Viktoria Horstbrink

Melodie


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folgt ihr, setzt sich an den Küchentresen und beobachtet wie seine Mutter die Lebensmittel verstaut. „Erwartet ihr die ganze Nachbarschaft zum Essen, oder wieso stehen hier zehn große Einkaufstüten?“, fragt er in einem neckischen Ton.

      „Ach Unsinn, das ist doch nur das Nötigste, das weißt du doch“, erwidert sie lächelnd. „Hast du Hunger? Soll ich uns etwas Schönes zum Abendessen kochen? Was willst du essen?“

      Ach ja, manche Dinge ändern sich einfach nie. Das ist auch gut so, denkt sich Jonathan, der die Einladung gerne annimmt.

      Um 10.00 Uhr früh am nächsten morgen klingelt Jonathans Wecker. Mit geschlossenen Augen versucht er den schrillen Ton auszuschalten. Nach drei Schlägen ins Leere, gelingt ihm das endlich. Er dreht sich auf den Rücken und öffnet die Augen. Beaner, der im Körbchen neben seinem Bett liegt, wedelt mit seinem Schwanz. Da es ihm aber zu lange dauert, bis Jonathan aufsteht, fängt er an zu bellen. „Beruhig dich alter Freund. Ich komm ja schon.“ Mühsam schält er sich aus dem Bett und geht direkt ins Bad. Mit Jogginghose und T-Shirt bekleidet kommt er zurück ins Schlafzimmer, zieht seine Turnschuhe an und geht mit dem aufgeregten, durch die Gegend springenden, Beaner raus auf die Straße.

      Nachdem sie eine Runde um den Block gelaufen sind, kommt er zurück, geht in die Küche und füllt sich eine Schüssel mit Müsli und Milch. Immer noch müde, setzt er sich auf den Barhocker an seinem Küchentresen und schaltet den Fernseher, der in seiner Kühlschranktür integriert ist, ein.

      Anderthalb Stunden später trifft er geduscht und umgezogen im Tonstudio ein. Seine sechs Bandmitglieder sind bereits dort und warten auf ihn. „Hey Jon, was ist los?“, fragt Spiro, sein Schlagzeuger, und klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Du bist doch immer als erstes hier und übst schon bevor wir kommen.“

      „Tja, ich bin halt auch mal für eine Überraschung gut“, flachst Jonathan zurück.

      Sie üben den Song für den Fernsehauftritt am 4. Juli. Jonathans Baritonstimme ragt durch seine Klarheit und Kraft über die Töne der Instrumente, wie zum Beispiel Trompete, Violine oder Cello hinaus.

      Die Probe verläuft reibungslos. Zu reibungslos findet Spiro, der nicht nur als Schlagzeuger in der Band spielt, sondern auch über die Jahre ein guter Freund von Jonathan geworden ist. Spiro und die anderen sind es von Jonathan gewöhnt hier und da noch mal etwas anderes auszuprobieren. Oder den einen oder anderen Part noch mal zu wiederholen, weil er für Jonathans Perfektionismus noch nicht gut genug ist. Doch dieses Mal wurde das Lied nur wiederholt, weil einer der Musiker den Einsatz verpasst, oder die Note nicht getroffen hat. „Hey Buddy“, spricht Spiro Jonathan nach der Probe an, während die anderen ihre Sachen zusammen packen, „alles ok bei dir?“

      „Ja, natürlich“, antwortet Jonathan knapp.

      Spiro betrachtet seinen Freund mit sorgenvollen Blicken. „Ich habe heute nichts mehr vor und da die Probe so frühzeitig beendet ist, könnten wir doch eine Runde Tennis spielen. Was meinst du?“

      „Klar, warum nicht.“

      „Gut, ich hole dich dann in einer Stunde ab.“

      Als Spiro im weißen Tennisoutfit, das im starken Kontrast zu seinem dunklen Typ steht, durch die offene Wohnungstür von Jonathan kommt, traut er seinen Augen nicht. Im Eingangsbereich liegen mehrere Paar Schuhe und Sportutensilien auf dem Marmorboden herum. In der Küche, wo Jonathan gerade den Napf mit Hundefutter füllt, stehen überall offene Lebensmittelpackungen verteilt. Leere Flaschen befinden sich auf dem Tresen, dreckiges Geschirr stapelt sich in der Spüle und der Mülleimer quillt über. Spiro blickt kurz ins Wohnzimmer, indem es ebenfalls unordentlich aussieht und schüttelt den Kopf. „Sag mal, kannst du dir kein Hausmädchen leisten? Man sollte meinen bei deinem Honorar wäre das möglich“, frotzelt er - ganz geschockt von diesem Zustand. Sonst kennt er Jonathan als äußerst penibel.

      „Ich bin nicht der Typ, der Fremde im Haus haben will.“

      „Aber auch nicht der Typ, der Ordnung halten will. Sag mal, hast du keine Angst vor ungewollten Mitbewohnern?“, er weiß überhaupt nicht, wohin er zu erst sehen soll, so fassungslos ist er. „Ich dachte immer bei mir sieht es chaotisch aus, aber das übertrifft es bei weitem!“

      Jonathan, der endlich damit fertig ist seinen Hund mit Wasser und Futter zu versorgen, schnappt sich seine Sporttasche und geht kommentarlos mit Spiro nach draußen.

      Auf dem Tennisplatz hat Spiro dieses Mal ein leichtes Spiel. Obwohl er, im Gegensatz zu Jonathan, erst seit ein paar Jahren Tennis spielt, gewinnt er 6:2, 6:3 und 6:1. So ein Ergebnis hat Spiro gegen Jonathan bisher noch nie erzielt. Mit schweißgetränkten Klamotten sitzen sie auf der Bank an der Seite des roten Sandplatzes und versuchen ihren Atem unter Kontrolle zu bekommen. Jonathan gelingt es schneller. Er trinkt aus seiner 2 Liter Plastikflasche stilles Wasser. Spiro, der immer noch schwer atmet, betrachtet Jonathan, der starr vor sich auf den Boden stiert. „Sag mal, was ist eigentlich mit dir los? Du hast Bälle nicht gekriegt, die du mir sonst um die Ohren schlägst. Manchmal bist du gar nicht erst los gerannt. Wo ist denn dein enormer Ehrgeiz geblieben? Irgendwas ist doch los? Erst dein komisches Verhalten im Studio, dann die Müllhalde in der du lebst und jetzt das“, fragend sieht er seinen Freund an.

      „Ich weiß auch nicht. Ich glaube im Moment stehe ich einfach neben mir“, gibt Jonathan zu. „Die Luft ist raus und ich finde keinen Weg, mich zu motivieren. Egal was, sei es die Musik, Sport oder die Wohnung, wie du unschwer gesehen hast.“

      „Du bist ja auch nicht Superman. Irgendwann gehen auch deine Kräfte zur Neige. Überleg dir mal, was du für ein Programm die letzten Monate durchgezogen hast. Ach was sag ich – die letzten Jahre! Das kann auf Dauer nicht so weiter gehen.“

      Jonathan hört Spiro zu, doch sein Blick ist immer noch zu Boden gerichtet und er antwortet nichts. Er weiß, dass er Recht hat. Er weiß nur nicht was er ändern soll oder kann. Es geht immerhin nicht nur um ihn. Seine Band, sein Manager, seine Fans. Die kann er doch nicht hängen lassen.

      Ahnend was in Jonathans Kopf vor geht, hakt er weiter nach: „Hast du, bis auf den 4. Juli, noch weitere Termine?“

      „Fest zugesagte Termine habe ich erst wieder im September. Allerdings warten noch einige auf eine Bestätigung.“

      „Und denen sagst du ab!“ bestimmt sein Freund. „Ich fliege Ende Juli zu meiner Familie nach Griechenland. Und du kommst mit.“

      Jonathan sieht ihn mit großen Augen an. Total begeistert von seiner Idee, spricht er euphorisch weiter: „Meine Familie will die ganze Zeit wissen, mit was für einem Kerl ich Musik mache. Da kann ich ihnen dieses Mysterium ja mal zeigen. Die wären ganz aus dem Häuschen. Und du würdest Griechenland lieben. Das Meer, das Essen, die griechische Mentalität, das würde dir gefallen. Und der Ouzo, die Frauen...“, Spiro gerät ins Schwärmen und ist gar nicht mehr zu bremsen.

      Jonathan überlegt und stammelt: „Ich weiß nicht.“

      „Was hindert dich denn daran? Frau und Kinder etwa?“, fragt er ironisch. „Deine Termine kannst du ruhig absagen. In ein paar Wochen wissen die Fans auch noch wer du bist. Keine Sorge.“

      Jonathan guckt in Spiros Augen und sieht wie aufrichtig er es meint. „Du hast Recht“, überzeugt er sich selbst. „Ein wenig Abstand würde mir gut tun. Vielleicht komme ich dort auf andere Gedanken.“

      „Buddy, du wirst zum Nachdenken überhaupt gar keine Zeit haben, so viel Spaß werden wir haben. Du wirst sehen.“

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