Jennifer Scheil

P.E.M. Projekt Evolution Mensch


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Tier mit mir gut Freund sein. Und du, thank you. Das war sehr nett von dir. Wie heißt sie?“

      „Domino!“

      „Das ist wirklich ein schöner und sehr passender Name. Also, Domino, wie wär’s, wollen wir Freunde sein?“ Domino schob sich noch dichter an John heran und wedelte so stark mit ihrem Schwanz, dass ihr ganzer Körper bebte.

      „Gut, das freut mich.“ Sich aufrichtend, ließ John seinen Blick über das Haus und das Grundstück schweifen. „Schön haben sie es. Wer lebt alles hier?“

      „Das sind Domino, meine Tochter Anna, sowie meine Enkel Samantha und der kleine Tom. Ja, und meine Wenigkeit natürlich.“ Jonas schritt auf das Haus zu. In der Erwartung Domino neben sich zu haben, klopfte er kurz gegen seinen Oberschenkel. So, wie er es immer tat, um sie an seine Seite zu rufen. Doch sie war nicht da. Verwundert hielt er an und wandte sich um.

      Da saß sie neben diesem Fremden und hielt ihren Blick auf ihn gerichtet.

       Dieser Hund verhält sich anders als sonst. Ganz anders. Das ist doch nicht normal, dass sie sich so anbiedert. Sie kennt diesen Menschen gar nicht. Das eine Mal im Wald zählt nicht. Auch die Reaktionen von Samantha auf diesen Mann, kann man schon fast mit dem von Domino vergleichen. Fehlt nur noch, dass Anna genauso auf ihn reagiert. Aber irgendwie hat er was an sich. Ich weiß nicht, ich kann es nicht in Worte fassen. Aber, verdammt noch eins, ich mag diesen sturen Hund ebenfalls.

      „Wollt ihr zwei da Wurzeln schlagen oder doch lieber ins Haus kommen?“ Sich abwendend betrat er das Haus. Die Tür ließ er offen.

      Tief in sich selbst versunken, stand John da. Einiges kam an die Oberfläche. Es war wenig, im Bezug auf das Ganze, was noch verschüttet, irgendwo in seinem Kopf darauf wartete, ausgegraben zu werden. Jedoch war er für jeden noch so kleinen Fetzen dankbar. Ja, er gierte regelrecht danach, auch nur die kleinsten Krumen zu erhaschen. Er wusste aber auch, dass er es nicht erzwingen durfte. Das hatte er in der

      Vergangenheit schon versucht und das Einzige, was er erreicht hatte, war, dass er selbst schlechte Laune bekommen und den Menschen in seinem Umfeld Unrecht getan hatte. Das sollte nicht noch einmal passieren. Ich werde Samantha bitten, mich

       an die Stelle zu führen, an der sie mich gefunden hat. Das wird mir vielleicht helfen, mich daran zu erinnern, was passiert ist. Und dann weiß ich auch ganz genau wer oder was ich bin. Mein Name allein reicht nicht aus!

      Seufzend setzte er sich in Bewegung und schritt auf das Haus zu. Domino lief neben ihm her. Sie war so dicht, dass sie ihn am Bein streifte und die Nähe des Hundes beruhigte ihn auf eine ganz eigene Art und Weise. Locker legte er seine Fingerspitzen auf ihren Kopf.

       ****

      Samantha saß an ihrem Tisch und sah aus dem Fenster auf den Pausenhof. Das, was dort draußen war, sah sie genauso wenig, wie sie die Worte der Lehrerin wahrnahm, die vor der Tafel stand und ihnen ein Fallbeispiel zu den verschiedenen Erziehungsstilen anschrieb und es dabei erläuterte. Sie war mit ihren Gedanken bei einem spöttisch verzogenen Mund und kalt blitzenden, stahlgrauen Augen. Ein Seufzen hob ihre Brust, sie würde alles dafür geben, damit diese Augen sie freundlich anlächelten. Und sollte es nur für den Bruchteil einer Sekunde sein, es wäre für sie der Himmel auf Erden. Doch das zu erhoffen war töricht. Wie sollte sich ein so gut aussehender Mann auch nur die Mühe machen, ein so mittelmäßiges Mädchen wie sie zu bemerken? Nein, es war einfach dumm, zu glauben, sie sei es wert. Von allen Seiten bekam sie doch ständig Prügel zu spüren. Nur zu Hause hatte sie das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Ihr Opa nannte sie oft seinen Schmetterling.

      Dieses Gefühl tat gut und löschte das bedrückende Gefühl der Schlechtigkeit für einen Augenblick aus. Sie wusste um ihre Fähigkeiten, doch war es ihr nicht immer möglich, sie auch selbstbewusst zu zeigen. Immer die Angst vor Erniedrigungen im Nacken tat sie soviel wie sie konnte, um nicht übermäßig aufzufallen.

      Aufzufallen kam für sie einem Todesurteil gleich. Und im Moment hatte sie sowieso keine Kraft, dem Lästern und Neid ihrer Mitschüler Kontra zu bieten. Somit hielt sie sich sehr zurück um den verbalen Konfrontationen zu entgehen.

      In ihrem Inneren war etwas im Begriff zu zerreißen und wenn sie an die Gehässigkeiten dachte, die aus diesem spöttischen Mund hervorkamen, riss es immer tiefer ein. Sie seufzte leise und eine Träne lief unbemerkt über ihre Wange. Wenn ich doch nur auf ein Lächeln hoffen könnte. Aber nachdem ich ihn so heruntergeputzt habe, werde ich wohl nie diese Augen strahlen sehen. Oh, Sam was bist du doch

       dumm!

      „Samantha Brand, wie lautet die Antwort auf meine Frage?“ Der herrische Ton der Lehrerin katapultierte Samantha zurück in die Wirklichkeit.

      Hochschreckend sah sie sich irritiert um. „Was? Entschuldigen sie bitte, Frau Schulz, aber ich habe eben nicht zugehört.“

      „Offensichtlich. Das war auch nicht zu übersehen!“

      Ein allgemeines Murmeln und Kichern ging durch die Klasse.

       Wieder versagt! Wieder einmal aufgefallen!

      Verzweifelt strich sich Samantha eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. „Könnten sie die Frage, bitte wiederholen?“

      „Hört euch das an wie sie wieder extra behandelt werden will. Unverschämt! Aber was will man auch von so einer wie ihr erwarten!?“ Diese Hänselei wurde zwar geflüstert, war aber noch laut genug, sodass Samantha sie hören musste. Schmerzhaft zog sich ihre Brust zusammen und die Tränen ließen sich kaum unterdrücken. Aber sie würde nicht weinen! Sie würde diesen Lästermäulern nicht diese Genugtuung geben. Niemals!

      Frau Schulz wusste um die Klassensituation und sie würde alles tun, um sie für Samantha zu erleichtern. Doch fiel das bei dieser Klasse nicht leicht. Als Lehrer musste man Acht geben, dass man nicht selbst Gegenstand des Lästerns wurde, selbst in so einem sozialen Beruf.

       Es erschreckt mich jedes Mal aufs Neue, zu sehen und zu hören, wie diese jungen Menschen, weder erwachsen noch jugendlich, diese Art von Zusammenleben führen. Es graust mich, wenn ich daran denke, dass das die Erzieher von Morgen sein sollen.

      Mit ruhiger und freundlicher Stimme wiederholte sie noch einmal ihre Frage. „Um welchen Erziehungsstil handelt es sich bei diesem Beispiel und woran machen sie das fest?“ Samantha lächelte, die Antwort darauf war nicht schwer. Diese Fragen

      waren nie schwer für sie. In Psychologie und Pädagogik hatte sie, genau wie in künstlerischen Gestalten und musikalischer Erziehung, die besten Noten. Doch bevor sie überhaupt dazu kam, etwas zu sagen, ergriff Babette, die Klassenschönheit, das Wort. Natürlich ohne sich gemeldet zu haben. „Es handelt sich hierbei um den demokratisch / partnerschaftlichen Erziehungsstil. Das ist daran ersichtlich, dass die Erzieherin dem Kind das Spielen an diesem Platz nicht nur verbietet, sondern das Verbot auch erklärt und so dem Kind verständlich macht!“ Mit einem

      selbstzufriedenen Lächeln lehnte sich Babette zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr abfälliger Blick, streifte dabei Samantha.

      „Nun, diese Antwort war korrekt. Jedoch würde ich es begrüßen, wenn sie sich ebenfalls demokratisch / partnerschaftlich gezeigt hätten. Denn die Frage hatte ich Samantha gestellt und nicht ihnen, Babette!“

      Das Lächeln verschwand und ein giftiger Blick schoss zu Samantha hinüber.

      Beim ersten Ton der Schulglocke hasteten schon die ersten aus dem Klassenraum. Wieder einmal, ohne ihre Stühle hoch zu stellen. Sie wollten alle nur so schnell wie möglich aus der Schule raus. Als Babette an Samantha vorbeirauschte, beugte sie sich etwas vor und zischte leise. „Wir sehen uns draußen!“

      Innerlich sackte Samantha zusammen. Wenn sie doch nur nicht alle ihre psychische Kraft dazu verwandt hätte, diesem sturen, gefühllosen Klotz zu helfen. Wäre sie dabei nicht so geschwächt worden, dann würde sie der kommenden Auseinandersetzung gelassener gegenüberstehen. Aber so? Es war aussichtslos!

      Traurig erhob sie sich, schloss