Hans-Otto Kaufmann

Flug nach Johannesburg


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uns übrigens noch unterhalten.”

      “Das sorten wir später out”, kam es vom Fahrersitz. “Erst müsst ihr euch mal akklimatisieren. Wir liegen hier immerhin fast 1800 Meter hoch, das ist was anderes, als bei euch im flachen Norddeutschland.”

      “So hoch sind wir?”, fragte erschrocken Knut Steele.

      “Stand doch alles im Reiseführer”, warf seine Frau entschuldigend ein. “Wir werden uns schon dran gewöhnen und in einigen Tagen liegen wir am Strand des Indischen Ozeans, dann sind wir wieder unten auf unserem Level.”

      Arndt bog auf die N3 ab, zischte die Anhöhe von Bedfordview hinauf, überholte einen Pickup, auf dessen Ladefläche sich ca. dreiundzwanzig Schwarze zusammendrängten, und ordnete sich auf der rechten Spur Richtung M2 ein. Der Gast aus Deutschland schüttelte entsetzt seinen Kopf, von Arndt amüsiert im Rückspiegel beobachtet.

      “Du musst hier mal im Berufsverkehr unterwegs sein, da fährt oder steht man Stoßstange an Stoßstange, wie man`s nimmt. Dann siehst du noch mehr von diesen offenen Lastern, die Arbeiter zu ihren Jobs fahren.”

      “Von Anschnallen und solchen Sachen haben die hier wohl noch nichts gehört, was Arndt? Das ist doch lebensgefährlich, so auf einer Ladefläche zu hocken. Eine Vollbremsung und die liegen alle auf der Straße.” “Das ist Afrika, Knut. Appelliert wird immer wieder. Jedes Mal zur Urlaubszeit werden die gleichen Ratschläge gegeben und doch kommt es zu unglaublich vielen Verkehrsunfällen. Letztes Jahr waren es glaube ich über 600 Tote allein über die Weihnachtsfeiertage.”

      “Hoffentlich passiert uns nichts, wenn wir mit dir losfahren, Arndt”, ließ sich Getrud besorgt vernehmen. “Keine Bange.”

      Er kurvte an einem Laster vorbei, verschwand für einen Augenblick in dessen schwarzer Abgasfahne, bevor er wieder klare Sicht hatte.

      “Heute am Sonntag ist nichts los auf den Straßen. Aber auch sonst kümmern sich die Joburger nicht großartig um Geschwindigkeitsbegrenzungen. Sie fahren flott, aber erstaunlich diszipliniert.

      Trotzdem muss man aufpassen wie ein … Verdammt, hast du das gesehen? … typisch ... erst links überholen … und dann versucht er mich auszubremsen … blöder Burenbengel ...”

      Schnell hatte Arndt sich wieder beruhigt.

      “Gefährlich wird es erst, wenn die überladenen Taxis in Unfälle verwickelt sind. Dann gibt es gleich viele Tote und Verletzte. Sie arbeiten aber an einer neuen Gesetzgebung. Dann wird alles anders. Hier links sind die Abraumhalden der Goldminen.”

      Arndt steuerte in einer weiten Schleife auf den Oberholzer-Motorway zu.

      “Die konnten wir vom Flugzeug aus gut sehen”, kommentierte Gertrud von der Rückbank.

      “Wird denn immer noch viel nach Gold gebuddelt?”

      “Vielleicht nicht mehr so viel wie vor fünfzig Jahren, die Minen gehören aber auch heute noch zu den größten Arbeitgebern im Land. Daran hat sich nicht viel geändert.”

      “Was wird denn mit den Halden gemacht?”, wollte Knut Steele wissen. “Wird alles renaturiert?”

      “Einige werden bepflanzt, das kannst du gleich dahinten sehen. Es hat ziemlich lange gedauert, bis man herausgekriegt hat, welche Pflanzen sich dazu eignen. Bei den ersten Versuchen wurde alles wegblasen oder fortgeschwemmt. Der Sand ist sehr porös, da ist auch schon manches Kind beim Spielen verschüttet worden. Alle Halden sollen jetzt aber noch mal durchgesiebt werden, um das Restgold herauszufiltern. Heute hat man ja viel feinere Methoden, da bleibt noch mal einiges drin hängen, was früher eben auf der Halde landete.”

      Die Skyline von Downtown kam auf der rechten Seite langsam in Sicht. Das Ehepaar ließ die hinter Reklameschildern versteckten Hochhäuser an sich vorbeigleiten.

      Routiniert spielte Arndt den Reiseführer.

      “Das höchste Gebäude Afrikas, bitteschön. Mit den Antennen oben drauf, das Carlton-Center.”

      “Muss ‘ne tolle Aussicht von oben sein. Ward ihr da schon mal?”

      Arndt nickte.

      “Eine Kollegin hat uns sonntags zu einer Stadttour mitgenommen. Da sind wir mit der ganzen Familie mit dem Lift hochgefahren. Ich weiß nicht, wie viel Stockwerke. Oben kann man dann herumgehen und sich die City von allen Seiten anschauen. Da sieht man, wie alles vom Reißbrett geplant worden ist. Sehr interessant. Vielleicht haben wir in den nächsten Tagen Zeit, eine Tour zu machen. Leider werde ich euch aber nicht begleiten können.”

      “Warum nicht?”

      “Keine Zeit. Wir haben noch drei Tage Unterhaltungsbetrieb und in denen ist der Teufel los, sage ich euch. Mir fliegt jetzt schon die Batterie vom Herzschrittmacher raus, wenn ich bloß daran denke. Dabei fällt mir ein, dass ich morgen früh gleich den CD-Player abholen muss. Ein Stress ist das.”

      Die Eheleute zeigten kein erkennbares Mitleid mit ihrem Fahrer. Dass Lehrer gerne stöhnen, wussten sie schon von Deutschland.

      “Habt ihr hier alle so große Wagen?”, fragte Knut Steele, der sich bewundernd im Inneren des Autos umschaute.“

      “Findest du ihn zu klotzig für mich?”, kam die süffisante Replik.

      “Na ja, ich weiß ja nicht, was hier so üblich ist”, rechtfertigte sich der Angesprochene.

      “Der frisst doch ‘ne Menge Benzin, oder?”

      “Auch nicht mehr als andere der gleichen Klasse. Und Benzin ist hier noch wesentlich günstiger als in Deutschland. Wie viel kostet es denn jetzt bei euch? Ich bin gar nicht mehr im Bilde.”

      “Na, so um die zwei Mark, nicht wahr, Gertrud?”

      “Das wären umgerechnet fast sechs Rand. Davon sind wir noch weit entfernt, obwohl die Preise ständig steigen. Die meisten Autos fahren hier auch noch verbleites Benzin. Moment, jetzt darf ich die Abfahrt nicht verpassen.”

      Arndt ordnete sich links ein, um auf die M1 Richtung Pretoria zu kommen.

      Nach einer langen Rechtskurve ging es auf der unteren Ebene einer Doppelstockautobahn vierspurig weiter.

      “Wenn ihr mal nach rechts schaut, dann seht ihr da unten das Museum Africa. Die Stadt hat eine alte Markthalle in das Museum umgewandelt. Da waren wir schon häufiger mit den Kindern. Sie bringen interessante Ausstellungen. Am Samstag ist davor immer Marktbetrieb. Daneben ist auch noch das Market Theatre, eine der besten Bühnen Südafrikas. Vom Musical bis zum klassischen Theater kannst du da alles sehen. Und im Hintergrund das diamantförmige Gebäude, das ist das berühmte Johannesburger Edelsteinzentrum, De Beers und so weiter. Die Börse war früher auch dort in Downtown. Demnächst ziehen sie nach Sandton in den Norden um, da ist es etwas ruhiger.”

      “Meinst du wegen der Kriminalität?”

      “Genau. Die ganze Innenstadt ist komplett schwarz. Die Weißen verschwinden morgens in den bewachten Tiefgaragen und Büros und kommen abends wieder raus aus den Löchern. Das ist für einen Börsianer natürlich nicht das richtige Ambiente.”

      “Habt ihr denn, wo ihr wohnt, auch viel mit Kriminalität zu tun? Man liest ja so einiges in den Zeitungen.”

      Knut Steele hatte sich nicht nur aus beruflicher Neugier in seinem Sitz zum Fahrer vorgebeugt.

      “Bei uns ist es eigentlich ziemlich ruhig. Ein Kinderfahrrad ist uns einmal gestohlen worden. Du hättest in unserer Gegend auch nicht viel mehr zu tun als in Deutschland.”

      “Knut, jetzt ist Urlaub”, wurde er von seiner Ehefrau ermahnt.

      “Wir sind gleich da”, ließ Arndt verlauten.

      Von der Jan Smuts Ave war er abgebogen, stoppte aber unvermittelt kurz hinter der Ampel, um einen Zeitungsverkäufer heranzuwinken. Er drückte ihm einige Münzen in die Hand und nahm ein Exemplar der Sunday Times in Empfang.

      “Das