HaMuJu

Morde und Leben - Leber und Meissner


Скачать книгу

wie wir in Berlin gewesen sind, ansonsten ist mir von Jungenbekanntschaften Birtes nichts bekannt“, sagte Anna. Am Schluss stellte KHK Leber wieder die Standardfrage, ob Anna sich jemanden als Birtes Mörder vorstellen könnte. Anna überlegte kurz und schüttelte ihren Kopf:

      „Ich kann mir beim besten Willen niemanden vorstellen, der Birte hätte umbringen sollen.“ Die Beamten bemerkten wie sich Annas Augen mit Tränen zu füllen begannen und KHK Leber gab ihr ein Tempotaschentuch:

      „Es tut mir leid“, sagte er, „aber wir haben Dir die Frage stellen müssen.“

      „Das verstehe ich ja auch, aber Birtes Ermordung ist mir so nahe gegangen, ich habe zwei Tage lang nur geweint“, sagte Anna, „ich weiß nicht, ob ich Birtes Beerdigung überhaupt durchstehen kann und nicht in einen Weinkrampf nach dem anderen verfalle.“

      „Das können wir gut verstehen“, sagten die Polizisten zu ihr, „Du musst aber dennoch versuchen, tapfer zu sein und an der Beerdigung teilnehmen.“ Die Beerdigung fände am nächsten Morgen auf dem Hülsdonker Friedhof statt und Anna glaubte, dass die halbe Schule teilnähme. Birte hätte sich sehr großer Beliebtheit erfreut, auch bei den Kleineren, denen hätte sie in der Hausaufgaben-AG immer geholfen.

      „Was willst Du denn einmal werden?“, fragte KHK Leber sie und Anna antwortete:

      „Ich will versuchen, in ein Lehramtsstudium zu rutschen, Deutsch und Französisch sind meine Lieblingsfächer.“ Die beiden Beamten wünschten Anna viel Glück für ihre Schullaufbahn und entließen sie wieder. Sie wohnte nur hundertfünfzig Meter von der Röhre entfernt, ein Stück weiter Richtung Friedrich-Ebert-Platz, direkt neben dem Grafschafter Gymnasium. Die Kommissare zahlten und verließen die Röhre wieder, es ging auf 17.00 h zu und sie machten Feierabend.

      Zu Hause fragte Frau Leber ihren Mann, was denn seine Suche nach einem Flachbildfernseher ergeben hätte, es würde Zeit, dass sie ein funktionierendes Gerät bekämen, sie hätten sich die ganze Zeit mit dem kleinen Gerät von Max beholfen, das wäre auf Dauer aber nichts.

      „Wenn Du willst, kann ich am nächsten Tag ein Gerät mitbringen“, sagte ihr Mann, „Saturn hat gerade ganz gute Angebote.“ Am nächsten Morgen war um 10.00 h die Beerdigung angesetzt und als die Beamten sich mit einem Dienstwagen dem Friedhof näherten, trauten sie ihren Augen nicht. Nicht nur, dass die Geldernsche Straße mit Autos zugestellt war und sie nur mit Mühe bei Cafe Jedermann einen Parkplatz bekamen, Massen von Schülern versammelten sich vor dem Friedhofseingang, jeder hatte Blumen, Kerzen oder kleine Erinnerungsstücke in der Hand, die er am Grab ablegen wollte. Die Polizisten erkannten Dr. Domrose und einige Lehrer in ihrer Begleitung, der Schulbetrieb war für drei Unterrichtsstunden unterbrochen worden, und sie sahen Birtes Eltern und ihre Verwandtschaft. Herr Schoemaker stützte seine Frau auf dem Weg zur Friedhofskapelle, die für die Besuchermassen viel zu klein war, weshalb der Pfarrer den Gottesdienst nach draußen verlegte, das war noch nie da gewesen. Birtes Sarg stand vor der Kapelle und ihre Mutter saß neben ihm und weite. Nach dem Gottesdienst ging die gesamte Trauergemeinde langsamen Schrittes zum Grab, viele weinten, fast alle hatte Taschentücher in der Hand.

      Direkt am Grab standen Birtes Eltern und ihre Verwandten, erschüttert, fast zu Tode getroffen, Frau Schoemaker ließ ihren Tränen freien Lauf, als der Sarg langsam in die Grube herabgelassen wurde, sie schluchzte laut und hätte sicher nicht aufhören können, wenn sie ihr Mann nicht gestützt und fortgeführt hätte. Alle Schüler kamen zum Grab und legten Kerzen, Stofftiere, Kerzen oder Briefe dort ab, sehr viele weinten. Und mit einem Mal trat eine Schülerin aus dem Pulk hervor und begann zu singen, alles wurde still, sie sang „I will always love you“ von Whitney Houston, ein Lied, das jedem naheging und sehr schwer zu singen war. Die Schülerin hatte eine unglaublich kraftvolle Stimme und bewältigte die schweren Gesangspassagen ohne Patzer. Während des Gesangs hörten alle andächtig zu und schluchzten in ihre Taschentücher, auch Dr. Domrose hielt sich nicht zurück und weinte. Nach dem Gesang trat sie ans Grab und hielt eine Grabrede, sie verstand es, Birtes fröhliche Art aufleben zu lassen und hob hervor, dass Birte ein großer Gewinn für die Schule gewesen wäre, sie war beinahe außer Stande, ihre Rede zu Ende zu führen, so ergriffen war sie. Als die Trauergemeinde sich wieder von der Grabstelle entfernt hatte, war das Grab über und über mit Erinnerungsstücken geschmückt. Die Beamten begleiteten sie alle bis zur Geldernschen Straße, wo sich die Trauergemeinde auflöste, sie gingen zu Birtes Eltern und sprachen ihnen ihr Beileid aus.

      Anschließend setzten sie sich in ihren Wagen und fuhren zur Polizeiinspektion zurück, die Mittagspause hatte begonnen und sie liefen gleich zur Kantine hoch. Sie waren noch ganz bewegt von der anrührenden Trauerfeier und nahmen schweigend ihr Essen, setzten sich an einen freien Tisch und KHK Leber sagte, dass ihm die Trauerfeier sehr nahegegangen wäre, KOK Meissner pflichtete ihm bei, auch er wäre beinahe in Tränen ausgebrochen, wie er sagte. Es war sogar jemand von der WAZ auf dem Friedhof, sicher könnte man am nächsten Tag Bilder in der Zeitung sehen. Sie gingen in ihr Dienstzimmer und KHK Leber rief in der Schule an, er ließ sich zu Dr. Domrose durchstellen und verabredete einen Gesprächstermin mit ihr. Es musste doch etwas geben, was im Zusammmenhang mit der Schule stand und was sie noch nicht wussten, davon war er überzeugt und hatte sich auch schon mit KOK Meissner darüber unterhalten, der das genauso sah, niemand von beidem wusste allerdings, was das sein sollte. Sie erhofften sich Hinweise darauf, wenn sie mit Dr. Domrose sprachen, sie wollten sich auch mit ihr über die Berlinfahrt unterhalten, von der Anna gesprochen hatte. Sie fuhren nach der Mittagspause mit KHK Lebers Wagen in die Kautzstraße und bekamen auf dem kleinen Parkplatz hinter Saturn noch einen Stellplatz. Sie gingen in den Laden und KHK Leber ließ sich den Panasonic mit 40 Zoll geben, den sie sich am Vortag angesehen hatten. In der Verpackung war das Gerät riesig und sie bekamen es in dem Einkaufswagen kaum zur Kasse bewegt, KHK Leber zahlte und sie gingen mit dem Fernseher zum Wagen, sie mussten den Beifahrersitz ein Stück nach vorn schieben, um das Gerät hinter den Sitzen überhaupt ins Auto zu bekommen. Sie fuhren anschließend mit dem Wagen wieder zur Dienststelle zurück und nahmen sich die Dienstfahrräder, um mit ihnen zum Extrablatt zu kommen, wo sie um 15.30 h mit Svenja verabredet waren. Es war erst 15.00 h als sie dorthin kamen, sie hatten demnach noch eine halbe Stunde Zeit und setzten sich vor das Jugendcafe in die warme Sonne. Man hatte Sonnenschirme aufgespannt und sie waren froh, Schatten zu haben, sie bestellten sich Cappuccino und beobachteten die Leute auf dem Altmarkt, das war ein wirklich schöner Platz in Moers. Die eine Seite des Platzes nahm das Cafe Extrablatt ein, das im ehemaligen Textilhaus Schulz untergekommen war, der Cafebetreiber hatte das Schulzhaus völlig entkernt und eine angenehme Cafeatmosphäre geschaffen, neben dem Extrablatt gab es das Scoozi, auch ein Cafe und den Juwelier Booz, auf der gegenüberliegenden Seite lag das Teehaus Gschwendner und an der Platzseite rechts vom Extrablatt lag die Adler-Apotheke. Der Altmarkt war ein kleiner sehr gemütlicher Platz, auf dem man sich wie im Süden vorkam, wenn die Sonne schien, es warm war und man sich draußen hinlümmeln konnte.

      An der Außenfassade der Adler-Apotheke war eine große Wetterstation angebracht und man konnte von weitem den grünen Pfeil erkennen, der schönes Wetter anzeigte. Das Wetter war im Grunde die ganze letzte Zeit über schön gewesen, richtiges Sommerwetter eben. KHK Leber ging die Jahrgangsstufenfahrt nach Berlin nicht aus dem Kopf, sie müssten Svenja unbedingt danach fragen. Svenja erschien pünktlich um 15.30 h mit dem Schlag der Turmglocke von der Stadtkirche, sie steuerte zielgerichtet auf den Tisch der Polizisten zu. Sie stellte sich vor und die Beamten sagten, wer sie waren, Svenja setzte sich an ihren Tisch, sie war eine gutaussehende blonde junge Dame und die beiden Beamten wunderten sich langsam, dass Jungen bei den Mädchen offensichtlich nur eine untergeordnete Rolle spielten. KHK Leber eröffnete das Gespräch und fragte Svenja zunächst:

      „Was willst Du trinken?“, sie nahm ein Wasser. Danach bat er sie, ihr Verhältnis zu Birte Schoemaker zu beschreiben und Svenja sagte:

      „Birte und ich haben viel gemeinsam unternommen, Birte ist eine sehr gute Freundin gewesen.“

      „Was habt Ihr denn so gemeinsam getan?“, fragte der Polizist nach und Svenja antwortete:

      „Wir haben oft Radtouren unternommen, Maria und Anna sind auch immer mitgefahren. Wir sind meistens in den Schlosspark gefahren und haben uns dort auf die Wiese gelegt oder wir sind zu Leonardo in den Biergarten gegangen und haben dort etwas getrunken.