in der Mitte wird der Hubschrauber landen. Zusätzlich zu Bodo kann er drei Personen aufnehmen. New York ist für einen Hubschrauber natürlich verdammt weit – und vor allem nicht so leicht zu verargumentieren.«
»Danke Bradly. Du hast was gut bei mir«, sagte Iris. Sie wandte sich an die beiden Kolleginnen.
»Wir müssen Prioritäten setzen. Es geht nur um Bodo.«
Sylvia und Ann nickten zustimmend.
»Bodo und wir drei Frauen fliegen mit«, entschied Ann Chandler.
Iris blickte in Richtung Ole.
»Der dreht sonst durch, wenn er nicht mitfliegen darf.«
»Er bekommt in zehn Minuten noch einmal eine kleine Dosis«, lachte Sylvia. »Dann wird er schlafen wie ein Murmeltier.«
Kapitel 14
Der Hubschrauber brachte seine Fracht reibungslos nach New York. In Anns Klinik wurde Bodo in ein künstliches Koma versetzt.
Marco charterte zwei Jets.
Der erste Jet flog Bodo, Iris und Sylvia nach Frankfurt. Bei dem Verwundeten handelte es sich offiziell um Ewald Falland.
Der zweite Jet brachte Marco und Ole nach Sizilien. Die Piloten sollten nicht in Schwierigkeiten gebracht werden. Sowohl Marco als auch Bodo hätten sich als ehemalige Little-Guantanamo-Insassen nicht in den Staaten aufhalten dürfen.
In Iris‘ Klinik holte man Bodo erst eine Woche später aus dem Koma.
Erst vier Wochen nach dem Erwachen aus dem künstlichen Koma erlaubte es Iris, dass Marco und Ole wieder zu Bodo durften. Bodo brauchte Ruhe und nochmals Ruhe. Jede noch so kleine Aufregung konnte seine Genesung gefährden. Marco akzeptierte diese Regelung widerspruchslos.
Doch Ole entwickelte sich zunehmend zum Problem. Iris verlegte Bodo in ein sehr großes Appartement im obersten Stock der Psychiatrie. Im Vorzimmer ließ sie eine Schlafgelegenheit für Ole einrichten. Dieser küsste weinend ihre Hand und war fortan aus diesem Zimmer nicht mehr herauszubekommen. Oles kleines Apartment hatte ein eigenes Bad mit Toilette. Auch sein Essen ließ sich er sich auf sein Zimmer bringen. Als ihn Iris nach einigen Tagen tadelte, dass er seinen Körper vernachlässigte, und Bodo darüber nicht erfreut sein würde, wenn er aufwache, ließ sich Ole einige Fitnessgeräte auf sein Zimmer bringen.
Nur Iris durfte unbehelligt zu Bodo. Sylvias Besuche ließ er äußerst widerwillig zu. Ole schaute die Ärztin nur noch von der Seite an. Sie hatte ihm damals die Spritze gegeben, wodurch es ihm nicht möglich gewesen war, Bodo zu begleiten. Dass der Hubschrauber ihn nicht zusätzlich hatte aufnehmen können, ließ er nicht gelten. Dann hätte eine von euch Weibern eben zurückbleiben müssen, war seine Antwort gewesen.
Iris genoss es, Bodo täglich nahe zu sein. Nach dem Erwachen aus dem Koma hatte sie ihm starke Beruhigungsmittel verabreicht. Er sollte langsam und schrittweise in dieser Welt wieder Fuß fassen. Wann immer es ihr möglich war, saß sie an Bodos Bett, und streichelte seine Wangen und seine Hände. Und sie gab ihm zum Abschied immer einen kleinen, zarten Kuss auf die Lippen.
Einige Male wachte Bodo kurz auf, und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Iris war glücklich. Ihre Mitarbeiter tuschelten:
»Die Chefin summt neuerdings vor sich hin.«
Das war eine völlig neue Erfahrung.
Erst vier Wochen nach Bodos Zusammenbruch verringerte Iris die Medikamentendosis; nach Rücksprache mit Sylvia. Eine Stunde am Tag standen leichte Gespräche auf dem Plan. Als Bodo zu bestimmten Themen Antworten haben wollte, sagte Iris immer: »Später Bodo. Später. Wir müssen uns Zeit nehmen. Die Welt läuft nicht davon.«
Marco hielt sich an alle Vorschriften von Iris. Er verbrachte nur einige Minuten bei Bodo. Allerdings beantwortete er keine schwierigen Fragen. Er gab sich betont locker und erntete von Bodo dafür ein Lächeln - und ab und zu ein „Danke mein Freund“.
Ole war weniger diszipliniert. Als Iris ihn eines Tages zu Bodo ließ, kniete er sofort vor Bodos Bett. Er küsste seine Hand und wollte diese nicht mehr loslassen.
»Er wacht seit drei Wochen im Nachbarzimmer und knurrt jeden an, der zu dir will«, sagte Iris mit ärgerlicher Miene. »Ein Schäferhund kann nicht schlimmer sein.«
Bodo lachte zum ersten Mal und strich sanft über Oles Haare. Dicke Tränen rollten über die Wangen des Norwegers, und er lachte dabei. Als ihn Iris wieder nach draußen komplimentieren wollte, war Ole erst dann dazu bereit, als Bodo nur einmal kurz die Augen schloss.
Ab der sechsten Woche erweiterte Iris die Gespräche von Tag zu Tag um jeweils eine Stunde. Auch Sylvia turtelte wieder mit Bodo. Marco durfte einige geschäftliche Dinge besprechen, und Ole saß stundenlang in Bodos Zimmer - schweigend. Das genügte ihm. Iris schüttelte mit einem Lächeln den Kopf über diese Szene. Solche Dinge schreibt nur das Leben, dachte sie.
Iris wusste, dass sie keine Fehler machen durfte. Bodo verbrachte bereits über vier Monate in ihrer Klinik. Da er zunehmend unruhiger wurde, musste sie eine Entscheidung fällen. Unzählige Male hatte sie sich in den letzten Wochen dabei ertappt, dass sie versuchte, sich selbst zu manipulieren und zu belügen. Nein, Bodo war beileibe noch nicht gesund. Allerdings verlief die Grenze in solchen Fällen äußerst fließend. Immer wieder stellte sie sich die Frage, zu welcher abschließenden Einschätzung sie kommen müsste, wenn sie diesen Mann nicht seit vielen Jahren abgöttisch lieben würde. Sie, Iris Saß, Inhaberin und Leiterin einer angesehenen Psychiatrie, war befangen. Weitaus schlimmer wog die Tatsache, dass sie viele der Philosophien und Ansichten Bodos inzwischen nachvollziehen konnte. War sie inzwischen selbst krank; infiziert?
Die Ansprache dieses charismatischen und engagierten Umweltaktivisten an jenem denkwürdigen Abend in Biloxi hatte sich tief in ihre Seele eingegraben. Es war für sie unendlich schwer gewesen, sich an jenem Abend nicht ausschließlich auf Bodo zu konzentrieren, sondern gezielt zu versuchen, in den Gesichtern der über einhundert Aktivisten zu lesen. Er hatte sie in den Bann gezogen. Alle. Ausnahmslos. Diese Menschen hatten an seinen Lippen gehangen. Iris hatte keinen Zweifel daran, dass viele von ihnen bereit gewesen wären, ihr Leben für die von Bodo vorgegebenen Ziele zu opfern. Und einige attraktive Frauen hätten alles dafür geben, mit diesem Mann zu schlafen … falls dies einige von ihnen nicht schon längst getan hatten. Vor allem dieser Gedanke ließ sie in jener Nacht in Biloxi keinen Schlaf finden. Während sie wach lag und an die Decke stierte, versuchte sie, jeden einzelnen Satz dieses Charismatikers zu analysieren. Dieser Mann war wie ein Vulkan, der jederzeit zu einem katastrophalen Ausbruch kommen konnte. Sie hätte viel dafür gegeben, wenn es ihr damals gelungen wäre, alle diese Szenen, und vor allem Bodos Ansprache, aufzunehmen. Die fachliche Meinung von Kolleginnen und Kollegen wäre ihr ungemein wichtig gewesen. Sie war, wie alle Aktivisten an diesem Abend, von Bodo fasziniert gewesen. Als anerkannte Psychologin war sie gleichzeitig tief entsetzt.
Dieser Mann, ihr Bodo, ihr Geliebter - war krank; vielleicht sogar gefährlich krank. Die Wahrscheinlichkeit war äußerst groß, dass er sich langsam, aber sicher, zu einer Gefahr für sich und seine Umwelt entwickeln könnte. Die Schöpfung schien für ihn einen weitaus gewichtigeren Stellenwert zu haben als Menschen. Wie oft hatte er allein das Wort „hassen“ oder gar „abgrundtief hassen“ erwähnt; dies mit einer Gestik und Mimik, die ihr das Blut in den Adern hätte gefrieren lassen müssen. Doch nein. Ihr Blut kochte. Ihr Puls raste. Verdammt. Auch sie hing an seinen Lippen. Sie hatte sich gefragt, ob auch sie bereit wäre, ihr Leben für Bodos Ziele einzusetzen. Nein. Priorität hatte für sie stets das Seelenleben von Menschen. Schließlich waren Menschen auch Teil der Schöpfung.
Wenn Bodo an diesem Abend einen Sparren in der Krone hatte, dann hatten es die über hundert Personen im kleinen Saal ebenfalls. Aber als weitaus schlimmer hätte eingestuft werden müssen, dass Ann Chandler aus Amerika, Solange Colin aus Frankreich, Blanca Barreras aus Spanien, Mayana Robles aus Mexiko und die junge Tussi aus England ganz offensichtlich ihr Gehirn ausgeschaltet hatten. Sie alle leiteten ebenfalls Psychiatrische Kliniken oder hatten dort herausgehobene Positionen inne. Ach da war ja noch diese Sue