Anita Jurow-Janßen

Toxicus


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frage Gilda.

      „Ja, aber er schaut sich immer noch um, so als ob er jemanden sucht. Jetzt … jetzt geht er auf einen Tisch zu. Dort sitzen schon zwei. Er setzt sich hin. Gott sei Dank!“

      Sebastian hatte Sanne den Rücken zugekehrt, sodass sie ihn unbemerkt beobachten konnte. Er war kräftiger geworden, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Die blonden Haare, die früher immer locker um seinen Kopf herumwirbelten, waren zu einem modernen Kurzhaarschnitt gestutzt worden. Zur Jeans trug er eine dunkelblaue Kapuzenjacke mit hellgrauem Futter. Er sah richtig gut aus, stellte sie fest.

      Gilda wagte einen Blick rückwärts zu dem Tisch, den Sanne ihr beschrieb.

      „Siehst du die drei dort? Wenn du dich umdrehst, an der Fensterseite, links von dir.“

      „Meinst du den großen blonden, der gerade die Jacke auszieht?“

      „Genau. Das ist Sebastian.“

      „Scheint ziemlich gut auszusehen“, bemerkte Gilda.

      „Na ja, geht so.“

      „Hat der blaue Augen?“

      „Wieso? Keine Ahnung. … Ich glaub wohl.“

      Gilda machte sich weiter über ihre Spaghetti her.

      Sanne hatte keinen Hunger mehr. Sie schob den Teller beiseite und starrte auf die Dreiergruppe.

      „Nicht so auffällig!“, warnte Gilda.

      Es war zu spät. Der eine junge Mann, der Sebastian gegenübersaß, sah ihr mitten ins Gesicht.

      „So ’n Mist“, stammelte Sanne.

      „Was ist?“

      „Ich glaub, der eine ist auf mich aufmerksam geworden.“

      „Kein Wunder, so wie du dort hinstarrst.“

      Sanne wandte schnell den Blick von dem Fremden ab. Aber wie sollte es jetzt weitergehen? Als sie den Blick wieder vorsichtig zu den Dreien schweifen ließ, sah Sebastian ihr direkt in die Augen. Er hatte sich zu ihr umgedreht. Wahrscheinlich hatte sein Gegenüber ihn auf sie aufmerksam gemacht. Wie peinlich! Aber vielleicht auch gut. Sebastian sah sie abschätzend an. Erkannte er sie vielleicht doch? Da drehte er sich aber schon wieder um. Jetzt tuschelten die drei miteinander. Die beiden, die Sebastian gegenübersaßen, grinsten unverschämt.

      Sanne fasste allen Mut zusammen und stand auf. Zielstrebig ging sie auf den Dreiertisch zu.

      Gilda blieben die Spaghetti beinahe im Hals stecken. „Was hast du vor?“, fragte sie noch leise. Aber Sanne stand schon neben den Männern und Gilda konnte hören, wie sie sagte: „Hallo Basti! Wie schön dich hier zu treffen! Ich wollte dich schon längst anrufen. Wegen Birgit. Du weißt doch. Hast du vielleicht einen Moment Zeit, damit wir uns unterhalten können? Natürlich nachdem du gegessen hast“, ergänzte sie noch schnell. Sie wollte nicht schon wieder unhöflich zu ihm sein.

      Sebastian sah sie prüfend an.

      „Susanne? Das kann doch nicht sein. Hast du dich verändert!“ Großes Staunen war in seinen Worten zu hören.

      „Ja. Es ist viel Zeit vergangen inzwischen“, sagte sie. „Hast du deine Prüfung schon gemacht?“

      „Ja, hab ich. Und sogar bestanden.“ Er grinste zufrieden.

      Die beiden Männer, die Basti gegenübersaßen, sahen mit neugierigen Blicken zwischen den beiden hin und her. Aber weder Sanne noch Sebastian hielten es für nötig, sie aufzuklären.

      „Ich warte bei meiner Freundin, bis du so weit bist“, sagte Sanne, dann ging sie wieder zu Gilda und ihren kalten Spaghetti zurück.

      „Was ist?“, fragte Gilda aufgeregt. „Kommt er?“

      „Keine Ahnung. Ich bestell mir noch einen Kaffee.“

      Gilda hatte inzwischen aufgegessen. „Soll ich bleiben oder gehen?“, fragte sie mit großen Augen.

      „Weiß nicht so recht. Falls er kommt, ist es vielleicht besser, du verschwindest unter einem Vorwand. Er soll ja Geheimnisse seiner Arbeit ausspucken. Das tut er sicher nicht, wenn jemand dabei ist.“

      „Machen wir so“, sagte Gilda. „Ich verschwinde.“ Ihre Augen sprühten vor Neugierde. „Du kannst mir ja nachher alles erzählen.“

      Sanne musste lachen. „Du bist ja noch schlimmer als ich“, sagte sie.

      Nachdem Basti sie eine ganze Zeit lang bewundernd angestarrt hatte, sodass es ihr schon peinlich wurde, konnte Sanne ihn endlich zu einigen Aussagen überreden.

      „Du siehst einfach super aus“, sagte er, als er an ihren Tisch gekommen war. Gilda hatte sich, wie versprochen, davongemacht.

      „Ich hätte dich fast nicht wiedererkannt. Alle Achtung! Wie hast du das geschafft?“

      „Nun, das ist eine lange Geschichte. Aber darüber können wir ein anderes Mal reden“, vertröstete Sanne ihn. „Erzähl doch erst mal, was mit der Toten aus der Zeitung war. Ist sie wirklich vergiftet worden, so wie es in der Bildzeitung stand? Kann man eventuell Parallelen zu Birgits Verschwinden finden? Was hat man inzwischen ermittelt? Wie hieß sie überhaupt? Hast du sie gekannt? Sie muss doch in unserem Alter gewesen sein.“

      „So viele Fragen auf einmal“, lachte er. „Du weißt doch, dass ich eigentlich gar nicht darüber reden darf.“

      „Bitte … es bleibt auch unter uns.“

      Basti sah sie eine Weile zögernd an, bevor er antwortete. „Sie hieß Manuela.“

      „Und … weiter?“

      Er stöhnte leise. „Na gut. Ich verrat es dir. Wegen Birgit. Aber behalt es für dich. Ich komme sonst in Teufels Küche.“

      „Du kannst dich darauf verlassen.“

      „Also gut. Sie hieß Manuela Johanson. Sie war zwei Jahre jünger als wir. Sie hat in Hude gewohnt und lebte erst seit Kurzem im Oldenburg.“

      Sanne schrieb es ihrem veränderten Aussehen zu, dass Basti plötzlich so gesprächig wurde. Wahrscheinlich war er so platt darüber, dass er in Gedanken mehr bei ihrer Veränderung als bei der Toten war. Sie nutzte die Gelegenheit und fragte immer weiter und weiter. Aber letztendlich blieben nicht sehr viele Erkenntnisse, die zu Birgit führten.

      „Diese Manuela ist tatsächlich vergiftet worden“, gab Basti zu. „Es war Schlangengift. Möglicherweise von einer Viper. Da kein Biss erkennbar war, nehmen wir an, dass ihr das Gift mit einer Spritze verabreicht wurde. Sie hatte aber so viele Stiche am Körper, dass wir stutzig wurden. Sie war ein Junkie. Sie hatte auch noch einiges an Heroin intus. Von einem Mörder keine Spur. Weder das Gift konnte man genau zuordnen, noch eine Schlange finden, von der das Gift stammen könnte.“

      „Wo wurde sie denn überhaupt gefunden?“, unterbrach Sanne ihn.

      „In der Nähe des Bahndamms am Schützenweg.“

      „Hat man dort nach einer Schlange gesucht?“

      „Na klar. Aber ergebnislos.“

      „Hm … und … ist sie dort gestorben oder dort hingebracht worden?“

      „Da man keine Autospuren oder andere Merkmale zuordnen konnte, nehmen wir an, dass sie das Gift in einer Wohnung bekommen hat. Vielleicht ist sie sogar noch selbst nach draußen gelaufen, weil ihr schlecht wurde. Das Gift wirkt nicht immer sofort tödlich. Es kommt darauf an, ob es direkt in der Blutbahn landet oder nicht.“

      „Und … konnte man feststellen, ob es so war?“

      „Nein, war es wohl nicht. Sie hat wahrscheinlich noch eine Weile gelebt und ist dann draußen herumgeirrt. So richtig wird man das wohl nie herausbekommen. Zeugen haben sich leider nicht gemeldet. Wir tappen immer noch im Dunkeln.“

      „Und hat sie bei ihren Eltern gewohnt oder allein?“

      „Allein.