sind definitiv nicht digital gemacht worden.«

      Rainer sah Melanie bewundernd an. »Melanie, du hast Recht. Ich dachte noch zuerst daran, dass diese Bilder mit einem Bearbeitungsprogramm auf alt und vintage gemacht worden sind. Aber Melanie hat Recht, die Frauen sehen anders aus. Auch ihre Brüste. Nicht operiert. Deswegen sind die auch nicht so groß wie auf den anderen Bildern.«

      Alois holte tief Luft. »Dieser Sascha Krüger hat demnach nicht nur Gefallen an Flugzeugmodellen, sondern auch Gefallen an Aktmodellen gefunden. Und das in seinem Alter. Er ist doch knapp 60. Von wann sind die Bilder?«

      »Laut Datei sind die älteren Bilder etwa aus den Jahren 1978 bis 1989. Die neuen Dateien sind in den letzten Jahren gemacht worden. Wobei ich das wirkliche ursprüngliche Aufnahmedatum nicht mit Sicherheit sagen kann«, antwortete Rainer.

      »Was mich nur wundert«, fügte Melanie hinzu, »wir haben in seiner Wohnung nicht einen einzigen Hinweis auf seine sexuellen Vorlieben finden können. Keine Kamera, keine Printabzüge diverser Bilder, keine pornografischen Zeitschriften oder Bildbände über Aktfotografie.«

      »Nein, nichts dergleichen«, bestätigte Alois ihre Annahme. Rainer nickte.

      »Sonst noch etwas auf dem Rechner?«, hakte Melanie nach.

      »Nein! Nichts Verdächtiges«, gab Rainer zur Antwort. »Nur ein paar Flugsimulationsprogramme, für Kampf-Jets, Hubschrauber, Passagier- und Segelflugzeuge. Passt zu seinem Hobby der Fliegerei.«

      »Und diese Frauenbilder? Könnten denn diese Nacktaufnahmen ein Motiv für den Mord sein?« Melanie sah ihre Kollegen fragend an.

      »Wegen einem Nacktbild bringe ich doch niemanden um«, sagte Rainer nachdenklich.

      »Und wenn es nicht bei den Aufnahmen geblieben ist, wenn diese Mädchen nicht nur fotografiert worden sind, vielleicht hat Krüger mit denen auch geschlafen? Oder er hat sie sexuell genötigt?«, fragte Alois.

      »Ein Sechzigjähriger vögelt mit 25 bis 30 Jährigen«, fasste Melanie zusammen. »Zuerst fotografiert er sie nackt, dann vögelt er sie und dann wird er entweder von einem eifersüchtigen Ehemann oder einem bösen Liebhaber erschossen .....«

      »..... oder einer eifersüchtigen Geliebten«, ergänzte Alois ihre Ausführungen.

      »Dann hätten wir jetzt so an die 80 Verdächtige. Dabei habe ich die Frauen und Männer aus den 80er-Jahren noch nicht einmal dazu gezählt.«

      Alois ging auf ihren Kommentar nicht ein und fragte den Kollegen: »Kannst du feststellen, wo die Aufnahmen gemacht worden sind, Rainer?«

      »Die neueren am Wasser sind am Marzlinger Weiher gemacht worden. Das Gelände kenne ich. Die Bilder im Wald könnten im Freisinger Forst entstanden sein. Die früheren Bilder kann ich nicht bestimmen. Was mir nur auffällt, die Frauen von damals sitzen unverklemmt und völlig entspannt da. Als ob ihre eigene Sexualität etwas ganz Natürliches für sie ist. Zu dieser Zeit war die BRD noch ganz schön spröde. Diese Frauen könnten aus Schweden oder Dänemark sein. Da war man mit der sexuellen Revolution schon wesentlich weiter.«

      »Wenn Krüger also für alle Fotografien verantwortlich zeichnet, dann muss er vor 1990 in Schweden oder Dänemark gelebt haben. Also nicht in Weimar, nicht in der DDR.«

      »Was sollen wir nun tun, Alois? Sollen wir versuchen an Hand der Nacktfotos die Personalien der Damen zu ermitteln? Eine Seite mit nackten Tatschen im Freisinger Tagblatt unter dem Motto: wer kennt diese Damen?«

      »Jetzt werde nicht albern. Natürlich nicht, Rainer. Wir kommen so nicht weiter. Wir müssen wissen, wer war dieser Sascha Krüger? Das muss erst einmal geklärt werden. Und es ist nicht sicher, dass er diese Bilder alle selbst gemacht hat.«

      »Wir haben keine Kamera bei ihm gefunden«, sagte Melanie.

      »Ja! Aber wo hat er gearbeitet, wenn er nicht gerade in roter Joppe durch die Altstadt gestiefelt ist? Es gibt keine Verwandten, keine Freunde, aber ein paar Dutzend Frauen, die sich dem Anschein nach, freiwillig vor ihm ausgezogen haben.«

      Rainer starrte auf die Bilder auf dem Monitor.

      »Was hat der Kerl gehabt, was ich nicht habe?«, fragte Alois sich. »Ich bin jünger, sehe besser aus und habe weniger auf der Plauze. Bei mir stehen die Frauen nicht an, um nackt fotografiert geschweige denn flach gelegt zu werden.«

      Melanie sah ihren Kollegen mitleidvoll an, als er so vor sich hin brabbelte, dann brach es endlich aus ihr raus. Sie fing lauthals an zu lachen, so laut und herzlich, dass Rainer miteinstimmte. Alois sah die beiden bitterböse an, stammelte ein leises »Ihr Arschlöcher« und rannte aus dem Büro.

      Wäre jetzt Gizmo an seiner Seite, hätte er mit ihm in den Krankenhausgarten gehen können oder in den alten Friedhof. Beides waren Areale, in denen er seine Ruhe fand. Keiner ging ihm auf die Nerven. Gizmo markierte die Bäume und er rauchte eine Zigarette. Aber Gizmo war in Regensburg und Zigaretten hatte er schon eine ganze Weile keine mehr. Also schritt er nur ein paar Meter vor die Haustür, holte tief Luft und kam nach wenigen Minuten zurück ins Büro.

      Rainer und Melanie hatten sich in der Zwischenzeit beruhigt. Sie saßen nebeneinander vor dem Bildschirm und suchten im Internet nach dänischen Aktfotos aus den 80er-Jahren. Sie wurden aber nicht fündig. Die einzigen Bilder die sie fanden, waren einige alte Dias, die in Ebay angeboten wurden. Solche Bilder wie auf Krügers Laptop gab es nicht. Ansonsten gab der Laptop nicht viel her. Es gab keine Sex-Videos oder Pornos. Auch die Favoritenleiste führte zu keinem Ergebnis. Die einzigen verwerflichen Sachen waren diese Bilder. Und was für die einen Schweinskram war, war für die anderen moderne Kunst. Wo war da der Unterschied? Und wer sollte es entscheiden?

      Alois setzte sich leise an seinen Schreibtisch. Er wollte seine Kollegen bei dieser anspruchsvollen Arbeit nicht stören. Er fuhr seinen Rechner hoch und suchte nach Sascha Krüger. Aber leider fand Google nichts. Es gab einige Sascha Krüger: einen Journalisten, einen Koch, einen Informatiker, einen Dachdecker und einige Professoren an diversen Universitäten, aber keinen Sascha Krüger aus Freising. Dann gab er nur Krüger und Freising ein. Insgesamt sechs Einträge. Sollte er jetzt alle anrufen und fragen ob sie einen Sascha kennen? Er ersparte sich die Mühe.

      So kamen sie auf jeden Fall nicht weiter. Heute war der Neunte Dezember und jetzt hatten sie nur noch zehn Arbeitstage bis Heilig Abend.

      Wenn es eines seiner Aktmodelle war, dass ihn erschossen haben sollte, warum dann auf diese brutale Art und Weise: Rache oder Eifersucht? Und woher wusste es von seiner Herzanomalie? Oder es war ein eifersüchtiger Ehemann? Woher sollte der das aber wissen? Wegen einiger offenherziger Bilder brachte man doch niemanden um.

      »Kränkung und Verletzung des Selbstwertgefühls ist wohl der häufigste Tötungsgrund«, sagte Alois leise zu sich. »Habgier und materielle Bereicherung stehen an zweiter Stelle, gefolgt von Rache. Nach diesen drei Grundmotiven geht es weiter mit sexuellen Motiven, Eifersucht, Hass und Liebe.«

      Alois dachte nach. Das erste Motiv schien wohl auszufallen. Die Frauen saßen da, als ob ihnen der Fototermin Spaß