aufnehmen und wurde wár genannt. Hinzu kam beim kleineren Modell ein niedriger Bug, während derjenige des bahat hochgezogen war. Auch heutzutage sind diese beiden Bootsformen noch vereinzelt im Kaschmir-Tal in Gebrauch. Gelegentlich kann man sie auf dem Jhelum beobachten, wo sie wie in alter Zeit mitunter von Hand gegen den Strom getreidelt werden. Die gegen Ende des 19. Jahrhunderts vermutlich gebräuchlichste Bootsform war die der Dunga. Sie ist auch heute noch weit verbreitet und bietet in gewisser Weise einen Kompromiss zwischen dem ursprünglichen Transportkahn und den gestiegenen Anforderungen der Bootsleute an ihre Unterkunft. Die Dunga ist „zwischen 50 und 60 Fuß lang, etwa 6 Fuß breit und hat einen Tiefgang von ca. 2 Fuß“ (Lawrence 1998). Dies entspricht einer Länge von ca. 15 bis 20 Metern bei einer Breite von 2 bis 2,5 Metern. Im Gegensatz zu den reinen Lastkähnen nimmt der Wohnbereich der Dunga einen größeren Raum ein, wobei sich die Ladekapazität für Waren auf 200 maunds reduziert. Daneben existierten noch eine Reihe kleinerer, ungedeckter Boote für den Warentransport sowie herrschaftliche Boote, die dem Transport des Königs vorbehalten waren. Keines der beschriebenen Boote verfügt über eine Ruderpinne. Die Fortbewegung und Steuerung erfolgt mittels Staken, Rudern und Treideln, je nach Flussströmung.
Als Reisende zu Anfang des 20. Jahrhunderts verstärkt nach Kaschmir kamen, um hier den heißen Sommermonaten in Indien zu entgehen, war wohl die Dunga ihre Hauptunterkunft auf dem Wasser. Um den Gästen den Aufenthalt angenehmer zu gestalten, wurden einige bauliche Änderungen vorgenommen. So erhielt eine Dunga, die als schwimmendes Hotel vorgesehen war, zunächst eine Toilette. Ein Diener war für die Entsorgung der kolonial-touristischen Hinterlassenschaften verantwortlich. Ein kleiner Baderaum musste her, da es insbesondere den herrschaftlichen Damen nicht zuzumuten war, sich im See zu waschen. Selbstverständlich schliefen und aßen die kolonialen Gäste nicht auf dem Boden, sondern so, wie sie es von zuhause gewohnt waren. Mitunter besaßen diese Boote eine Art Sonnendeck, das auf dem eigentlichen Dach angebracht war und von dem aus die Gäste einen Rundblick auf die amphibische Welt Kaschmirs werfen konnten, während sie von der Bootsbesatzung durch die Landschaft gerudert und gestakt wurden. Die Besatzung der schwimmenden Unterkünfte lebte und kochte - wie in alter Zeit - im Heckteil des Bootes oder an Land, während die zahlenden Passagiere quasi den Platz der Ladung einnahmen. Die Wohn- und Schlafräume der Reisenden befanden sich im Vorderteil der Dunga, von wo aus sie bequem auf den Bug hinaustreten und auf das Sonnendeck steigen konnten. Für das Wohl der Gäste sorgten an Bord ein Diener, ein Koch, mehrere Ruderleute, und an Land standen die Frauen für das Waschen der Wäsche bereit.
Im Jahr 1883 war es dann soweit: Ein Engländer namens M. T. Kennard kam auf eine Idee mit weitreichenden Folgen für Kaschmir. Er konstruierte, so will es eine Legende, das erste Hausboot in seiner heutigen Form (Dhar, 1999). Die Gründe dafür mögen in den doch recht eingeschränkten Raum-Verhältnissen der Dungas zu suchen sein, die zudem anfällig gegen schlechtes Wetter waren. Immerhin verfügten sie nur über kleine Fenster, die in große, aufschiebbare Seitenwände integriert waren. Es war entweder gutes Wetter und entsprechend hell im Boot, oder es regnete, dann waren die Seitenelemente geschlossen - und es war entsprechend dunkel im Boot. Anderen Quellen zufolge war es ein Ladenbesitzer, dessen Geschäft abgebrannt war und der nun eine Ausweichlösung auf einem Boot in die Wege leitete, um seine Waren verkaufen zu können. Ein „Offizier“ soll dem Mann seine neue Erfindung abgekauft haben. Fasziniert von den sich bietenden Gewinnmöglichkeiten verlagerte der Konstrukteur wider Willen sein Geschäft in das eines Bootsbauers und wurde in der Folgezeit zu einem reichen Mann (Sanyal: 1979). Wie auch immer: Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert scheint die Dunga durch das größere Hausboot, das in der ersten Zeit seiner Existenz auch als „das Boot des Herrn Kennard“ (Dhar 1999) bezeichnet wurde, als touristische Unterkunft langsam abgelöst worden zu sein. Die neuen Hausboote waren nicht nur witterungsbeständiger, sondern auch wesentlich geräumiger. Die meisten dieser Boote, von denen einige wenige die Zeit bis heute überdauert haben, besitzen eine Länge von 20 bis 30 Metern und eine Breite von über 3 Metern. Zudem sind diese Hausboote mit wetterfest gedeckten Dächern ausgestattet und verfügen über große Schiebefenster, die bei gutem Wetter geöffnet werden können, aber auch in geschlossenem Zustand noch ausreichend Licht ins Bootsinnere lassen.
Für die frühen Touristen in Kaschmir war es nun möglich, mit Familien, Freunden oder Offizierskameraden in größeren Gruppen ein solches Boot zu mieten, ohne unter Platzmangel zu leiden. In der Regel verfügt ein Hausboot über mindestens zwei bis drei Schlafräume mit angeschlossenem Badezimmer, die vom Heck des Bootes ausgehend hintereinander angeordnet sind. Daran schließt sich eine kleine Küche mit Aufgang zum Sonnendeck an, von dem man einen fantastischen Ausblick hat. Es folgt der Speiseraum, meist mit einer großen Tafel und einem Büffet an der Wand versehen. Am Bug-Ende des Hausbootes befindet sich immer ein großzügiger Wohnraum, leicht überfrachtet mit Sofas, Sesseln, Teetischen und Kronleuchtern, die allesamt aus einem viktorianischen Museum importiert zu sein scheinen. Alles ist mit duftendem Zedernholz getäfelt. Sehr viel anders als heute kann es auch zu Herrn Kennards Zeiten nicht auf einem solchen Hausboot ausgesehen haben. Vor dem Wohnraum liegt schließlich die Veranda, auf der sich vermutlich die kolonialen Gäste ebenso wohl gefühlt haben dürften wie dies heutige Touristen tun. Eine kleine Stiege führt an der Frontseite des Hausbootes ins Wasser hinunter, so dass man bequem baden gehen oder sich von einer Shikara (kleines Paddelboot) abholen lassen kann. Selbstverständlich benötigt man für den Unterhalt und die Bewirtschaftung eines Hausbootes mehr Personal, als dies für eine Dunga der Fall ist oder gar war.
Mit den ursprünglich für den Transport im Kaschmir-Tal verwendeten Lastkähnen haben diese Luxusherbergen nur mehr gemein, dass sie schwimmen. Andererseits wären die nun schon seit gut 100 Jahren schwimmenden Hotels ohne die alte Tradition des Schiffens auf den Seen, Flüssen und Kanälen des Kaschmir-Tals nicht denkbar. Wer sich heute an Bord eines solchen Hausbootes begibt, ist nicht nur in einer der luxuriösesten Herbergen Indiens untergekommen; für ihn wird auch der koloniale Stil der Briten gepaart mit dem prunkvollen Luxus mittelalterlicher Herrscher nachvollziehbar.
1.4. Die Mogulgärten von Srinagar
Sehnsüchte nach dem Paradies
„Wenn es ein Paradies gibt, dann ist es hier“, soll der Mogulkaiser Jehangir beim ersten Anblick des Kaschmir-Tals ausgerufen haben. Eine Einschätzung, die er offenkundig mit königlichen Zeitgenossen, Einheimischen und Besuchern Kaschmirs teilte. Der persischen Kultur entstammend und ausgerüstet mit einer schier unvergleichlichen Machtfülle, standen den Mogulherrschern Mittel zur Verfügung, um ihre klar strukturierten Vorstellungen vom Paradies auch kreativ umsetzen zu lassen. So entstanden während der Herrschaftszeit der Moguln in Kaschmir (zwischen 1586 und 1707) nicht nur bedeutende Baudenkmäler, sondern auch wunderbare Parkanlagen, die heute als „Mogulgärten“ tausende von Besuchern verzaubern. In ihrer stringenten Umsetzung islamischer Vorstellungen vom „Garten Eden“ inmitten des Naturparadieses Kaschmir wurden sie in der Folgezeit zum idealen Vorbild herrschaftlicher Gartenanlagen wie zum Beispiel in Lahore und Delhi.
Den von Ästhetik verwöhnten Mogulkaisern muss die Landschaft um die Stadt Srinagar beim ersten Anblick tatsächlich wie das Paradies erschienen sein: Wasser, schier endlos, umgeben von hohen Bergen, die in grüne Hügel auslaufen. Für die der persischen Kultur mit ihrem extrem trockenen Klima entstammenden Mogulherrscher war das Vorhandensein von Wasser immer ein Grund zur Freude und kreativen Betätigung. Dazu ein Klima, welches schnell die heißen Temperaturen des indischen Subkontinentes vergessen ließ. Kein Wunder also, dass sich die royalen Gäste auf Anhieb wohl gefühlt haben müssen. Akbar der Große (Regierungszeit 1556 bis 1605), der das Kaschmir-Tal insgesamt lediglich drei Mal besuchte, war der Legende zufolge der erste der Moguln, der seinen machtpolitischen und künstlerischen Ambitionen in Kaschmir Ausdruck verlieh. Walter Lawrence spricht von insgesamt 777 Gärten im Umkreis des Dal-Sees während der Mogulperiode, von denen