Anita Jurow-Janßen

Toxicus


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Mamba bewegte sich auf ihr Terrarium zu. Wütend griff er mit der Stange zu, an deren Ende sich eine Zange befand. Er sperrte sie in ihren Käfig und ging erschüttert zu Birgit zurück. Sie rührte sich nicht mehr. Selbst das Zucken hatte aufgehört. Er nahm Anabelle, die ihren Kopf aufgerichtet hatte und Birgit ansah, als ob sie Totenwache hielt, und brachte sie in ihr Terrarium zurück. Hätte ich den Notdienst rufen sollen? Soll ich noch? Ronny lief wie ein aufgescheuchter Hahn hin und her. „Was bringt das denn?“, schrie er. „Sie ist tot, tot, tot.“

      Er brach zusammen und weinte wie ein kleines Kind, aber niemand war da, um ihn zu trösten oder ihm zu sagen, was jetzt zu tun sei. Er hockte sich neben Birgit auf den Boden und betrachtete sie. Er schloss ihre Augen und ihren Mund, der weit offen stand und stumm um Hilfe rief.

      Mittlerweile war es draußen stockdunkel. Ronny ging vor die Tür und sah sich um. Niemand war zu sehen. Die Stille war ihm unheimlich und er zitterte vor Angst und Ohnmacht. Er schnupperte. Es roch nach Rauch. Ein Feuer war jedoch nicht zu entdecken. Plötzlich wusste er, was zu tun war. Er würde Birgit verbrennen. Niemand wusste, wo er war. Niemand wusste, wo Birgit war, und niemand wusste, dass er Schlangen besaß. Er fühlte sich auf der sicheren Seite. Nur ein paar Häuser weiter befand sich eine stillgelegte Ziegelei. Ein Glücksfall, wie er sofort dachte. Er holte eine Taschenlampe aus seiner Baracke und machte sich auf den Weg. Er sah sich um. Es war totenstill. Der Mond war nur eine schmale Sichel, weder Sterne noch Straßenlaternen störten die Dunkelheit. Die Einfahrt zur Ziegelei wurde nicht durch ein Tor gesichert. Er hatte freien Zugang. Eine Eule flog über ihn hinweg. Schon häufiger hatte er in der Nähe der Ziegelei welche beobachten können. Jetzt war es zu dunkel, um ihren Flug verfolgen zu können. Die spärlichen Bäume an der rechten Seite der Ziegelei rauschten leise. Es war, als ob alle darauf bedacht waren, keinen Lärm zu machen. Sogar die Tür der Ziegelei ließ sich nahezu geräuschlos öffnen. „Lieber Gott, ich danke dir, dass du ein Einsehen hast“, betete Ronny, obwohl er nicht besonders gläubig war. Er durchleuchtete den Raum und sah sich nach einem Ofen um. Womit sollte er aber Feuer machen? Brennbares Material war nirgends aufzufinden. Würde Benzin gehen? Eine andere Lösung fiel ihm nicht ein. Am besten wäre es wohl, er würde Birgit schon einmal hierherbringen. Der riesige Ofen, der inmitten einer großen Halle stand, wäre in gutes Versteck, aber womöglich nur für kurze Zeit.

      Verbrennen ist sicherer, ging ihm durch den Kopf. Aber, wie sollte er sie hierherschaffen? Sein Kopf brummte vor Anspannung. So leise wie möglich verließ er die Ziegelei und sah sich die umliegenden Häuser an. Nur vereinzelt brannten Lichter in den heruntergekommenen Wohnblöcken. Nach wie vor herrschte eine unheimliche Totenstille. Die Taschenlampe hatte er ausgemacht, um nicht entdeckt zu werden.

      Auf dem Hof der Ziegelei stolperte er über etwas. Es schepperte so laut, dass er zusammenzuckte und den Atem anhielt. Nichts rührte sich. Er war gegen eine Schubkarre aus Aluminium gelaufen. Der Schall hallte noch eine Weile nach. Ronny ertastete, ob sich in der Karre etwas befand. Er fühlte ein paar Steine, die er hinauswarf. Danach schob er die Karre zu seiner Behausung.

      Birgit lag friedlich auf seinem Sofa. Eine kleine Stehlampe beleuchtete spärlich ihren Körper. Er küsste sie auf den Mund, bevor er sie hochhob. Sie war federleicht, und er war ein kräftiger Bursche. Als er sie auf dem Arm hatte, spürte er ihre Knochen. Er liebte dünne Frauen und hatte in seiner Fantasie schon oft seine Hände über Birgits spitze Knochen gleiten lassen. Eine sanfte Erregung zog durch seinen Körper. Er legte sie wieder aufs Sofa zurück und zog seine Hose herunter. Er küsste ihren Oberkörper und ihre kleinen festen Brüste. Seine Zunge umspielte ihre Brustwarzen. Das erregte ihn so, dass er ihr die Hose auszog und in die Ecke schleuderte. Sie trug einen winzigen Slip mit bunten Blumen drauf, den er genussvoll über ihre Beine gleiten ließ, während er ihre Schamhaare betrachtete. Jetzt legte er seinen Kopf auf ihren Bauch und verweilte dort einen kleinen Augenblick. Was für ein entzückender Hügel, der sich unterhalb ihres flachen Bauches wölbte. Er stand auf und drückte ihre Schenkel auseinander, konnte sich jetzt nicht mehr beherrschen. Sein Schwanz war so hart wie noch nie. Er drang in sie ein und kam sofort. Ein gleichsam lustvoller wie schmerzhafter Schrei kam aus seiner Kehle, bevor er in sich zusammensackte.

      3. Kapitel

      Ronny hatte sich immer noch nicht so recht in Hameln eingelebt, obwohl der Umzug von Oldenburg nun schon einige Jahre zurücklag. Seine Eltern, Burkhard und Annemarie Feller, hatten überraschenderweise den Elektrobetrieb seines Onkels Georg geerbt. Dieser war plötzlich verstorben und hatte keine Kinder. Georgs Frau Luise Feller, eine untersetzte Frau mit dauergewellter Omafrisur wohnte jetzt in der Oberwohnung des Hauses, das zum Elektrobetrieb gehörte. Sie hatte lebenslanges Wohnrecht. Ronnys Familie zog in die Wohnung im Erdgeschoss ein. Ronny fühlte sich beengt. Er war zu lange auf sich allein gestellt gewesen, und jetzt hatte er plötzlich nicht nur seine Eltern, sondern auch noch seine Tante Luise am Hals. Und die nervte besonders. Er sehnte sich nach seinen Schlangen. Er vermisste sie so sehr. Vor allem suchte er ein gutes Versteck, auch für sich selbst, damit er sich dorthin zurückziehen könnte. Aber eine Lösung war weit und breit nicht zu erkennen. Das frustrierte ihn von Tag zu Tag mehr. In der Eile der Ereignisse hatte er vor dem Umzug etwas überstürzt, wie er jetzt fand, Lukas seine Lieblinge überlassen. Besonders Anabelle vermisste er, weil das Onanieren ohne sie überhaupt keinen Spaß machte. Ronny wollte wieder nach Oldenburg zurück. Er hatte seine Lehre als Einzelhandelskaufmann in Hameln geschmissen und seinen Eltern weisgemacht, dass er nun doch Elektriker werden wollte. Er behauptete, in Oldenburg ein Vorstellungsgespräch dafür zu haben. Seine Eltern waren nicht begeistert, dass er zurückwollte. Aber sie waren hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt und die Spannungen, die durch das Zusammenleben mit Ronnys Tante Luise ständig präsent waren, machten ihnen das Leben schwer genug. So gaben sie nach und steckten Ronny sogar das Geld für die Fahrt zu. Immerhin bestand jetzt eine kleine Chance, dass er eines Tages ihren Betrieb übernehmen würde.

      Ronny hatte Sehnsucht nach Anabelle und keineswegs ein Vorstellungsgespräch. Als er in Oldenburg ankam, machte er sich schnurstracks auf den Weg zu seinem ehemaligen Schlangendomizil. Lukas hatte er nicht informiert. Er wollte sich erst einmal einen vergnügten Nachmittag mit Anabelle machen, und dann würde man weitersehen.

      Schon als er auf die Baracke zulief, sah er die Veränderung. Der Hof war aufgeräumt, die Tür repariert. Als er näher kam, bemerkte er, dass sogar die Fenster geputzt waren. Du meine Güte, was ist das denn für ein Pedant! Vor der Tür hing jetzt ein großes Vorhängeschloss.

      „So ’n Mist!“, fluchte er. Es fiel ihm ein Zugang auf der Rückseite der Baracke ein. Dort hatte er seinerzeit ein Fenster nur provisorisch mit Brettern zugenagelt, damit keine der Schlangen aus Versehen entschlüpfen konnte. Die übrigen Fenster der Baracke waren alle mit Glas versehen, nur dieses eine nicht. Voller Hoffnung ging er um die Baracke herum, nachdem er sich vergewissert hatte, dass ihn keiner beobachtete. Die Luft war rein. Von der rückwärtigen Seite der Baracke aus konnte er die Ziegelei sehen, deren Schornstein weit über die übrigen Gebäude hinausragte. Er spürte sein Herz klopfen, weil die Erinnerung an Birgits Tod ihn einholte.Da gehe ich nachher auch noch hin, nahm er sich vor. Aber erst mal Anabelle. Das rückwärtige Fenster war verglast worden. Neugierig spähte er hindurch. Ein Fliegengitter verdunkelte den Einblick, aber er konnte mehrere Terrarien erkennen. Lukas ist ja ganz schön fleißig gewesen. Hoffentlich ist Anabelle noch da. Wie komme ich bloß ins Haus ? Mürrisch ging er um die Baracke herum. Es war alles verriegelt und verrammelt. Ihm war zum Heulen zumute. Es würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als Lukas anzurufen und sich mit ihm zu verabreden. Immerhin hatte er ihm seine vier Schlangen überlassen, da konnte er ihn schlecht abweisen. Er zog sein Smartphone aus der Tasche und drückte die gespeicherte Nummer. Es dauerte nur einen Moment und Lukas war am Apparat. „Hi, Lukas, Überraschung! Ich bin in Oldenburg und würde gern meine Schlangen besuchen. Was sagst du? Hast du eventuell Zeit für mich?“

      „Oh, hallo Ronny. Wie kommt’s? Hast du Urlaub?“

      „Lange Geschichte. Erzähle ich dir später. Ich dachte, ich könnte vielleicht in der Baracke übernachten. Ist mein altes Sofa noch da?“

      „Du wirst staunen, was ich inzwischen alles gemacht habe. Ich habe jetzt zwölf Schlangen. Aber ich verrate noch nicht so viel. Du wirst es selbst sehen. Ich freue