Heike Möller

Weltenwanderer-Chroniken II


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Vater hat gesagt, du bist mal auf Fnir geflogen. Stimmt das?“ Elsir hatte wirklich ein unnachahmliches Gespür dafür, im falschen Moment das Falsche zu sagen. Sondra schluckte einen Fluch herunter.

      „Ja, das stimmt. Aber ein Flugzeug ist etwas anderes. Deswegen hatte ich auch keine Angst, als ich auf Fnir saß.“

      Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, denn Sondra hatte damals ein wenig Angst. Aber sie hatte auch Vertrauen zu Fnir gehabt und wurde nicht enttäuscht. An­dreas Laurenz schaute finster und mit leicht aufgeblähten Nasenflügeln zu Sondra. Sie wusste warum.

      Elsir bemerkte, dass sich die Stimmung schlagartig geändert hatte. „Es tut mir leid, ich wollte nicht …. Heikles Thema?“

      „Lass es bitte Gut sein, Elsir“, flüsterte Andreas rau.

      Tatsächlich schwieg der hübsche Elf und blickte betreten auf seinen Teller.

      Bijae holte tief Luft. „Habe ich alles andere bisher überlebt, werde ich auch das Flie­gen überleben.“ Seine Stimme klang jetzt entschlossen.

      „Was machst du mit den Waffen?“, fragte Andreas etwas später, als die beiden Elfen sich in ihr Zimmer zurückgezogen hatten. Er half Sondra beim aufräumen in der Küche, während sie den Herd putzte.

      „Ich habe noch einen alten Waffenkoffer auf dem Dachboden. Mein Vater hatte ihn benutzt, wenn er ins Ausland gereist war. Ich verpacke die Bögen, Pfeile und Schwerter einfach in Luftpolsterfolie und packe das Ganze in den Koffer. Gut verschließen, als historische Waffensammlung für einen Antiquar deklarieren und schon geht das.“

      Andreas lehnte sich gegen das alte Holzregal und verschränkte seine Arme.

      „Du entwickelst langsam kriminelle Energien, mein Schatz. Das gefällt mir gar nicht!“

      Sondra warf das Handtuch auf den geputzten Herd und ging zu Andreas. „Ich weiß, ich bin manchmal eine ganz Schlimme!“, gurrte sie leise und blickte ihn von unten an. Sie schmiegte sich an Andreas, schlang ihre Arme um seine Hüfte, vergrub ihr Gesicht an seinen Hals. Seine flache Atmung und sein Zittern verrieten Sondra, dass sie ihn erregte.

      „Denkst du bitte daran, dass wir Gäste haben! Sonst nehme ich dich gleich hier in der Küche!“ Die Stimme von Andreas war ein tiefes Knurren. Auch er packte Sondra an der Hüfte, hielt sie fest. Die Barriere um ihr Nymphenwesen, die eben noch gelockert war, baute sich augenblicklich wieder auf.

      „Ich liebe dich, Andi“, flüsterte sie an seinem Hals. „Ich liebe es, deinen Duft einzu­atmen, dich zu streicheln, dich anzusehen, deine Stimme zu hören, dich in meiner Nähe zu haben.“

      Andreas umarmte Sondra, vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. „Versprich mir, dass du zu mir zurückkommst, Sondra.“

      Sondra erstarrte, befreite sich vorsichtig von seiner Umarmung. „Wie meinst du das?“

      Andreas hielt ihre Hand fest, sah in ihre Augen. „Ich weiß, dass du nach Vilgard mitgehen wirst. Nein, unterbrich mich bitte nicht!“

      Sondra hatte zu einer Antwort angesetzt und tief Luft geholt. Krampfhaft hielt sie die Luft kurz an, bevor sie sie langsam wieder aus ihren Lungen ließ. Stumm nickte sie Andreas zu.

      „Seitdem wir wieder hier sind, haben wir lediglich am Anfang über Vilgard ge­sprochen. Irgendwann ließen wir es. Aber ich kenne dich, Sondra Wieland. Die Erde, Deutschland sind deine Heimat. Aber Vilgard ist der Ort, zu dem es dich immer wieder hinzieht. Geh mit den beiden, Sondra. Treffe dich mit Elana, Elram und den anderen. Bringe in Erfahrung, was sich geändert hat. Und dann komme wieder zu mir zurück.“

      Wortlos starrte Sondra ihren Verlobten an. Dann schüttelte sie langsam, wie in Trance den Kopf. „Nein.“

      „Liebes, sei doch vernünftig.“

      „Nein!“ Sie schrie ihn an. Sondra hatte Andreas das letzte Mal in Vilgard ange­schrien, als sie sich der Tragweite verschiedener Entscheidungen bewusst geworden waren. Andreas sah sie mit großen Augen an.

      „Andi, ich kann jetzt hier nicht weg! Du brauchst mich hier! Der Prozess wird dich sehr viel Kraft kosten und ich will an deiner Seite sein.“

      „Sondra, niemand konnte ahnen, dass ausgerechnet jetzt etwas derartiges geschehen würde. Ich komme hier schon zurecht. Der Prozess ist sehr gut vorbereitet und wenn ich jemanden zum Ausheulen brauche, gehe ich zu Tom oder Petra. Mach´ dir bitte keine Gedanken.“

      „Tu ich aber! Verdammt, ich bin nicht nur einfach deine Freundin. Ich bin jetzt deine Verlobte! Das heißt, ich habe dir ein Versprechen gegeben, Andreas. Und dieses Versprechen beinhaltet auch, dass ich deinen Wünschen und Bedürfnissen versuche nachzukommen, wo ich nur kann!“

      Andreas starrte in leuchtend grünen Augen. „Und was ist mit deinen Wünschen und Bedürfnissen, Sondra? Was ist mit deinem tiefen Wunsch, Fnir wieder zu sehen?“

      Sondra klappte der Unterkiefer herunter. „Darum geht es also. Es geht um Fnir!“

      Andreas ging kopfschüttelnd an Sondra vorbei. „Hast du wirklich geglaubt, dass ich nicht gemerkt habe, was du für den Vogel empfindest?“

      Die Art und Weise, wie Andreas das Wort ´Vogel` aussprach, erschütterte Sondra. „Ich habe es nie in Erwägung gezogen, dich wegen Fnir zu verlassen, Andi.“ Ihre Stimme war ein Flüstern. „Oder dich mit ihm zu betrügen. Niemals!“

      Andreas sah sie schwer atmend an. „Ja. Das glaube ich dir sogar.“ Er drehte sich um, verließ die Küche und ging zum Schlafzimmer hoch.

      Sondra stand da, starrte die Türöffnung an, durch die Andreas gerade verschwunden war. Plötzlich hatte sie das Gefühl, frische Luft zu benötigen. Sondra rannte in den Flur, riss ihre Jacke vom Kleiderhaken und stürmte aus dem Cottage.

      Es schüttete jetzt. Sondra bemerkte es nicht. Sie lief einfach die Auffahrt weiter in Richtung Straße. Regen peitschte in ihr Gesicht, vermischte sich mit ihren Tränen. Sie bemerkte nicht einmal, dass sie keine Schuhe anhatte. Kurz vor der Straße blieb sie stehen, rang nach Luft. Krämpfe schüttelten sie. Sondra war überrascht, dass sie von ihren Gefühlen so stark überrollt wurde. Heftiges Schluchzen kam aus ihrer Brust.

      Zwei Arme legten sich um ihre Schultern, zogen sie an eine warme Brust.

      „Ist ja gut. Beruhige dich, Sondra.“ Elsirs einfühlsame Stimme hatte tatsächlich eine beruhigende Wirkung auf Sondra. Er hatte einen Arm um ihre Taille gelegt, die andere Hand lag in ihrem Nacken unter ihrem nassen Haar, massierte sanft die angespannten Muskeln des schlanken Hals.

      „Es tut mir leid, Sondra“, flüsterte er. „Wenn wir nicht aufgetaucht wären, wäre das nicht passiert. Bitte, vertrage dich wieder mit Andreas. Bitte!“

      Sondra hörte langsam mit dem Weinen auf, atmete tief den Duft ein, der von Elsir ausging. „Ich weiß einfach nicht, warum….“

      Elsir legte rasch einen Finger auf ihre Lippen. „Nein, sag jetzt nichts. Nicht zu mir.“

      Erstaunt sah Sondra in die Augen des Elfen. Das blaue mit den silbernen Flecken und das goldene mit den blauen Flecken. Sie erkannte plötzlich die Gabe Elsirs.

      Frieden.

      Mit sich selbst, mit seiner Umgebung.

      Ruhe.

      Klarheit.

      Sondra fühlte sich unglaublich leicht, befreit.

      Elsir lächelte, nahm Sondra auf seine Arme und trug sie ins Haus zurück. Erst jetzt merkte sie, dass durch die scharfkantigen Kieselsteine der Auffahrt ihre Fußsohlen verletzt worden waren. Doch der Schmerz war kaum wahrnehmbar.

      „Jae wird sich um deine Wunden kümmern. Vertraue ihm. Und vertraue deinem Ge­fühl für Andreas.“ Elsirs Stimme war ein Flüstern, nicht mehr.

      Andreas stand blass am Fuß der Treppe, Bijae neben der Garderobe. Sofort nahm der Druide die kleinen Verletzungen an Sondras Füßen wahr, legte sanft seine Hände auf die Fußsohlen. Wärme durchströmte Sondra.