Elmar Zinke

Eine Frau für Mama


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mit einer Tauchschule über Wasser halten“, unterbricht er sie. „Ein schönes Wortspiel.“

      „Ach so, nicht der Rede wert… Also, wenn Du willst, gebe ich Dir die Adresse. Für alle Fälle.“

      „Nach Angor mache ich ein paar Tage Station in Pattaya, danach zieht mich mein Plan ins Landesinnere, in den Norden.“

      Im Feixen erklärt sie unumwunden: „In Pattaya rekrutieren die Singleboys ihre pflegeleichten Frauen“.

      Er mutmaßt eine halbernste Unterstellung, erklärt geschwind: „Hoffentlich reicht die Zeit für das, was Dir vorschwebt.“

      „Die Zeit, die Zeit“, sagt sie und ihre Augen erlöschen. „Einmal alles vergessen.“

      Sitz an Sitz tauchen sie in die milchigweiße Wolkenfront ein, leichte Turbulenzen begleiten das Durchstoßen. Erste Sonnenstrahlen durchbohren die Bordfenster, Mitreisende wehren sich durch Sichtschutzklappen. Einmal alles vergessen, denkt er. War es ein Aufschrei? Mit Atemübungen ringt er sich zu einer klärenden Fragestellung durch, sucht den Blickkontakt und gewahrt geschlossene Lider. Sie ist älter als sie ausschaut, denkt er alsbald, ihre Garderobenteile fallen teurer aus als der Eindruck es erweckt, sie blickt trauriger drein als es den Anschein hat. Ihre Nähe und diese Rätsel, was für ein reizvolles Gespann.

      Ihr Kopf neigt sich zu ihm ins Unbequeme, er führt einen fragwürdig höflichen Abstand herbei, mimt den Schlafenden, nickt darüber ein. Eine Liebesszene mit fremden Personen flimmert in ihm. Er reißt die Augen auf, wirft den Kopf zur Gangseite, die Traumbilder verblassen. Zwei blutjunge Frauen schieben ein Metallwägelchen mit zollfreier Ware, von Klopp zählt zu den wenigen Käufern.

      Pfeiftöne begleiten den Landeanflug, die Gelassenheit in den Verhaltensabläufen der Stewardessen zerstreut den Verdacht des Abnormen. Die unsanfte Landung öffnet Betty die Augen, im Schein des Verträumten harrt sie aus.

      „Zunächst bleibe ich allein in Bangkok“, raunt sie.

      „Bist Du zum ersten Mal hier?“

      „Ja.“

      „Sie geht Dir nicht mehr aus dem Sinn“, sagt er ergriffen. „Wie ein erlesenes Buch. Wie ein schönes Gespräch. Wie ein einmalig wundersames Wort.“

      „Dann kennst Du die Stadt in einer Vollkommenheit wie Deinen Lieblingsroman.“

      „Besser als die meisten Orte in Deutschland“, bestätigt er.

      Vor dem Einreiseschalter entgleiten von Klopp die Gedanken, das Gepäckband fördert zuerst ihren Backpackerrucksack zutage. Auf ihrem Rücken löst er einen Verjüngungsschub aus, denkt er. Im flauen Händedruck wünschen sie einander das allgemein Übliche.

      Kapitel 2

      Klopps Zweistundenreise mit dem Gemeinschaftstaxi von der Grenze nach Siem Reap trägt ihm die Bekanntschaft mit einem deutsch sprechenden Frauentrio ein, zwei Frauen stammen aus Niederösterreich, die dritte Frau wohnt im Kanton Zürich. Sie unterschreiten sein Alter, bewirten ihn unaufhörlich mit Paprikachips, Energiedrinks und Reisegeschichten, lobpreisen ihre Unterkunft als Geheimtipp.

      Der Wagen stoppt im Halbdunkel eines delligen Platzes, ein Tuk-Tuk-Fahrer wuchtet ungefragt von Klopps Koffer auf die vorderen Plätze eines Gefährts, von Klopp steigt hinzu. Der Linksscheitel teilt das kurze Haar des Fahrers mit Strenge, das karierte Hemd mit angeknöpften Kragenecken und die graue Stoffhose unterstützen den Eindruck des Grundanständigen. Während der Hotelsuche sorgen die Autolichter für mehr Helligkeit als alle anderen Lichtquellen im Miteinander. Das vorab gebuchte Hotel liegt leicht zurückversetzt an der National Road, das unscheinbare Äußere weicht im Inneren einer luxuriösen Ausstattung.

      Von Klopp behagt die zurückhaltende Art des Mannes und die Verhältnismäßigkeit des Entgeltes, er regelt mit ihm den kommenden Tag. Ein gertenschlanker Page mit kindlichem Lächeln übernimmt den Koffer, eine unschlagbar lächelnde Frau an der Rezeption regelt das Notwendige im Schnelldurchlauf. Im Zimmer wirft der Page die Klimaanlage an, erklärt wortreich die Arbeitsweise des Minisafes, streift von der Begrüßungsfrüchteschale die Folie. Von Klopps Finger spreizen sich auf die Matratze des Doppelbettes, prüfen kraftvoll den Grad von Härte und Weiche. Die Aussicht auf gutes Schlafenkönnen beschwingt ihn, verführt ihn zu einem guten Trinkgeld.

      Der Page streicht die drei Eindollarnoten ein, säuselt im Türrahmen: „Mein Name ist Munny. Wollen nicht allein bleiben? Kenne ein Haus mit Superladys.“

      „Ich weiß nicht“, gibt sich von Klopp überrascht.

      „Eine Frau schöner als andere.“

      „Ich suche kein billiges Vergnügen“, entfährt von Klopp nach einer kleinen Ewigkeit.

      „Alles fängt mit erste Nacht an“, versteift sich der Page auf sanftes Zureden. „Oder mit Stunde. Dann vielleicht Liebe teuer. Entschuldigung, teure Liebe.“

      „Ich bin total kaputt“, wehrt er verlegen ab. „Vielleicht morgen. Ich bleibe drei Nächte hier.“

      „Erste Frau vielleicht nicht Richtige für mehr Liebe“, entgegnet Munny in handzahmer Manier. „Drei Nächte, drei Mal probieren, macht Frau euch Freude und Ehre.“

      „Ich nehme Drei auf einen Schlag“, überfällt es von Klopp scherzhaft.

      „Gute Idee, Sir. Neun Frauen Auswahl.“

      „Ich überlege es mir.“

      „In Kambodscha viel Frau für wenig Geld“, drängt der junge Mann mit hastigem Eifer. „Eine Nacht ganz billig. Nur vierzig Dollar. Dreißig Dollar für Lady, zehn Dollar für Hotel. Von zehn Dollar fünf Dollar für mich. Fahre Sir nach Arbeit. Zweiundzwanzig Uhr. Genug Zeit zum Essen, zum Entspannen.“

      „Mal sehn.“

      „Sir nichts finden, kein Problem. Fahren zurück oder zu anderem Haus von Freude.“

      „Gibt es auch Frauen nur zum Reden?“

      Munny blickt schamhaft zur Seite, überlegt eine Zeit lang, wahrt sein Gesicht: „Schöne Frauen kennen schöne Worte.“

      Von Klopp begutachtet die Minibar, trinkt ein Büchsenbier, studiert den Stadtplan. Auf der Route zur Pubstreet quert er dunkle Gestalten und Hundegebell, die Lichter von Geschäften steigern nicht das Sicherheitsgefühl. Eine Hauptstraße markiert die Bruchlinie ins pralle Leben, sein flaues Gefühl im Magen weicht einem heftigen Magenknurren. Ein wuchtiger Gebäudekasten wirbt mit einem asiatischen Büfett par excellence und Nonstopfolklore der Sonderklasse. Das Tanzsaalgroße des Raumes, bierzeltlange Tischreihen und die Gästearmut mehren den Eindruck einer Zweitwahl, ein vielfältiges kaltes und warmes Büfett wähnt ihn eines Besseren. Eine Bedienstete zapft ihm Bier, eine andere händigt von Klopp eine Suppe aus, die gehaltvolle Zusammensetzung wählt er selbst. Auf einen Riesenteller mischt er Chickenspieße, Pekingente, Schweinefleischstreifen, gedünstetes Gemüse, kandierte Früchte und einen bunten Salat.

      Direkt vor der Bühne nimmt er Platz, eine Trachtengruppe löst die andere ab, die Zahl der Akteure und die Art der Aufführungen weichen voneinander ab. Wildheiten und Zeitlupentempo prägen das Erscheinungsbild, der zeitgleich gemeisterte Luftdoppelschlag zweier Darsteller ringt von Klopp Beifall ab, im Rasseln beinlanger Bambusstangen ertönt das Startsignal für das Finale. Ob Mama diese Auftritte wenigstens mit Stillsitzen quittiert?, denkt er. Im Violinkonzert neulich schreitet sie nach der zweiten Dissonanz des Solisten demonstrativ aus dem Raum und spült ihren Unmut über das vermeintliche Totalversagen mit zwei Champagnerschalen hinunter. Auch der prächtige Blumenstrauß des Dirigenten, der am Vormittag darauf eintrifft, mildert nicht ihr vernichtendes Urteil über den Abend. Andererseits bringt sie es fertig, sich in Begleitung des Doktors den Film Nassgaranten anzuschauen und ihn als Beweismaterial für die Erotik des Ekels zu preisen … Oh Gott, Mama erwartet ein Lebenszeichen! Er sieht erste Aufräumarbeiten und spürt Schamröte, im Freien strauchelt er über die fußbreite Lücke zweier Betonplatten.

      Pünktlich