Mathias Bestle

Robinson.Leva


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nickte.

      „Du hast mich gebissen! Ihr... ihr seid Vampire!“

      „Nein sind wir nicht!“, rief Dala gereizt. „Hörst du mir überhaupt zu?“

      „Schon klar, ihr seid völlig natürlich“, sagte ich schnell. „Aber Vampirgeschichten gibt es doch auch überall auf der Welt!“

      Dala schloss kurz die Augen. „Ja. Nur haben die Menschen das falsch verstanden: Wir trinken kein Blut, wir geben es.“

      „Natürlich“, nickte ich.

      Sie kaute auf ihrem Piercing herum. Sie wirkte ziemlich verzweifelt.

      „Keine Sorge Dala... Ich werde niemandem davon erzählen", sagte ich und versuchte zu lächeln.

      Sie starrte zu Boden. Ich stupste ihr sanft in die Seite. „Hey, dein Rat wird es gar nicht mitbekommen!“

      „Rob, du verstehst überhaupt nichts!“, rief sie wütend.

      Ich erschrak und ihr Ausdruck wurde traurig. „Tut mir leid...", flüsterte sie und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. „Ich hab nur so furchtbare Angst...“

      Ich streckte unsicher einen Arm nach ihr aus.

      „Rob, bitte zieh mal deinen Pullover aus", sagte sie da plötzlich. „Ich will deinen Rücken sehen.“

      Verwundert gehorchte ich und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr meine Schultern dabei schmerzten.

      „Oh Mann...", flüsterte sie.

      „Was?“

      Sie führte mich vor den Spiegel ins Badezimmer. Zwei lange, rote Beulen hatten sich auf meinem Rücken gebildet, zu beiden Seiten meiner Wirbelsäule.

      „Was ist das?“, fragte ich erschrocken.

      Sie trat nervös von einem Bein aufs andere. „Als ich dich geimpft habe, also da... Mann ist das schwierig, du wirst durchdrehen!“

      „Dala, was?“

      „Da... da ist außer dem Sauerstoff, der dich gerettet hat, noch etwas anderes in deinen Körper gelangt. Meine DNA und Botenstoffe mit außergewöhnlichen... Eigenschaften.“

      „Botenstoffe? Was für... wird das... du meinst damit... - Hat das Auswirkungen auf meinen Körper?“

      „Ja“, sagte sie leise.

      Jetzt hatte ich wirklich Angst. „Welche Auswirkungen?“

      „Du wirst dich verändern. Es ist der eigentliche Sinn des Impfens. Was du da an deinem Rücken siehst... diese Beulen - dein Körper ist auf Hochtouren dabei, neue Zellen zu bilden... die dann zu neuen Geweben werden. Muskeln, Nerven, Blutgefäße... Und im Endeffekt... im Endeffekt...“

      „Was?“

      „Flügel.“

      Entsetzt fasste ich nach meinem Rücken. Ich stellte nicht einmal mehr in Frage, ob das wahr sein konnte. Dieser Tag hatte mich gelehrt, das Unglaubliche zu glauben. Ich starrte in den Spiegel und meine Hände schoben sich sinnlos über die Beulen, versuchten sie flach zu drücken. Meine Augen waren panisch und Dala, Dala stand da, ratlos, hilflos, ein paar Schritte hinter mir.

      „Was hast du gemacht?“, keuchte ich und stürmte an ihr vorbei. Die Zimmertür war versperrt, doch der Schlüssel lag auf dem Schreibtisch, mein Pullover daneben. Ich riss mich von Dala los, die nun an meinem Arm hing, und rannte die Treppe hinab.

      „Rob, es tut mir leid!“, hörte ich sie rufen.

      Ich lief zur Haustür hinaus, durch den Vorgarten und die Straße entlang. Ich war völlig überfordert, ich wollte nur fort. Ich rannte immer weiter, durch Straßen, die ich nicht kannte. Nach und nach verdrängten die Erschöpfung und die Regelmäßigkeit der Bewegung alle Gedanken und Gefühle aus mir. Irgendwann ließ ich mich einfach auf den Boden fallen und blieb liegen, bis ich wieder ruhig atmen konnte und noch länger.

      Eine kleine, alte Frau kam herbeigehumpelt. „Mein Gott, Junge, was fehlt dir denn?“, fragte sie.

      Ich ignorierte sie.

      „Du kannst doch nicht auf der Straße liegen!“

      Ich stand auf und ging wortlos davon. Schon nach wenigen Minuten tat mir das Leid. Sie hatte mir helfen wollen. Ich kehrte um und lief zurück, doch sie war verschwunden. Ich schämte mich und wusste nicht, was ich tun sollte. Lange stand ich einfach nur da, erstarrt, leer, ratlos, bis meine Beine sich wie von selbst in Bewegung setzten.

      Ich brauchte lange, bis ich Dalas Haus wieder gefunden hatte. Die Eingangstür war unversperrt. Ich fürchtete, dass Dalas Vater inzwischen zu Hause sein könnte und schlich so leise ich konnte nach oben.

      Dala lag zusammengekauert auf ihrem Bett und schlief. Daneben am Boden standen ein leeres Glas und die Plastikdose mit den Eisentabletten. Plötzlich wusste ich, warum sie die nehmen musste. Sie hatte mir so viel von ihrem Blut gegeben, dass sie selbst beinahe zu wenig gehabt hätte. Am Strand wäre sie beinahe ohnmächtig geworden und nur mit Mühe und Not hatte sie es bis zum Auto geschafft. Es war ihr erbärmlich gegangen. Sie hatte mir das Leben gerettet und ich hatte ihr Vorwürfe gemacht und war davongelaufen. Am Liebsten wäre ich auf der Stelle wieder abgehauen. Ich ging zur Tür, sperrte ab und rollte mich auf dem Teppich vor ihrem Bett ein.

      Plötzlich saß sie neben mir.

      „Rob, es tut mir so leid!“, flüsterte sie, als sie bemerkte, dass ich wach war. „Bitte glaub mir, das war bestimmt nicht, was ich wollte! Es war die einzige Möglichkeit! Du wärst tot gewesen, bevor ich es geschafft hätte, dich zur Oberfläche zu ziehen!“

      „Nein, Dala, mir tut es Leid. Du hast mir das Leben gerettet. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.“

      „Das... das verstehe ich doch...“ Plötzlich begann sie, heftig zu blinzeln. „Ich bin nur so froh, dass du zurückgekommen bist!“ Sie warf sich mir um den Hals.

      Ich ignorierte den Schmerz in meinem Nacken und tätschelte hilflos ihren Rücken.

      „Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht! Ich wollte dir nachlaufen, aber du warst zu schnell...!“

      Meinem schlechten Gewissen half das nicht gerade. „Ich habe einfach Luft gebraucht", sagte ich halbherzig.

      Sie ließ mich los. „Rob, wenn du das nächste Mal Luft brauchst, bitte streck den Kopf zum Fenster raus.“

      „Dala, ich... ich habe bereits mein Gedächtnis verloren. Nun habe ich das Gefühl, auch noch den Rest von mir zu verlieren.“ Es fiel mir nicht leicht, das zu sagen. Ich wusste noch immer nicht, wie sie nun zu meiner Amnesie stand.

      Sie sah mich nicht an, doch sie nahm meine Hand. Das genügte mir.

      „Das mit den Flügeln hat mich einfach fertig gemacht“, sagte ich leise. „Es macht mich immer noch fertig. Wie ist das bloß möglich? Werde ich zum Leva?“

      Sie nickte wortlos.

      Ich war in einer Fabelgeschiche gelandet. Ich lag zitternd auf der Couch, kauerte mich zusammen, zog mir die Decke über den Kopf, bis ich plötzlich das Gefühl hatte zu ersticken und sie panisch von mir riss. Ich hatte geglaubt, Antworten von Dala zu bekommen, stattdessen hatte sie mir neue verstörende Dinge gezeigt und gesagt. Ich richtete mich auf und starrte hinüber zu ihr in ihrem riesigen Bett. Ich musste erfahren, was sie über Saat wusste.

      Als ich jedoch über ihr stand und ihr verkrampftes Gesicht sah, ihr Zucken im Schlaf, brachte es nicht über Herz, sie aufzuwecken. Mir wurde zum erstem Mal so richtig bewusst, wie schwierig das alles auch für sie sein musste.

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