Kurt Pachl

Bodos zornige Seele


Скачать книгу

in der Nähe?«, rief Iris in das Dunkel hinein.

      Rasch trat Nils nach vorn.

      »Ja. Hier.«

      »Du solltest das zweite Quad fahren. Kannst du damit umgehen?«

      »Du solltest mir das rasch beibringen«, brummte Nils grimmig.

      Sogar Ole grinste.

      »He, das ist aber mein Quad.«

      Die lallende Stimme gehörte Marcel. Er kam aus dem Dunkel nach vorn getorkelt. »Mein Quad, dein Quad. Für solche Späßchen haben wir jetzt keine Zeit. Gib Ole den Schlüssel«, fuhr Iris ihn barsch an.

      Wenige Minuten später fuhren die beiden Quads in die Dunkelheit hinein.

      Iris hatte Bradly noch einmal eingeschärft, mit stark gedrosseltem Motor und langsam zu fahren, damit sie notfalls Rufe hören konnten. Das war für Bradly einleuchtend. Wenig einleuchtend war für ihn, dass er alle zweihundert Meter kurz anhalten, und den Motor ausschalten sollte.

      Während er fuhr, bediente Ole den Strahler. Er ließ sich Zeit, auch nach rechts das Grasland auszuleuchten. Er leuchtete auch zwanzig bis dreißig Meter nach links; dies für den Fall, dass Bodo irgendwo im Wasser war.

      »Da, da vorn sehe ich etwas«, schrie Ole nach einer halben Stunde.

      Der Strahler erfasste zwei Objekte. Rechts war die große Baumwurzel. Und links, nicht weit davon entfernt, lag eine menschliche Gestalt. Das konnte nur Bodo sein.

      Ole sprang vom Quad. Da er in der Eile vergessen hatte, den Strahler zu arretieren, sackte dieser nach unten. Bradly reagierte schnell, stellte den Motor ab und richtete den Strahler neu aus.

      Im Lichtkegel war zu erkennen, dass Ole neben Bodo kniete, und dessen Kopf auf seine Oberschenkel gezogen hatte. Dabei schüttelte er Bodos Körper.

      »Bodo, Bodo, sag was. Bodo, Bodo. Was ist passiert?«

      Iris eilte mit schnellen Schritten in Richtung Bodo und Ole. Sie drehte sich dabei kurz zu Sylvia um.

      »Deine Tasche! Hast du die Tasche? Stell um Gottes willen diesen Kerl ruhig. Bradly und Nils. Kümmert euch um Ole«, rief sie in das Dunkel hinein.

      Bradly und Nils waren rascher bei Bodo und Ole, als die beiden Frauen. Nur mit viel Mühe gelang es ihnen, den wild um sich schlagenden Ole in den Sand zu pressen.

      »Bodo, Bodo, verzeih mir«, wimmerte er.

      Sylvia hatte inzwischen ebenfalls die Gruppe erreicht, und ließ sich neben Ole auf die Knie fallen. Mit raschen Griffen öffnete sie ihre Tasche.

      »Macht ihm einen Arm frei. Schnell!«

      Sie legte die Taschenlampe an den Rand der Tasche, damit der Inhalt ausgeleuchtet wurde. In wenigen Sekunden hatte sie die Spritze gefunden. Sie hielt sich nicht damit auf, deren Wirkungs­weise zu prüfen, wie dies vorgeschrieben war. In Psychiatrien war es oft notwendig, Personen rasch ruhig zu stellen.

      Einige Sekunden später hatte Sylvia den Inhalt der Spritze in Oles Armbeuge gedrückt. Sie ließ sich keine Zeit, Oles Reaktion abzuwarten, sondern verstaute die Spritze rasch wieder in der Tasche, nahm die Taschenlampe und die offene Tasche, und wandte sich rasch Bodo zu.

      Was Sylvia sah, macht sie schier rasend. Jeweils links und rechts neben Bodos Kopf knieten Iris und Ann. Und beide küssten Bodos Stirn und strei­chelten ihn – gleichzeitig.

      Dass sie bislang Rücksicht auf Iris genommen hatte, verlangte von ihr viel Selbstverleugnung. Sie liebte diesen Mann. Nein, das stimmte so nicht. Sie liebte seinen Körper und seine Kräfte.

      Und jetzt. Dieses Bild ließ nur eine Schlussfolgerung zu: Auch diese Ameri­kanerin war in Bodo verschossen.

      Aber Sylvia riss sich zusammen; unterdrückte ihre Gefühle. Jetzt ging es um Bodo, um nichts anderes. Sie schluckte ihre Emotionen hinunter. Sie war Profi und musste dies jetzt unter Beweis stellen.

      »Hallo, hallo, die Damen. Sagt mir lieber, was mit Bodo aus eurer Sicht passiert ist. Ist er über die Wurzel gestürzt? Ist er verwundet? Halloooo! Bitte etwas mehr Professionalität!« Iris und Ann blickten Sylvia fast feindselig an. So, als würden sie jäh aus einem Traum gerissen.

      »Du kaltes Aas«, zischte Ann.

      Bradly und Nils, die nur zwei bis drei Meter entfernt am Boden knieten, und soeben zufrieden feststellten, dass Ole in einen Schlafzustand gefallen war, blickten sich an.

      »Das ist ja wie in einem schlechten Film«, flüsterte Nils.

      »Stutenabend«, knurrte Bradly.

      Den drei Frauen waren diese Bemerkungen nicht entgangen. Sylvia, die in unmittelbarer Nähe von Bradly kniete, fuhr herum.

      »Was verstehst du Depp schon? Für dich sind Frauen doch nur Wegwerf­ware.« Sie blickte zu Ole und fragte deutlich ruhiger; fast mit einer warmen Stimme: »Schläft er schon?« Nils nickte.

      »Okay, ihr geht jetzt eine rauchen. Abmarsch«, fauchte Sylvia.

      Nils und Bradly waren rasch in der Dunkelheit verschwunden.

      »Bodo hat eindeutig keine Verletzungen. Schaut mal, wie er den Vogel in den Armen hält«, flüsterte Sylvia, um lauter anzufügen:

      »Iris. Ann. Ich gehe fest davon aus, dass dies in euren Zuständigkeitsbereich fällt. Ich tippe auf einen schweren Nerven- und zusätzlich einen kräftigen Kreislaufzusammenbruch. Lasst uns Bodo zuliebe nachdenken, wie wir weiter vorgehen sollten.« Iris ließ ihren Kopf auf Bodos Brust fallen, und begann zu schluchzen.

      Sylvia beugte sich zu Ann hinüber, und flüsterte:

      »Sie liebt ihn abgöttisch.«

      »So dürfen ihn die Anderen nicht sehen«, sagte danach Sylvia etwas lauter.

      »Hallo Iris. Bitte. Wir müssen im Sinne und im Interesse von Bodo Entscheidungen fällen. Reiße dich zusammen.«

      Ann stand auf, und klopfte sich den Sand von ihrer Jeans.

      »Die einzig richtige Entscheidung ist, Bodo so rasch wie irgend möglich in ein Krankenhaus zu bringen. Es hört sich vielleicht etwas verrückt an, aber meine Klinik in New York wäre momentan am besten. Wenn wir ihn nach Biloxi oder Miami bringen, haben wir ein verdammt großes Problem. Wir müs­sen erklären, wer dieser Mann ist. Wir brauchen einen Hubschrauber. Zuerst meine Klinik. Danach Frankfurt.« Sie wartete keine Reaktion der beiden Frauen ab und rief in das Dunkel hinein:

      »Bradly. Wir brauchen dich. Zigarettenpause zu Ende.«

      Die Frauen hörten, wie Bradly angestapft kam.

      »Eines weiß ich ganz bestimmt. Diese Frau werde ich niemals heiraten.«

      »Ist ja schon gut«, sagte Ann. »Das können wir vor dem Standesamt klären. Aber zuvor bist du als ganzer Mann gefragt. Wir brauchen ganz rasch einen Hubschrauber.«

      »Jetzt in der Nacht. Wie stellt ihr euch das vor?«

      Als Bradly bei den Frauen angekommen war, blickte er sorgenvoll auf Bodo hinunter. Verdammt, was habe ich ihm alles zu verdanken, schoss es durch seinen Kopf. Und wenn ich jetzt falsch reagiere, wird er mir das niemals verzeihen.

      »Auf der Keesler Air Force Base in Biloxi ist das 81. Trainings-Bataillon sowie eine Staffel der US Air Force stationiert«, brummte er. »Ich kenne da jemanden. Der hat mich immer für Survival-Touren engagiert. Der ist mir noch etwas schuldig.«

      Er holte sein Handy hervor, schaltete es ein und entfernte sich einige Meter, um ungestört zu telefonieren.

      Ann war im Begriff etwas zu sagen, als Bradly mit seinem Handy in der Hand wieder auftauchte.

      »Glück und gute Freunde muss man haben. Der Hubschrauber ist in einer halben Stunde hier. Das Ganze wird als Manöver deklariert. Normalerweise wäre es überhaupt kein Problem gewesen. Aber das Innenministerium, die Küstenwache und vor allem das Heimatschutzministerium haben alle Hubschrauber in Beschlag genommen. Ich habe meinem