Hans-Otto Kaufmann

Flug nach Johannesburg


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rumpelte selbstsicher auf dem schmalen Gehsteig auf das Parkhaus zu, seine Gäste im Schlepptau.

      “Die bauen hier noch fleißig. Wenn’s fertig ist, sieht das hier alles ganz anders aus”, bemerkte er, indem er sich umdrehte.

      “Bisschen wärmer als in Deutschland, was?”

      “Kann man wohl sagen”, hechelte Knut Steele, der mit Mühe dem Schritttempo seines Vorgängers folgen konnte.

      “Bei uns sind es so um die Null Grad und hier schätzungsweise fünfundzwanzig, oder?”

      “Das kommt hin, Knut, wir sind mitten im Sommer. Ihr habt hoffentlich Badesachen greifbar, dann könnt ihr gleich, wenn wir zu Hause sind, zur Erfrischung in unseren Pool jumpen.”

      Das Ehepaar nickte lächelnd.

      “Irene und unsere beiden Kinder lassen sich übrigens entschuldigen. Sie sind noch in der Kirche.”

      Im Gebäude hievte Arndt den Wagen auf die Rolltreppe, stellt sich in die Schlange vor dem Parkautomaten und bezahlte seine Gebühr.

      “So, das hätten wir. Dann lasst uns mal zum Wagen gehen.”

      Wieder übernahm er das Gefährt.

      “Ja, Economy ist nicht gerade bequem. Habt ihr wenigstens etwas schlafen können?”

      “Ich hab’ kaum ein Auge zugemacht”, entgegnete Gertrud. “Bis morgens früh liefen noch irgendwelche Spielfilme und in meiner Reihe heulte dauernd ein Baby. Knut hat sich eine Augenklappe und Ohrstöpsel besorgt. Du hast doch etwas geschlafen, oder?”

      “Na ja, auch nicht sehr viel. Wenn das Abendessen um elf und das Frühstück um halb sechs kommt, hält das doch keine Verdauung aus. Der Kampf mit den Blähungen hat meine volle Aufmerksamkeit beansprucht. Man bekommt einen platten Hintern und außerdem kann man sich nicht richtig ausstrecken.”

      “Ich weiß auch nie, wohin mit meinen Beinen”, warf Arndt ein, “den nächsten Heimatflug werden wir upgraden.”

      “Upgraden?”

      “Wir fliegen dann Business. Mittlerweile haben wir so viele Punkte gesammelt, dass wir sie unbedingt abfliegen müssen. Die verfallen sonst.”

      Knut Steele nickte anerkennend.

      “Den Spitzenleuten an unserer Anstalt geht es allerdings noch besser.”

      “So?”

      “Die fliegen immer erste Klasse und lassen sich die Differenz zu Economy vom Vorstand bezahlen. So läuft das, wenn man`s mal bis ganz oben geschafft hat.”

      “Klingt nicht schlecht. Könnt ihr jedes Jahr einen Heimatflug machen?”

      “Können schon, aber bezahlt wird er nur alle zwei Jahre und das auch nicht komplett, denn demnächst wird auf Pauschalen umgestellt. Dann wird sowieso alles anders. Und du kannst dir sicher vorstellen, was das heißt.”

      Das konnte er.

      Auch sein Arbeitgeber stellte sich, was Dienstreisen anbelangt, immer knauseriger an.

      Sie waren beim Auto angelangt. Vor den Eheleuten stand, frisch gewaschen und poliert, ein hoher, dunkelblauer Geländewagen. Ein sirenenartiges Aufheulen und ein gleichzeitiges grelles Blitzen der Rücklichter ließen sie plötzlich zusammenzucken.

      “Der übliche Securitykram”, versuchte Arndt sie aufzuklären. Doch sie brauchten eine Weile, bis sie sich von dem Schreck erholt hatten und staunten nicht schlecht über den Luxus-Landrover, als Arndt schwungvoll die Heckklappe öffnete und das Gepäck verstaute.

      “Bitte einsteigen.”

      Er half ihnen auf die Rücksitze, wo sie sich in die Polster fallen ließen und ihre Jacken auszogen.

      “Endlich wieder sitzen”, bemerkte Knut.

      Ihr Fahrer hantierte einen Moment an Schlüsseln und Hebeln herum, bevor er den Wagen startete. Sanftes Rauschen der Klimaanlage umsäuselte sie, als Arndt sich in den Verkehr einfädelte und fast geräuschlos auf die Autobahn Richtung City fuhr.

      “Seit wann haben wir uns nicht gesehen?”, nahm Arndt den Gesprächsfaden wieder auf, “das ist doch bestimmt schon über zehn Jahre her.”

      ”Zwölf Jahre genau”, kam vom Rücksitz die prompte Antwort.

      “Da hatten wir das Klassentreffen. Zu der Zeit war aber noch keine Rede davon, dass du mal ins Ausland gehen willst.”

      “Stimmt, Knut. Damals hatten auch familiäre Sachen den Vorrang, wie du weißt.”

      “In deinen letzten Briefen hast du ja einiges geschrieben, was uns sehr neugierig auf Südafrika gemacht hat. Wie viel Jahre bist du jetzt schon hier?”

      “Wir sind im vierten Jahr.”

      “Wie lange kannst du denn noch bleiben?”

      “Für uns ist in zwei Jahren Schluss. Länger als sechs Jahre machen nur Funktionsstellenleute.”

      “Welche Leute?”

      “Oberste Aktenabstauber, Computernetzwerkverwalter, Malariabeauftragte und solche Spezis. Aber du weißt ja, dass mich das nicht interessiert. Mit Organisieren und Rummachen hab ich schon genug am Hut. Nebenbei, du glaubst es kaum, muss ich auch noch unterrichten.”

      “Hast du eigentlich noch Kontakt zu anderen aus unserer alten Klasse?”

      “Nein, das ist irgendwie alles zerbröselt. Nur mit euch sind wir noch in touch.”

      “Zum Glück, sonst wäre aus unserem Besuch nie was geworden.”

      “Und dass ihr uns im letzten Brief quasi zu einem Besuch eingeladen habt, fanden wir natürlich besonders erfreulich”, schaltete sich Gertrud in das Gespräch ein.

      “Dabei hatten wir noch Glück mit den Buchungen. Eine Woche später wäre kein Flug mehr im Angebot gewesen, sagte uns die Frau vom Reisebüro.”

      “Anfang Dezember scheint halb Europa in den Süden aufzubrechen. Die große Fluchtbewegung vor Weihnachten hat eingesetzt. Nach Mallorca oder auf die Kanaren kriegt man längst keine Flüge mehr. Alle wollen ins Warme, vor allem die Rentner”, ergänzte ihr Gatte.

      “Hätte ich ehrlich gesagt auch nicht gedacht, dass ihr euch so schnell entschließen würdet, zu kommen.” Arndt, der bislang immer auf der rechten Spur gefahren war, scherte ruckartig nach links ein, um einem hupenden Sportwagen Platz zu machen.

      Interessiert beobachtete Knut Steele den Vorgang.

      “War es eigentlich schwierig, sich auf den Linksverkehr einzustellen, Arndt?”

      “Das geht schnell. Man greift bei den ersten Fahrten manchmal ins Leere, oder öffnet, wenn man Pech hat, die Fahrertür. Dann hat man es aber bald raus.” Er steuerte sein Gefährt wieder auf die rechte Spur.

      “Wolltest du denn auch gleich mit, Gertrud?”, wandte sich Arndt an die Ehefrau.

      Sie räusperte sich.

      “Ich hab keine Sekunde gezögert. Wann ergibt sich für uns sonst die Gelegenheit, nach Afrika zu kommen. Ich wollte schon immer mal in diese Ecke.”

      “Arbeitest du denn noch?”

      “Ja, halbtags. Ich helfe in einer Boutique aus.”

      “Was ist mit eurer Tochter? Wie heißt sie noch gleich?”

      “Christina.”

      “Richtig. Jetzt erinnere ich mich. Wie alt ist sie denn?”

      “Sie ist 20 geworden.”

      “Und was macht sie?”

      “Studiert Sozialpädagogik.”

      “Jedenfalls, eine Pauschalreise von