Elke Bulenda

Himmel, Arsch und Hölle!


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Fragend blickte ich ihn an und wusste überhaupt nicht, was plötzlich in den Kerl gefahren war.

      »Ragnor, wenn du direkt mit der Tür ins Haus fällst, ist es kein Wunder, wenn eine moderne Frau von heute, dir eine langt, oder von deinem Verhalten angeekelt ist. Hast du denn noch nie etwas von Frauenrechten gehört?«

      »Ach du meine Güte, zu der Zeit, als ich sie das erste Mal sah, wusste ich noch nicht einmal etwas von Menschenrechten! Doc, willst du mir nicht mal genau erklären, was das Ganze soll?«, wollte ich von ihm wissen.

      »Wenn du dich als Macho, oder in altväterlicher Weise einer modernen Frau näherst, dann versuchst du gezielt, sie auf ein unteres Niveau zu drängen. Doch das kommt nicht gut an, weil die Frau von heute gleichberechtigt behandelt werden will. Du hast sie erniedrigt und dich damit selbst zu einem Feindbild der Frau stilisiert. Dass sie dir abgeneigt ist, liegt daran, dass du sie in ihren Augen klein machen, zum Kindchen degradieren und dich damit über sie stellen wolltest. Hast du dich wenigstens bei A. entschuldigt?«, fragte mein Psychologe.

      »Ich mich entschuldigen? Nee, so was mache ich nicht! Schließlich habe ich auch meinen Stolz!«, wiegelte ich ab. In meinem Wortschatz waren die Worte: Danke, Bitte und Entschuldigung gar nicht existent. Obendrein bin ich ein Vampir und stehe sowieso über den Menschen. Erstaunt registrierte ich das verzweifelte Gesicht meines Psychologen.

      »Wenn du das so siehst, dann wird es nie etwas mit deiner Herzdame. Du solltest dich bei ihr entschuldigen, ansonsten wirst du bei ihr niemals landen können. Du denkst wahrscheinlich, du stehst wirklich über ihr und hast es nicht nötig. Aber heutzutage begegnen sich Mann und Frau als gleichwertig«, versuchte der Doc mir nochmals zu erklären.

      »Okay, mir ist jetzt klar, dass sich die Ränge in unserer Gesellschaft verändert haben. Früher war der Adel tonangebend. Diese Veränderung verstehe ich ja. Gut, und Frauen sind kein Freiwild und auch keine Haussklavinnen mehr, das leuchtet mir jetzt ebenfalls ein. Es ist schwer mit den Konventionen des Mittelalters zu brechen, aus dem ich nun mal stamme. Aber ich weiß ehrlich nicht, wie ich mich bei A. entschuldigen soll. In ihrer Gegenwart finde ich nie den richtigen Ton. Irgendetwas setzt bei mir im Kopf aus, mit dem Ergebnis, wieder Blödsinn oder Beleidigungen auszustoßen. Wofür ich mich hinterher abermals zutiefst verabscheue ...«, gab ich mich geschlagen. Gerne wäre ich Amanda gegenüber ein witziger, oder charmanter Galan. Nur entgleiste ich immer wieder verbal von Angesicht zu Angesicht. Schon mein Freund Cedric meinte, ich solle freundlicher zu Amanda sein, ihr zeigen, was für ein netter Kerl ich sei. Es war mit mir wirklich zum Verzweifeln. Dem Doc blieb mein Dilemma offenbar nicht verborgen. »Ragnor, wenn du nicht mündlich ausdrücken kannst, was du ihr gegenüber empfindest, dann schreibe ihr doch einfach einen Brief. Da bietet sich dir die Möglichkeit, alles genaustens zu überdenken und an deinen Worten zu feilen. Wenn du meinst, das Schreiben sei perfekt, dann lässt du es ihr zukommen.«

      Oh, wow! Der Doc ist ein wahrhaft weiser Mann! Nickend gab ich zu verstehen, dass ich es auf diese Art versuchen wollte. Darauf wünschte er mir viel Glück und entließ mich für heute aus seinen Fängen. Beschwingten Schrittes machte ich mich auf den Weg, um einen Brief abzufassen. Blieb nur zu hoffen, dass Amanda meine verdammte Sauklaue entziffern konnte …

      Glatte Worte und schmeichelnde Mienen vereinen sich selten mit einem anständigen Charakter.

      (Konfuzius)

      Da saß ich nun, und das leere Blatt schien mich regelrecht zu verhöhnen. Zum Glück besaß ich einen ausreichend großen Stapel Kopierpapier. Erst wenn ich diese verdammten Worte mit der richtigen Bedeutung gesetzt hatte, würde ich das feine florentinische Briefpapier benutzen. Alles andere wäre die reinste Verschwendung gewesen. Obwohl ich der Besitzer einer kardialen Nulllinie bin, erschien es mir, als würde mein Herz bis zum Hals klopfen.

       Meine hochverehrte, liebe Amanda,

       bevor du erzürnt diesen Brief wegwirfst, solltest du zuerst meine an dich gerichteten Worte lesen. Ich habe mich dir gegenüber nie besonders anständig benommen. Da mir in deiner Gegenwart die richtigen Worte fehlen, möchte ich auf diesem Wege dich gnädigst um Verzeihung bitten. Ich hoffe du kannst mir vergeben. Um das dir geschehene Unrecht wieder gutzumachen, wäre es eine Ehre für mich, dich zum Essen einzuladen. Wir können uns unverbindlich auf neutralem Terrain treffen, doch würde es mir eine unermessliche Freude sein, für dich etwas Schönes zu kochen.

       Hochachtungsvoll deine Antwort erwartend:

       Ritter Ragnor Attila Septimus invictus belliperitus emigrare barbarus nunc cornus

      »Ernestine, runter vom Schreibtisch! Geh ´ne Runde Staubsaugen!«, donnerte ich. Das fehlte mir gerade, auch noch von einem Socken-Monster kontrolliert zu werden!

      Ja, so musste es gehen.

      ...Und nun kennt ihr neugierigen Nasen auch meinen Zweit- und Drittnamen. Ja, den dämlichen Attila hatte ich meiner Mutter zu verdanken, die es auch nicht ausließ, mich bei vollem Namen zu rufen, wenn ich mal wieder etwas ausgefressen hatte. Sie entstammte einen Reitervolk der Zentralasiatischen Steppe, tief im Osten. Wenn es bei uns zuhause Schnitzel gab, konnten wir davon ausgehen, dass Mutter das Fleisch unter dem Sattel mürbe geritten hatte. Sie sagte, sie gehöre dem Stamm der Skythen an. Doch als sie geboren wurde, war der Glanz dieses einst so einflussreichen Volkes schon lange verblasst. Mutter war ein echter Zugvogel, das habe ich von ihr geerbt. Na ja, sie zog gerne umher, ich dagegen vögle lieber. Ich hasse den Namen Attila, deshalb behalte ich ihn gern für mich. Tja, den Septimus bekam ich obendrauf gepackt, weil ich das siebte Kind war. Für mich ist er ebenso peinlich, - wer will schon gern Seppel gerufen werden? Ich nicht! Aber reden wir nicht mehr davon...

      Nachdem ich ungefähr die Hälfte des Kopierpapiers verbrauchte und das Zimmer wie der Austragungsort einer Origami-Schneeballschlacht aussah, gab ich mich zufrieden und übertrug meine mir mühsam abgerungenen Worte ins Reine. Obwohl es nahezu lächerlich erscheint, meine Schrift mit irgendetwas Reinem zu vergleichen. Zumindest hatte ich da keine Schmierbatzen auf dem Papier hinterlassen. Den feinen Büttenpapier-Umschlag verschloss ich mit Wachs und drückte mein Siegel drauf. So, fertig. Da ich diesen Brief Amanda nicht persönlich überreichen wollte und obendrein befürchtete, er könne auf dem postalischem Weg verloren gehen, beschloss ich, ihn selbst in den Türbriefkasten bei ihr zuhause einzuwerfen. Da ich nicht verpassen wollte wie Sascha zu Bett gebracht wurde, schnappte ich mir meine Jacke und schwang mich aufs Motorrad. Wie immer parkte ich die Maschine auf dem Parkplatz des kleinen Freibades um die Ecke und schlich zu Amandas Haus.

      Pirschend näherte ich mich der Haustür, hob vorsichtig die Kastenklappe an und warf den Brief ein. Er lag noch nicht einmal richtig im Kasten, als ich Stimmen hörte. Ich vernahm noch, wie Sascha sich stürmisch von jemandem namens Ron verabschiedete. Wie der geölte Blitz flitzte ich ins Gebüsch und verbarg mich. Das Bild welches sich mir daraufhin bot, verschlug mir beinahe die Sinne! Arm in Arm verließ meine Angebetete mit einem Kerl im Schlepptau ihren Wohnsitz! Annie winkten den beiden hinterher und meinte, er solle bald wieder vorbeikommen. Amandas Begleiter winkte zurück und versprach es. Er sah gut aus, mit brünettem Haar und sehr sportlich. Verdammt Ron, wie ich dich hasse! Mir schien es, als sei er ein Soldat, denn so etwas erkenne ich an der Art wie sich jemand bewegt. Sie lachten und Amanda gab ihm einen Kuss auf die Wange! Sie stiegen gemeinsam in den Meriva und fuhren davon. Um nicht vor Eifersucht zu vergehen und enttäuscht aufzuschreien, biss ich mir vor Verzweiflung in die Faust. Wie konnte ich nur so dumm sein, zu glauben, eine so attraktive Frau wie Amanda habe keinen Liebhaber? Nur weil ich bisher niemals einen sah, bedeutete es noch lange nicht, dass es keinen gab. Ich Vollpfosten hätte doch ihre Telefonanlage anzapfen sollen! All meine Träume, Wünsche und Hoffnungen, bezüglich Amandas, fielen wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Und dann schoss es mir ein, dass ich zuvor diesen verdammten Brief in den Kasten geworfen hatte! Mit diesem Zugeständnis meiner Schwäche würde ich mich glatt zum Gespött machen! Ich fühlte mich wie ein Fallschirmspringer im freien Fall, dem unterwegs einfiel, seinen Fallschirm vergessen zu haben. Das nächste Mal werde ich einen Bindfaden an den Brief kleben, damit ich ihn gegebenenfalls wieder herausbekomme! Umgehend musste ich mir diesen Brief wieder zurückholen. Vorsichtig huschte ich aus dem Immergrün und hob