Elke Bulenda

Himmel, Arsch und Hölle!


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mag ich keinen schwarzen Tee, davon bekomme ich eine so pelzige Zunge, dass ich kaum der Versuchung widerstehen kann, sie mir zu rasieren. Als mich die Dame ernst ins Auge fasste, schwante mir sofort Böses.

      »So, nun erzählen Sie mir doch bitte, warum es ein Fehler war, einen Brief für Amanda in unseren Briefkasten zu werfen«, fragte sie mich aus.

      … Au Kacke, der Brief! Mir wurde sehr warm und meine Ohren schienen zu glühen ...

      »Als ich die Einladung für ein Essen einwarf, kam Amanda mit ihrem Freund zur Tür heraus. Nur, wenn sie meine Freundin wäre, hätte ich auch etwas dagegen, sie mit einem anderen Kerl essen gehen zu sehen. Deshalb wollte ich den Brief wieder an mich bringen. Hören Sie, ich will nicht das Glück anderer Leute zerstören. Wenn Amanda schon vergeben ist, dann muss ich das akzeptieren. Wahrscheinlich finden Sie es ohnehin geschmacklos, weil Amanda mit Ihrem Sohn verheiratet war, der jetzt nicht mehr unter uns weilt.« Warum hätte ich dieser Dame etwas vormachen sollen? Wer gut lügen will, muss ein verdammt gutes Gedächtnis haben. Doch daran haperte es bei mir neuerdings. Statt eine eisige Miene an den Tag zu legen, verzog es Annie die Mundwinkel bis zu den Ohren.

      »Oh, jetzt verstehe ich. Sie sind in Amanda verliebt? Nein, bestreiten Sie es nicht, ich sehe es Ihnen an der Nasenspitze an. Und nein, ich mache mich nicht über Sie lustig, aber ich muss lächeln, weil sie denken, der junge Mann, der das Haus verließ, sei Amandas Freund. Das ist doch Unsinn. Das ist mein jüngerer Sohn Ron. Früher war er bei der Royal Airforce, nun ist er Pilot bei einem großen medizinischen Unternehmen. Ich weiß nicht, ob Ihnen der Name Guni-Med etwas sagt?«, lächelte sie noch immer.

      Ich nickte, denn ich kannte nicht nur diese Firma, sondern auch deren Eigentümer. Es war mein Sohn Gungnir, der sich aber im Moment Rollo Gunnarson nannte, und in so ziemlich jedem Geschäft seine Finger hatte. Selbstverständlich ist er auch ein Vampir, einer von Zweien die ich einst wandelte. Guni-Med versorgte alle Vampire rund um den Globus mit Blut. Ganimed war einst der Mundschenk des Jupiter. Nun ist Guni-Med der Mundschenk der Vampire. Und endlich kapierte ich es. Annie sah es mir an und nahm mir quasi die Worte aus dem Mund.

      »Nicht wegen Amanda war er hier. Sobald Ron am nahegelegenen Flughafen einen Zwischenstopp einlegt, kommt er vorbei, um seine alte und gebrechliche Mutter zu besuchen«, zwinkerte sie mir zu. Diese ältere Dame gefiel mir immer besser. Sie schaffte es, sich ihre Jugendlichkeit auf unerklärliche Weise zu erhalten.

      »Oh, äh … Dann war er gar nicht Amandas Liebhaber, sondern Ihr Sohn, richtig?«, fragte ich vorsichtig. »Und Ihnen würde es nichts ausmachen, wenn ich Amanda zum Essen einladen würde? Auch richtig?«, fragte ich noch einmal nach und Annie nickte wieder. Kein Wunder, dass mir Amandas verstorbener Mann so bekannt vorkam. Ron sah ihm sehr ähnlich.

      … Gesichter konnte ich mir noch nie gut merken. Als ich damals für die Soldaten von Lord Seraphim zuständig war, waren die Menschen noch so klein, dass ich mir teilweise die einzelnen Leute nur anhand der Beulen in ihren Helmen merken konnte, die ich zuvor selbst dort hineingeschlagen hatte. Im Mittelalter waren 1.65 m bis 1.75 m für einen Mann schon eine enorme Körpergröße. Der Grund dafür dürfte wohl der Mangelernährung zuzusprechen sein. Damals gab es noch keine Fertigmenüs. In der Burg der Michaeler wurde auch nicht besonders gut gekocht. Manchmal war ich mir nicht einmal sicher, ob ich gerade in der Küche, oder in der Latrine stand ...

      »Ragnor, Sie scheinen ein feiner Kerl zu sein. Und Amanda hat in meinen Augen jetzt lange genug wie eine Nonne gelebt. Und glauben Sie mir, ich spreche aus Erfahrung: Trauer ist zwar sinnvoll, aber man kann nicht für ewig nur einen einzigen Menschen lieben, schon gar nicht, wenn er tot ist. Wenn Sie mir versprechen, ihr nicht weh zu tun, dann fände ich die Idee, sie beide zu verkuppeln wirklich annehmbar. Übrigens, ich war drei Mal verheiratet und erst der Letzte war der Richtige für mich. Wenn Sie mich fragen, wäre ich dafür, Ihnen den Brief nicht zurückzugeben, sondern ihn an Amanda weiterzureichen. Nur, ob sie die Einladung annimmt, kann ich Ihnen nicht garantieren«, meinte Annie. Schweigend nickte ich. Aber ich konnte ihr nicht wirklich in allen Punkten zustimmen. Ich war untot und bereit für ewig nur die eine zu lieben. Die ältere Frau drehte sich um. Genau wie ich, starrte sie auf die Küchenuhr, die eine lustige Kuh darstellte, die mit den Augen mal nach links und dann wieder nach rechts schielte.

      »Oh, ich muss mal nach Sascha sehen, es sind Ferien und sie darf etwas länger wach bleiben. Normalerweise könnte ich mit Ihnen wetten, dass sie gleich selbst herunterkommt und jammert, sie habe Durst ...«, grinste Annie und gut, dass ich nicht mit ihr gewettet habe. Oben öffnete sich die Tür und Sascha rief nach ihrer Nana.

      »Nana? Ich habe Durst, kann ich ein Glas Saft bekommen?«, dann spähte sie über das Treppengeländer und bekam große Augen. »Hä, Ragnor? Hey, das finde ich aber toll, du kommst uns besuchen!«

      Ein wilder Wirbelwind namens Sascha fegte die Treppe hinunter. Kurz blieb sie unschlüssig vor mir stehen, grinste mich schließlich an, und boxte mich in den Bizeps. Ich tat schwer verletzt.

      »Oh, autsch! Du bist verdammt stark! Hallo Sascha«, grinste ich zurück, weil ich mich wirklich freute sie zu sehen. So ein pfiffiges Mädchen.

      »Hey, cool! Du sitzt in unserer Küche«, kicherte sie und schob sich zu mir auf die Bank. Ihren Durst hatte sie inzwischen völlig vergessen. Sofort zog sie ihre Kette mit dem Bärenzahn aus ihrem Teddybären-Schlafanzug und zeigte sie mir. »Hab ich noch immer!«

      Als Retoure zog ich meinen Kettenanhänger aus dem Kragen und zeigte ihn ihr ebenfalls. Amanda überbrachte ihn mir damals als Geschenk. Sascha wollte es so. Wenn man das kleine Oval aufklappte, zeigte es gravierte Bilder von Sascha und Amanda. Obwohl Amanda betonte, ich solle mir nichts drauf einbilden, ein Foto von ihr zu haben. Sie wollte nur das Bild von Sascha nicht allein mit mir lassen. »Ha, ich auch!«, konterte ich und Sascha nickte zufrieden. Annie checkte sofort die Chemie zwischen dem Kind und mir aus, schien aber mit dem Ergebnis zufrieden. Es hätte ein überaus harmonischer Abend werden können, wenn nicht zufällig jemand aufgetaucht wäre. Mir wurde mulmig zumute, als ich das Türschloss hörte. Nichtsahnend betrat Amanda die Küche und verfiel beinahe in eine Schockstarre.

      »Was willst du denn hier?«, fragte sie mich überhaupt nicht erfreut.

      »Äh, ich wollte gerade gehen«, gab ich zurück. Denn in diesem Moment dürstete es mich, wirklich nichts lieber zu tun.

      Schnell verabschiedete ich mich von Annie und Sascha, Prince Charles seufzte, während Amanda mich unsanft zur Küchentür hinausschob. Kurz vor der Haustür bremste sie diese Aktion. Sie sah mächtig wütend aus.

      »Verdammt! Was erlaubst du dir, hier einfach in mein Haus zu kommen und dich wie ein Großmogul in meine Küche zu platzieren?«, zischte sie mich leise an, so dass die anderen von unserer Konversation nichts mitbekamen.

      »Amanda ... ich wollte gar nicht reinkommen! ... Aber Annie lud mich ein. Ich wollte nur den … Brief ... einwerfen und … ihn anschließend wieder herausholen!«, stammelte ich vor mich her.

      »So, so Annie, ja? Jetzt kollaboriert sie schon mit dir? Was für einen Brief?«, fragte sie erstaunt, öffnete den Briefkasten und entnahm das Schriftstück. Nun war ich einer Ohnmacht nahe. Noch nie, seit ich auf Erden wandelte, fühlte ich mich so hilflos.

      Amanda hingegen besah sich den Brief und ließ ihn in ihrer Handtasche verschwinden. - Oh, immer diese verfluchten Handtaschen!

      »Hm, gut, ich werde ihn lesen. Und nun geh!«, ermahnte sie mich leise.

      Sascha stand im Flur und grinste uns an.

      »Küsst ihr euch jetzt und habt anschließend Geschlechtsverkehr? Und kriege ich einen kleinen Bruder?«, fragte sie mit einer süßen Schnute.

      »Nein!«, fauchte Amanda. »Putz dir die Zähne und dann gehst du ins Bett! Aber zügig, Madame!«

      Sascha winkte mir noch zu und trottete nach oben.

      … Bei Odin! Diese neuzeitlichen Kinder! Was die nicht schon alles wissen! Ich kann mich gut erinnern, wie es meine Aufgabe war, meine herangewachsenen Söhne aufzuklären. Da ich nicht sonderlich gut im Referieren bin, schnappte ich mir meine Filii und ging mit ihnen ins Freudenhaus, um sie gleich