Mathias Bestle

Robinson.Leva


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muss die Blutung stillen.“

      „Blutung?“

      „Halb so schlimm.“

      Ich atmete stoßweise. „Wie kommst du hierher?“

      „Ich bin euch gefolgt. Saat-“

      Saat! Erneut überkam mich Panik. „Wo ist er?“

      Ich wollte aufspringen, doch sie drückte mich nieder. „Bleib liegen!“, schimpfte sie.

      „Er ist durchgedreht! Er ist gefährlich! Wir müssen von hier fort!“, schrie ich, doch sie hielt mich weiter eisern am Boden fest. Plötzlich bekam ich auch vor ihr Angst. „Lass mich los!“, brüllte ich und rollte sie von mir herunter.

      „Rob, ich will dir nur helfen!“, rief sie, während ich beim Versuch aufzustehen einknickte und sofort wieder zu Boden ging. Sie kroch auf mich zu und ich schlug ihre Hand fort.

      Jetzt wurde sie wütend. „Nun hör aber auf!“, schrie sie. „Ich hab dir das Leben gerettet!“

      Ich lag still. „D-du warst das im Wasser?“

      „Na was denkst du denn? Saat ist fort, du kannst dich also mal beruhigen. Wenn du mir einen Augenblick lang zugehört hättest...“

      „Wo ist er?“

      „Im Meer.“

      Ich starrte sie an. „Hast du ihn... du hast ihn doch nicht-?“ Es war ein entsetzlicher Gedanke. In diesem Moment sah ich Saat plötzlich wieder als meinen Bruder. Das machte alles nur noch unerträglicher...

      „Natürlich nicht", sagte Dala. „Ich hab ihn nur... verjagt.“

      Ich war unendlich erleichtert, dass er nicht tot war - gleichzeitig bedeutete das aber, dass er jederzeit wiederkommen konnte. Wie hatte Dala es bloß geschafft, ihn zu vertreiben? Plötzlich überkam mich unheimliche Dankbarkeit.

      „Dala, du hast mir das Leben gerettet!“, krächzte ich.

      „Na, sag ich doch.“

      Meine Lungen brannten. Noch immer hatte ich das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen. Plötzlich fühlte ich eine warme Flüssigkeit meinen Hals hinab sickern und zuckte zusammen.

      „Oh Mann, die Blutung!", sagte Dala, robbte hastig zu mir heran und drückte wieder auf meinen Hals.

      Da erinnerte ich mich an die Hitze, die von dieser Stelle aus meinen Körper durchströmt hatte. „Dala, wie hast du mich gerettet? Ich war fast tot!“

      „Ich hab dich an Land gezerrt.“

      „Was hast du mit meinem Hals gemacht?“

      „Du hast dort Schnitte, von Saats Nägeln.“

      Sie verschwieg mir etwas. Warum sollte sie das tun? „Da war etwas, hier, das... das mich aufgeweckt hat!“, rief ich.

      Sie wirkte verstört.

      „Was immer es war, ich bin dir dafür unheimlich dankbar!“, fügte ich schnell hinzu.

      „Rob... bitte lass uns später darüber reden", bat sie und klang wirklich elend.

      Ich war verwirrt, doch ich ließ sie in Ruhe.

      „Ist dir kalt?“, fragte sie. Ich schüttelte zitternd den Kopf.

      „Saat trug nur eine Badehose. Wo ist seine Kleidung?“

      Ich beschrieb ihr, wo unsere Rucksäcke lagen.

      Sie griff nach meiner Hand und presste sie gegen meinen Hals. „Schaffst du das alleine?“

      Ich nickte. Als sie ihre eigene Hand wegnahm, war sie über und über blutverschmiert.

      Sie stolperte zwischen den Felsen umher und hob irgendwo ihr blaues T-Shirt auf. Sie zog es über das seltsame schillernde Korsett, das sie eng um den Oberkörper geschlungen trug. Mit unseren Rucksäcken kam sie schließlich wieder. Sie zog mir mein nasses T-Shirt aus und streifte mir vorsichtig meinen dicken, grünen Pullover über.

      „Geht schon...", sagte ich verlegen, als sie mir auch die Hose auszuziehen begann. Sie schenkte mir ein blasses Lächeln und drehte sich um, während ich umständlich in Saats trockene Jeans schlüpfte. Sie schaffte es in der Zwischenzeit mit Hilfe ihrer Zähne vom Handtuch aus meinem Rucksack einen Streifen abzureißen. Nun hatte ich ein trockenes Stück Stoff, das ich auf meinen Hals pressen konnte.

      „Dala, du bist furchtbar blass", sagte ich besorgt.

      Sie nickte, murmelte ihr wäre kalt und begann, sich Saats T-Shirt überzuziehen. Plötzlich schwankte sie und sackte zu Boden.

      „Dala!“, rief ich, beugte mich über sie und drehte ihr Gesicht nach oben. Ihre Augen waren weit aufgerissen und unfokussiert. „Was ist mit dir? Bist du verletzt?“

      Sie blinzelte. „Schon gut, mir ist nur schwindlig", sagte sie mit dünner Stimme.

      Ich fühlte mich hilflos. „Was kann ich - wie kann ich dir helfen?“, stammelte ich.

      „Der Pullover..."

      Ich half ihr, durch die Ärmel zu schlüpfen. Sie fragte, ob etwas zu Essen in den Rucksäcken sei. Ich fand noch einen Riegel und den restlichen Powerdrink und gab ihr beides.

      „Hast du dein Handy dabei?“, fragte ich, während sie den ersten Bissen nahm. „Wir müssen einen Notruf absetzen!“

      Sie verschluckte sich beinahe. „Kein Notruf", keuchte sie. „Ich meine...“ Sie zog ihr Handy aus der Hosentasche. „Da, siehst du? Kaputt...“

      Ich wunderte mich immer mehr über sie. „Na gut, kein Notruf...", murmelte ich.

      Nachdem Dala den Riegel gegessen und ein paar Schlucke getrunken hatte, sah sie schon wieder besser aus.

      „Lass uns von hier verschwinden", sagte ich, nervös aufs Wasser blickend.

      „Blutest du noch?“, fragte sie.

      Ich nahm die Hand vom Hals und das Stück Stoff blieb auf der Wunde kleben. „Nein.“ Ich versuchte, es abzulösen.

      „Nicht!“, rief Dala und riss noch einen zweiten Streifen von meinem Handtuch, lang und schmal. Den band sie mir um den Hals. Dann nickte sie und erhob sich wackelig. „Gut. Lass uns gehen.“

      „Dala, wie hast du uns hier gefunden?“, fragte ich, sobald wir die steinige Halbinsel hinter uns ließen.

      „Glück", sagte sie knapp und starrte weiter konzentriert zu Boden.

      „Woher hast du gewusst, dass ich in Gefahr war?“, versuchte ich es mit einer anderen Frage. Ich hatte genügend. Viele davon machten mir Angst.

      Dala stolperte und ich fing sie auf. „Bitte, Rob, später...", keuchte sie. „Ich verspreche dir, ich erkläre dir alles später.“ Sie war schon wieder schrecklich blass.

      „Okay", sagte ich besorgt und ließ sie in Ruhe. Das Gehen alleine schien ihr bereits alles abzuverlangen. Es war mir beinahe unerträglich, sie so zu sehen. Ich fühlte mich verantwortlich und ich konnte nichts tun, als sie zu stützen. Ich selbst war körperlich erstaunlich in Ordnung. Mein Geist hingegen war das reinste Chaos... Alle paar Sekunden sah ich mich um und die Schreie der Seevögel ließen mich zusammenzucken. Immer wieder glaubte ich, Saat auf uns zustürzen zu sehen.

      Auf halbem Weg zur Straße mussten wir Rast machen und Dala trank wieder ein paar Schlucke.

      Ich fand unter all den Fragen doch eine, die nicht warten konnte. „Dala, wie bist du nach Kvaløya gekommen?“

      „Mit dem Taxi“, sagte sie.

      „Und... wartet dieses Taxi am Ende der Straße auf dich?“

      „Nein.“

      „Wie kommen wir dann von hier fort?“

      Lange würden ihre Kräfte nicht mehr reichen. Ich wollte nicht einmal