Elke Bulenda

Himmel, Arsch und Hölle!


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vor sich hin schwebende Schwade oder ein Schemen würde die Aufmerksamkeit des Vampirs auf ihn lenken. Ragnor war ein überaus gerissener Gegner, der schon Nelchael niedergemacht hat. Es interessierte den Beobachter schon, in welchem Verhältnis die beiden zueinander standen. Nötigenfalls würde er die Frau sogar als Druckmittel verwenden, vorausgesetzt, sie liebten sich heiß und innig. Doch sicher war sich der gefallene Engel seiner Sache nicht. Dafür besaß er noch zu wenig Hintergrundwissen. Doch er fühlte sich ausreichend gerüstet, um dem Vampir auf den Zahn zu fühlen. Die Spitzmaus kicherte leise, weil es einfach zu köstlich war, einem Vampir auf den Zahn zu fühlen. Er musste sich diesen Spruch dringend notieren, um ihn beizeiten bei Zaphiel vorzutragen. Als ihn das Mädchen passierte, nahm die Maus gehörigen Abstand. Die Süße triefte nur so vor Weihwasser! Also konnte er den Vordereingang nicht benutzen. Suriel überlegte und verwarf vorerst den Plan, Ragnor zu folgen. Um den Feind besser einschätzen zu können, musste er ihn zuerst ein wenig kennenlernen. Sobald der Untote das Haus verließ, würde er hineinschlüpfen und ein wenig das sichten, was er für nötig hielt. Mal die E-Mails checken, nach Briefen suchen, oder vielleicht das ein oder andere Foto betrachten und den Kontext dazu herstellen. Alles was wichtig sein könnte und einen Anhaltspunkt bot, konnte ihm nur zum Vorteil gereichen. Feinsäuberlich würde er einen Katalog mit Stärken und Schwächen seines Feindes zusammenstellen. Vielleicht auch ein wenig die Spirituosen kosten, denn dem Vampir hing der Ruf an, er würde nicht ins Glas spucken. Wieder kicherte die Spitzmaus sehr leise. Ja, wenn er ins Glas spucken täte, rührte ich dieses Getränk nicht an! Aber ein wenig in seinen persönlichen Sachen zu wühlen, bereitete der Spitzmaus eine gewisse diebische Schadenfreude. Es ist herrlich, wenn man etwas weiß, das dem anderen verborgen bleibt!

      Nun verließ der Vampir das Haus. Nicht wie erwartet durch den Vordereingang, sondern durch die Garage, an der sich das Tor öffnete und Ragnor auf einem Motorrad freigab. Fast lautlos glitt dieser auf seiner Maschine durch die Nacht, bis er aus Suriels Blickfeld entschwand. Sofort machte sich der Höllenengel in Spitzmausgestalt auf den Weg, um sich irgendwo Eintritt ins Haus zu verschaffen. Eine kleine Ritze würde schon ausreichen, um in der Form einer Nebelschwade Zugang zu bekommen. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis die Spitzmaus das Gebäude umrundet hatte. Selbstverständlich hätte Suriel auch die Gestalt ändern können, nur ob der Vampir nicht wieder zurückkommen könnte, weil er vielleicht etwa vergessen hatte, konnte niemand voraussehen, selbst er nicht. Deshalb die gesteigerte Vorsicht. Als die Maus die Garage erreichte, blickte sie sich verstohlen um. Niemand war in Sicht. Gerade als sie sich in einen Schemen verwandeln wollte, stürmte aus dem angrenzendem Gebüsch ein struppiger Kater. Der Spitzmaus blieb nichts anderes übrig, als erschrocken aufzuquieken, um darauf wie wild durch die Gegend geschleudert zu werden. Als das Katzenvieh mit seinem gesamten Gewicht auf das fragile Tierchen sprang und zuschnappte, hauchte auch der zweite, von Zaphiel gesandte Höllenengel, für immer seinen bösen Odem aus...

      In Herzenssachen sind sechs Wochen schon völlig chronisch.

      (J. Nestroy)

      Und nun platzt ihr doch sicherlich vor Neugierde, um zu erfahren, worum es sich bei meinem neuen Hobby handelte. Habe ich recht? Ohne Zweifel reichte es mir nicht, nur allein zu wissen, wo Amanda wohnte. Um etwas Hintergrundinformationen über diese Person zu sammeln, war ich selbstredend brennend interessiert, wie sie wohnte. Jetzt schimpft mich von mir aus einen Stalker. Aber seht das doch mal so: Amanda war mir bisher immer nur durch ihre wenig sensible Wesensart ins Auge gestochen. Und diese ruppige Person beabsichtigte mich zu untersuchen! Um ein wenig Zutrauen in sie und ihre Fähigkeiten fassen zu können, musste ich sie umgehend durchleuchten. Deshalb diese geheime Mission. Schließlich muss ich wissen, wem ich ins Auge blicke.

      Ihre kleine Tochter Sascha kannte ich schon, ein sehr liebes, aufgewecktes und gescheites Mädchen. Doch ob Amanda allein mit ihr wohnte, oder sogar einen Liebhaber besaß, war mir völlig fremd. Nachdem ich den Standort ihres Wohnsitzes ausfindig machen konnte, fuhr ich dort hin, um mich ein wenig umzusehen. Zuerst hielt ich gebührend Abstand und betrachtete das Haus, mit dem gepflegten Garten, nur von Weitem. Als die Tage kürzer wurden, nutzte ich die Dunkelheit zu meinem Zweck, um mit ihr zu verschmelzen und mich dem Grundstück ungesehen nähern zu können. Amanda lebte nicht nur mit Sascha in dem hübschen Haus, sondern auch gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter unter einem Dach. Das erfuhr ich, als ich das Klingelschild und die Briefkastenbeschriftung checkte. Ein Dreimädelhaus! Es wäre zu entzückend, darin der Hahn im Korb sein zu dürfen. Die Schwiegermutter wurde von Amanda Annie gerufen und Sascha nannte ihre Großmutter Nana. Sie war eine sehr aufrecht gehende, graumelierte Dame, die stets um die gleiche Zeit einen Basset Hound spazieren führte - oder eher spazieren schleifte. Ich weiß nicht wie ihr darüber denkt, aber ein halber Meter Hund, mit kurzen Stummelbeinen, läuft nicht unbedingt wie ein Barsoi und löste in mir schon fast so etwas wie Mitleid aus. Erschreckend, was der Mensch alles aus einem Wolf züchten konnte. Bei einer Flutkatastrophe würden diese Köter als Erstes absaufen. Dieses dreifarbige Tier hatte einen überaus melancholischen Blick, undichte, sabbernde Lefzen und seine Ohren schliffen beinahe bei jedem Schritt über den Gehweg. Dieser phlegmatische Hausgenosse hörte auf den Namen Prince Charles. Oder eher nicht, weil er einen sehr aristokratischen Charakter sein Eigen nannte, und eigentlich nur darauf erpicht war, seinen hoheitlichen Dickkopf durchzusetzten. Schon allein vom Zusehen verlor ich mit dieser Wurst auf Beinen, fast die Geduld. Dieser Köter verharrte eine halbe Ewigkeit, um einen Fährte genaustens zu untersuchen. Und einmal fand er sogar meine eigene. Ich erwachte gerade wieder von einem meiner berüchtigten Blackouts im Gebüsch, als mir Prince Charles nolens volens eine Gesichtswäsche verpasste. Da ich aber für alle möglichen Umstände präpariert war, steckte ich ihm ein Leckerli in den Hals und schloss mit ihm sofortige Freundschaft, samt Schweigegelübde. Ist klar, ne? Der Hund ist der beste Freund des Menschen, und geht auch schon mal den Pakt mit einem Vampir ein. Als ich Prince Charles auf meiner Seite wähnte, erlaubte ich mir schließlich das Grundstück zu betreten und einen unverbindlichen Blick ins Innere des Hauses zu werfen. Als Vampir kann man die Infrarot-Bewegungsmelder bestens umgehen. Schließlich ist man untot. Nie versäumte ich es, wenn die kleine Sascha zu Bett gebracht wurde. Abwechselnd las Annie, oder Amanda dem Mädchen eine Gute Nachtgeschichte vor. Okay, es war nicht gerade bequem, auf dem Dach zu hocken, sich nass regnen zu lassen und kopfüber der Geschichte zu lauschen, doch so bekam ich wenigstens noch eine zusätzliche Lehrstunde in Sachen Grimms Märchen. Das gesamte Haus verströmte einen harmonische Note und schnell fühlte ich mich dort vertraut und heimisch. Nur Zutritt verschaffte ich mir nie. Mir selbst wäre es ein Grauen, wenn jemand ungefragt meine Heiligtümer betritt. Die drei Damen waren ein reizendes Gespann, das ich schnell in mein schwarzes Herz schloss. Ein wenig kam ich mir vor, als sei ich der geheime Hüter eines unglaublich wertvollen Schatzes. Ein dunkler Schutzengel, der nachts über das Wohl dieser kleinen Familie wachte. Nach und nach wurde mir klar, dass Dr. Dr. Amanda Ferguson keineswegs die schnippische Person war, die sie immer vorgab zu sein. In meinen Augen war sie einen warmherzige und überaus treusorgende Mutter. Voraussichtlich seht ihr es wohl als total krank an, weil ich wissen wollte, welche Nachtwäsche sie trug. Leider fand ich es bisher nie heraus; Amanda zog vor dem Entkleiden jedes Mal zeitig die Vorhänge zu. So blieb für meinen Teil genug Raum für eigene Spekulationen, und ein weiteres, ungelöstes Geheimnis. Kurz vor der Morgendämmerung machte ich mich wieder auf den Heimweg. Um den versäumten Schlaf musste ich mich nicht sorgen. Meine Therapiestunden waren dermaßen entspannend, dass ich dort getrost meinen Schlaf nachholen konnte, obwohl ich dafür so manchen fragenden Blick erntete.

      Wie immer ging ich meinem nächtlichem Hobby nach, und heute mit gesteigerter Aufmerksamkeit, weil mir seit einigen Tagen ein Auto ins Auge stach, in dem zwei Typen das Haus der kleinen Familie zu observieren schienen. Wenn hier jemand observiert, dann bin ich das, klar? Lautlos stieß ich mich von meinem Ansitz ab, verschmolz mit der Finsternis und sah mir die Sache ein wenig genauer an.

      ***

      »Ich denke, wir haben den Kasten jetzt lange genug beobachtet«, meinte eine dunkle Gestalt zu der anderen. Mit einer ins Gesicht gezogenen Sturmmaske konnte man nicht genau erkennen, um wen es sich dabei genau handelte. Und so wie abgesprochen, sollten untereinander keine Namen erwähnt werden.

      »Da bin ich ganz deiner Meinung, gehen wir rein. Von den drei Grazien haben wir nicht zu befürchten«, nickte der Beifahrer