Aline S. Sieber

Dryade


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ob er noch Gefühle entwickeln konnte, die nichts mit Schmerz und Leid zu tun hatten. Sein Inneres fühlte sich vollkommen leer an, ein Hohlraum, den nichts mehr zu füllen vermochte.

      Die Erinnerung an die glücklichen Tage mit seiner Familie war nur noch eine ferne Erinnerung. Er hatte das Gefühl, täglich ein bisschen mehr zu sterben. Die Glücksgefühle, an denen er zehrte, waren an Szenen wie das Spielen mit seinen Schwestern gekoppelt. Er fühlte sich allein schon dadurch dreckig, dass er sie irgendwie auf diese Weise mit hierher brachte, hatte er doch das Gefühl, sie schon allein dadurch zu entweihen. Er war zu schmutzig, um sich überhaupt an sie erinnern zu dürfen.

      Er hatte sich also einigermaßen glücklich geschätzt - bis er gemeinsam mit seinen Leidensgenossen in die Fabrikhalle gebracht wurde, in der die Orgie stattfinden sollte.

      Die Wände wurden von Ketten verziert, in denen Gerippe hingen. Manchen von ihnen sahen nicht einmal menschlich aus. Auf dem Boden klebten Flecken getrockneten Blutes, das gerade von niederen Dienern der vampirischen Mafia beseitigt wurde. Vor dem Fest waren die Gefangenen also vor den Blutsaugern sicher – aber währenddessen standen sie zum Töten bereit. Ein kleines, verhutzeltes Männchen kam direkt vor ihnen vorbei, einen Eimer voller Schädel vor sich her tragend. In der anderen Hand hielt es einen zweiten Eimer mit ebenso vielen Kerzenstummeln. Offensichtlich sollte das Ganze als Dekoration dienen.

      Nico zuckte zurück, als der Vampir an der Kette riss, an der sie aneinander gefesselt waren. Er stolperte vorwärts, darauf bedacht, nicht zu stürzen. Die Vampire rissen jeden in Stücke, der Schwäche zeigte. Ein Stück hinter ihm konnte sich ein Mädchen nicht auf den Beinen halten. Sie stürzte zu Boden. Ganz plötzlich wurde es totenstill in der Halle. Alle Anwesenden erstarrten. In den Augen der Vampire glitzerte es mordlustig, während Köpfe im Zeitlupentempo gedreht wurden. Dann, ebenso plötzlich, gab es kein Halten mehr. Ein Kreischen wurde laut, das animalischer nicht hätte sein können. Nico blieb still stehen, auch, als das Mädchen anfing, zu schreien. Ihre Hilferufe wurden immer schriller, bis sie schließlich immer noch ungehört verstummten.

      Die Stimmung wurde drückender, je näher die Eröffnung der Feierlichkeiten rückte. Er konnte kaum noch atmen, so schwer erschien ihm die Luft. Nico versuchte, sich einzureden, dass das nur an den Ketten lag, die ihn straff an die Wand fesselten, doch er wusste es besser. In dieser Lage fühlte er sich mehr denn je den Vampiren ausgeliefert. Auf Gedeih und Verderb. Als die Glocke geschlagen wurde, die den Beginn des Ganzen kennzeichnete, hätte er beinahe vor Angst die Augen geschlossen. Doch während seine Lider sich schon senkten, besann er sich und riss sie wieder auf. Er durfte auf keinen Fall Schwäche zeigen. Nicht vor den Vampiren, die nur darauf warteten, über ihn herzufallen und ihn ebenso in Stücke zu reißen wie das Mädchen von vorhin. Als er sich umsah, registrierte er erleichtert, dass keiner der Blutsauger ihn gerade beobachtet hatte. Dann löste sich einer aus der Masse der Hereinströmenden und kam direkt auf ihn zu. Er grinste bösartig und Nico erkannte denjenigen, der ihn überhaupt erst gefangen genommen hatte. Offensichtlich wollte der Vampir die Früchte seiner Arbeit auskosten. Ausgiebig.

      „Können wir uns den Dryaden für einen kleinen Obolus eine Weile ausleihen?“

      Das Oberhaupt der Vampir-Mafia lenkte seine Aufmerksamkeit auf das Pärchen vor ihm. Violet und ihr dichterischer Freund. Sadismus in seiner reinsten Form. Oh, es würde ihm Spaß machen, zu sehen, wie der Dryade gebrochen zu ihm zurück kriechen würde, um Gnade winselnd… aber zuerst würde er ein wenig mit ihnen spielen.

      „Warum sollte ich das erlauben? Gibt es da einen besonderen Grund?“ Er zog eine Augenbraue hoch, um noch durchtriebener zu wirken. Was ihm durchaus gelang, wie er an ihren Blicken erkannte. Der Dichter gab ihm die Antwort: „Wir kennen uns nun schon ein ganzes Jahrhundert lang und sind beinahe genauso lange schon in deinen Diensten. Da dachte wir, heute wäre eine gute Gelegenheit, das ein wenig zu feiern.“

      Was ihm allerdings zusagte. Aber er war noch nicht bereit, sein Katz-und-Maus-Spiel zu beenden.

      „Lasst mich nachdenken. Wie viel wärt ihr bereit, dafür zu zahlen?“

      Sie übernahm das Wort. „Zweitausend Dollar.“

      Er überlegte kurz. „Verdoppelt das, und er gehört für zwei Stunden ganz euch. Schließlich arbeitet ihr ja für mich. Aber ihr müsst ihn am Leben lassen.“ Der Blick, den der Dichter seiner Freundin zuwarf, bestätigte ihn in seiner Meinung. Die beiden hatten mit einer weitaus höheren Summe gerechnet. Vielleicht hätte er mehr verlangen sollen? Aber jetzt war es zu spät. Ein Handel war, einmal ausgesprochen, nicht umkehrbar.

      Nico konnte den Kopf kaum noch heben, so viel Gift pulsierte durch die zahlreichen Bisse in seinem Blut. Dadurch erblickte er das Vampirpärchen erst, als sie knapp vor ihm standen. Die Frau hob einen Schlüssel und öffnete damit seine Ketten. Dann hob ihn der Mann herunter und legte ihn sich über die Schulter. Die Menge teilte sich vor ihnen, als sie ihn weg trugen. Das Zimmer, auf das sie zusteuerten, stand den Gästen Zeit ihrer Anwesenheit zur Verfügung. Ihm wurde mulmig. Als die Vampirin dann seine schwachen Barrieren durchbrach, um in seinen Kopf einzudringen, fühlte er nichts mehr. Sie übernahm die Kontrolle.

      „Da ist verdammt viel Gift in seinem Körper. Was erklärt, warum er sich nicht bewegt."

      Ihr Begleiter nickte und setzte Nico ab. „Das sollten wir mindern. Sonst haben wir nicht halb so viel Spaß"

      Violet durchforstete seinen Körper, wühlte erbarmungslos Erinnerungen auf, die er hatte vergessen wollen. Dann brachte sie ihn dazu, mehr Adrenalin auszuschütten, um die Wirkung des Giftes einzudämmen, das der Dryade nicht verarbeiten konnte. Da er bereits nackt war, bereitete ihr das weitere Vorgehen keinerlei Schwierigkeiten. Sie wandte sich an Philippe.

      „Lass ihn uns zerstören, ja? Tu es für mich,“ setzte sie augenklimpernd hinzu. Philippe lächelte und trat hinter den Jungen, den sie hatte hinknien lassen. Mentaler und physischer Zwang waren nur zwei ihrer zahlreichen Talente. Sie genoss es, sie alle zur Befriedigung ihrer pervertierten Bedürfnisse auszuschöpfen…

      Violet zog die Augenbrauen hoch, als sie das magische Potential des Dryaden entdeckte. Er war noch zu jung, um es nutzen zu können, soviel wusste sie bereits. Achselzuckend entkleidete sie sich und ihr Partner tat es ihr gleich. Er würde sich nicht wehren, keine Chance. Bei den Unmengen an Vampirgift, die sich in seinem Blut befanden, war es ohnehin wahrscheinlicher, dass er ihnen unter den Händen wegstarb. Kein Wunder, dass sein Preis so niedrig gewesen war. Dieser betrügerische Mafiosi musste gewusst haben, wie es um ihn stand.

      Das machte sie nur noch wütender. Mehr Wut, die sie irgendwo auslassen musste…

      Sie brachte ihn dazu, zu kommen, während Philippe ihn von hinten nahm. Als sie genug davon hatten, legten sie ihn auf den Boden, während sie ihr heißes Geschlecht an seinen Mund presste und ihn dann anwies, zu arbeiten. Es war umso befriedigender, dass sein Verstand noch vollkommen intakt war. Er war vollständig bei Bewusstsein, und er hasste sich selbst dafür.

      Nachdem sie genug davon hatten, ihn sexuell zu erniedrigen, begannen sie, ihn zu foltern.

      Die Knochen des Dryaden waren weitaus instabiler als die ihren. Es kam ihr vor, als würde sie Zahnstocher entzwei brechen. Sie tranken immer wieder von seinem Blut und ergötzten sich an den Schmerzen, die sie ihm zufügten. Die Kette, die ihn als Sklaven auswies, war ihnen dabei nützlich wie kaum etwas anderes. Sie hinderte ihn daran, vor Schmerz das Bewusstsein zu verlieren, bis der Zwang beinahe übermächtig wurde. Dann zwang sie ihn, aufzustehen und seine gebrochenen Knochen zu belasten. Plötzlich war es ihr unmöglich, den Dryaden zu erreichen. Seine Beine gaben unter ihm nach und er fiel zu Boden. Auch, als sie nach seinem Bewusstsein forschte, war da nichts mehr.

      Nico sah durch seine halbgeschlossenen Augenlider, wie die Vampirin näher kam und ihren Mund an seinen Hals presste. Ihr Gefährte bearbeite mit der einen Hand das Geschlecht des Jungen so hart, dass es wehtat, während auch er die Zähne in das blutige Fleisch schlug. Der Dryade war nicht mehr fähig, sich zu rühren, so viel Gift pulste bereits durch seine Adern. Ein ersticktes Stöhnen kam aus seinem Mund.

      Die winzige Bewusstseinslücke, die seine instinktive Reaktion ausgelöst hatte, gab der Vampirin wieder Zugang zu seinem Bewusstsein. Jedes