Axel Birkmann

Der Mann, der den Weihnachtsmann erschoss


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war erleichtert als sie er im Flur hinter sich lassen konnte.

      Die drei Beamten fuhren mit dem Aufzug zurück ins Erdgeschoss.

      »Der Weihnachtsmann hatte anscheinend das Herz auf dem rechten Fleck«, ulkte Rainer, während sie in der Dunkelheit Richtung Parkplatz liefen.

      »Und hat es ihm etwas genützt?«, fragte Alois den Kollegen.

      »Nein. Denn er muss es wohl überall herum erzählt haben. Und das hat der Mörder ausgenutzt.«

      »Oder der Mörder hat es als Einziger gewusst, weil er ihm sehr nah gestanden haben muss«, konterte Melanie. »Auf jeden Fall war das alles exakt geplant, ein kaltblütiger Mord. Kein Mord im Affekt. Der Täter hat präzise und genau zugeschlagen. Er muss entweder auf den Krüger gewartet oder ihn schon auf dem Weg zum Domberg abgepasst und verfolgt haben.«

      »Ja, und dann hat er nur gewartet, bis der Krüger sich abseits vom Geschehen zurück gezogen hat um eine Zigarette zu rauchen. Das war der richtige Moment und schon hat er ihn erschossen«, sagte Alois.

      »Aber warum dieser Mord?«, fragte Melanie ihre beiden Kollegen. »Was meint ihr denn? Bis jetzt haben wir nur eine Leiche, eine Mutmaßung auf eine mögliche Tatwaffe, keinen Täter und vor allem kein Motiv.«

      »Rache? Eine ganz persönliche intensive Rache«, sagte Rainer nachdenklich.

      »Wenn Rache, dann muss es schon etwas ganz Besonderes sein«, überlegte Alois. »dass man einen Menschen so tötet. Der Mörder beobachtete ihn, passte ihn ab, verfolgte und tötete ihn dann in diesem lächerlichen Kostüm. Das ginge sicher auch einfacher. Warum dieser ganze Aufwand und warum auf einem öffentlichen Platz? Wenn er gewusst hat wo er wohnt, hätte er ihn doch jederzeit auch zu Hause töten können. Warum dieser ganze Aufwand?«

      »Keine Ahnung. Alois, wir haben ganz einfach wieder mal nichts. Und wer kommt auf die Idee und bringt schon den Weihnachtsmann um? Ich hoffe nur, wir lernen morgen in der Wohnung des Toten, etwas mehr über ihn kennen. Sonst wird es knapp bis Heiligabend.«

      »Dein Wort in Gottes Ohr. Noch jemand Lust auf etwas zu Trinken?« Alois schloss den Wagen auf und blickte dabei seine beiden Kollegen fragend an.

      »Und wo?«, fragte Rainer.

      »Im Nachtcafe?«

      »Na gut, ich komme mit. Und du Melanie?«

      Melanie zögerte noch etwas, hatte sie doch vor einiger Zeit einschlägige Erfahrungen in diesem Etablissement sammeln können.

      »Was ist jetzt?«, hakte Rainer nach.

      »Na gut«, sagte sie schließlich, »aber nur einen Drink.«

      »Oder zwei oder drei«, flüsterte Rainer leise und stieg in den Wagen.

      Erster Advent

      Sonntagvormittag.

      Die ersten Sonnenstrahlen quälten sich durch den grauen Freisinger Himmel. In der Ferne konnte man die Berge erkennen. Es würde ein sonniger Tag werden. Der Föhn drückte die warme Luft aus den Alpen bis aufs Oberland nach Freising. Von Schnee war keine Spur. Überhaupt ließ der Winter auf sich warten. Die Temperaturen würden gegen Nachmittag bis über 15 Grad Celsius wandern. Kein Wetter also für Glühwein und Christstollen.

      Alois Kreithmeier putzte sich die Zähne und blickte aus dem Fenster. Es war halb Zehn und Rainer und Melanie würden ihn bald abholen. Er war schon früh auf gewesen, obwohl es gestern Abend oder besser gesagt heute früh recht spät geworden war. Sie waren alle drei noch ins Nachtcafe gefahren und es wurde doch mehr als nur ein Drink. Leicht beschwipst war er dann gegen halb drei in der Früh ins Bett gefallen und pünktlich um halb acht Uhr morgens aufgewacht, um mit seinem treuen Hund Gizmo Gassi zu gehen, doch Gizmo war nicht da.

      Alois hatte ihn für ein paar Tage zu Freunden nach Regensburg gebracht. Er hatte sich eigentlich vorgenommen den Ersten Advent und den daran anhängenden Montag in Salzburg bei einer Freundin zu verbringen. Er hatte genug Überstunden gemacht und dachte, die könnte er ja in der Adventszeit abfeiern. Margit, so hieß die Dame aus Salzburg, hatte er im Internet kennengelernt und sich zum ersten Mal mit ihr am Chiemsee getroffen. Da sie auch einen Hund hatte, war es besser, Gizmo zu Hause zu lassen, bevor sich die beiden gegenseitig umbrachten. Aber mit Salzburg wurde es nichts. Der Tote auf dem Domberg hatte seine gesamten Pläne durcheinander gebracht. Der Auftrag, den Fall bis Heiligabend zu lösen, saß ihm in den Knochen und so sagte er sein Date mit Margit ab.

      Er versprach ihr aber, sowie der Fall beendet sei, sich sofort auf den Weg nach Salzburg zu machen. Vielleicht könnten sie ja sogar die Feiertage zusammen verbringen.

      Außer ein paar Treffen zum Wandern am Chiemsee, Tegernsee und am Wendelstein, war bisher nichts zwischen ihnen gewesen. Sein Liebesleben war eben eher als dürftig wie als ausgefüllt anzusehen. Und so wie Melanie ihren Hormonhaushalt in Ordnung hielt, das war nichts für ihn. One Night Stands gehörten in seinem Alter einfach nicht mehr dazu. Und die paar wenigen Frauen, die er übers Internet kennenlernte, klammerten sich sofort an ihm fest. Und so blieb ihm oft nichts anderes übrig, als jedes Mal nach einem Date schreiend die Flucht zu ergreifen.

      Margit war ganz anders. Zum einen, dass sicher auch die geografische Distanz eine gewisse Rolle spielte. Zum anderen war sie eine Österreicherin. Sie stand mit beiden Beinen im Leben, besaß eine schöne Eigentumswohnung in Salzburg, ein kleines Aktienpaket auf der hohen Kante und war offen für alle neuen Dinge. Unkompliziert und vor allem hübsch. Und in seinem Alter.

      Natürlich bemerkte er auch, wie es zwischen ihm und seiner Kollegin Melanie ab und zu mal funkte. Aber eine seiner Regeln war, niemals etwas mit einer Kollegin anfangen, und an diese Regel hielt er sich vehement. Melanie war auch viel jünger, kam aus Gera, sprach über Sex und Männerbekanntschaften wesentlich offener als er, und nahm kein Blatt vor den Mund, wenn es darum ging, ihn anzubaggern und ihn dabei aus der Fassung zu bringen. Da kannte sie nichts.

      Es war nicht leicht für ihn, sie auf die nötige Distanz zu halten. Melanie war hübsch und hatte eine natürliche erotische Ausstrahlung. Und in der Dienststelle in der Haydstraße konnte sie alle Beamten mühelos um den Finger wickeln.

      Alois spülte sich den Mund aus, steckte die Zahnbürste in ein Glas und verwarf seine Gedanken. Melanie, dachte er. Nie und nimmer. Schade eigentlich.

      Kurz Zeit später klingelte es. Er rief nur durch die Gegensprechanlage ein knappes »Ich komme«, dann sprang er ins Treppenhaus und rannte die Stufen herunter wie ein junger Mann: zumindest mit dem Elan eines zwanzig Jahre Jüngeren

      Rainer und Melanie erwarteten ihn vor ihrem roten Audi. Rainer trug Jeans, Pullover und einen abgegriffenen Armeeparker. Und wie immer hatte er seine ergrauten Haare zu einem Zopf zusammen gebunden.

      Melanie sah dagegen aus wie das blühende Leben: Ihre blonden langen Haare trug sie offen. Ihre Beine steckten in hellblauen knallengen Jeans, ihre Füße in Wildlederboots, darüber trug sie eine weiße Bluse mit dunkelblauem Pulli und über allem ihre wadenlange Wellensteynjacke mit echtem Wolfspelz an der Kapuze. Und zur Krönung hatte sie eine dunkle Ray Ban Sonnenbrille auf der Nase. Sie sah eher aus, als wollte sie nach St. Moritz oder nach Davos zum Winterurlaub fahren, als in die Freisinger Altstadt, um die Wohnung des geheimnisvollen Toten vom gestrigen Abend zu untersuchen.

      »Servus, ihr Beiden. Und seid ihr schon fit?«, fragte Alois seine Kollegen.

      »Natürlich Alois!«, kam es wie aus der Pistole geschossen synchron aus ihren Mündern. »Klar doch!«

      »Dann lasst uns fahren.«

      Die Kochbäckergasse war eine kleine Seitenstraße, die von der Oberen Hauptstraße Richtung Norden abging und wie ein L rechts um die Ecke führte. Eine verkehrsberuhigte Zone. Die Nummer 19 war ein einfaches Zweifamilienhaus mit angebauter Garage und einem kleinen Garten hinter dem Haus. Sascha Krüger wohnte im ersten Stock.

      Josef Schurig wartete schon auf sie.

      Bevor sie das Haus mit dem Schlüssel des Toten betraten, zogen sie